Interview mit Georg Reuchlein

"Die Bücher werden in Deutschland einschlagen"

4. Juli 2012
von Börsenblatt
In den USA ist der erotische Roman "Fifty Shades of Grey" ein Mega-Bestseller - jetzt ist der erste Teil der Trilogie auf dem deutschen Markt. Goldmann-Verleger Georg Reuchlein über das Geheimnis von Orchideen auf dem Buchcover, den Hunger nach gefühlvollen Geschichten und darüber, warum das Buch kein Porno ist. 
"Dieses Buch ist schärfer als Porno", titelte die "Bild" über "Fifty Shades of Grey". Einverstanden?
Reuchlein: Ich bin mit der Einordnung nicht einverstanden, weil es kein Porno ist. In der Pornographie geht es nur um die sexuelle Erregung, das ist nicht das Thema der Autorin E. L. James. Ich lese das Buch als einen großen modernen Liebesroman, in dem es um Sinnlichkeit, Begehren und Leidenschaft geht.
 
Warum zeigen Sie dann den Bild-Artikel auf der Goldmann-Website?
Reuchlein: Wir haben diese Schlagzeile in der Bild-Zeitung nicht gemacht, wir zensieren sie auch nicht. Aber wir wollten die Öffentlichkeit über den Vorabdruck in der Bild informieren.
 
Im prüden Amerika ist das Buch ein Mega-Besteller. Die Deutschen können sich offener mit Erotikliteratur eindecken. Erwarten Sie trotzdem den gleichen Erfolg in Deutschland?
Reuchlein: Absolut, denn hier kommt es nicht darauf an, ob ein Land prüde oder freizügiger ist. Ich sage nicht, dass in den Romanen Erotik nicht vorkommt - aber so wenig, um ein weltbekanntes literarisches Beispiel zu nehmen, Nabokovs "Lolita" Pornographie ist, so wenig ist die Shades-Trilogie ein Porno. Deswegen werden die Bücher in Deutschland genauso einschlagen. Das bisherige Feedback der Leserinnen deutet in die Richtung. Die Leser hungern nach Geschichten, in denen es um große Gefühle geht.
 
In den USA hat sich die Trilogie als E-Book bestens verkauft. Kann das Buch auch hier zu einem E-Book-Bestseller werden? 
Reuchlein: Ich erwarte in Deutschland sowohl bei den digitalen Ausgaben als auch bei den gedruckten eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie in den USA. Jedoch wird das gedruckte Buch hierzulande eine größere Rolle spielen, weil wir eine andere Buchhandelslandschaft als in Amerika haben. Das ist der entscheidende Grund, warum in den USA der Anteil von E-Books an den Umsätzen höher ist.
 
Sie starten den ersten Band mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren. Wirklich?
Reuchlein: Das stimmt, allen Ernstes. Wir haben schon vor Auslieferung so viele Vorbestellungen bekommen, dass wir mehrfach nachdrucken mussten. Wir sind in der Zwischenzeit in der fünften Auflage - mit 500.000 Exemplaren. 
 
Orchideen auf dem deutschen Cover, Handschellen bei den Amerikanern. Warum illustrieren Sie einen Erotikroman mit Blumen?
Reuchlein: Die amerikanischen Umschläge sind für mein Empfinden zu kalt. Sie sind zu einseitig erotisch aufgeladen; und sie sind mir ein Touch zu männlich. Deshalb arbeiten wir mit subtileren Covern, die gefühlsbetonter und weiblicher sind.

Interview: Kemal Calik