Gastspiel

Freiheit hat ihren Preis

2. August 2012
von Börsenblatt
Wer eine eigene Buchhandlung hat, zahlt bei der Finanzierung manchmal Lehrgeld. Dann fahren Berater in schweren Wagen vor. Von Martina Bergmann.

Logik finde ich sehr vernünftig. Ich versuche, die kaufmännischen Belange meines Unternehmens verstandesmäßig zu regeln. Das gelingt nie komplett, denn ich bin ja ein Mensch und kein Computer. Die Unterscheidung besteht in Emotionen. Ihren hohen Stellenwert in der Buchhandlung habe ich neulich aufgeschrieben. Der Sortimenter in seinem Ladengeschäft mit Kundschaft am Ort, die er kennt und mag; so stelle ich mir die buchhändlerische Zukunft vor. Zwei Rohstoffe benötige ich dafür: Ware und Geld. Bei Verlagen Bücher zu ordern, ist mein tägliches Geschäft. Der andere Rohstoff ist mir ferner, da habe ich auch weniger Erfahrung.

Allerdings habe ich vor Geld nie Angst gehabt. Wenn es einem fehlt, muss man es bei Banken kaufen. Geschäftsgeld von Privatleuten zu borgen, halte ich nicht für gut. Ich hatte in Bankterminen anfangs oft das Gefühl, ich muss mich nackt ausziehen, wenn ich sage, warum ich was wann gelernt, studiert, gearbeitet habe. Ich habe auch aufgehört, all die Versionen von Businessplänen zu zählen, die ich schreiben musste, bis es ein vorzeigbares Exemplar gab.

Finanzierungsgespräche, Verhandlungen über Konditionen und weitere Geldbelange des mittelständischen Kaufmanns sind per se nicht dazu angetan, veitstanzartige Bewegung auszulösen. Über den liebenswürdigen Sachbearbeiter der Landsparkasse kann ich mich wahrlich nicht beklagen.

Und doch: Geld ist der Begriff, der mich zornig macht. Gegen die Meinung des Sparkassenmannes hatte ich allzu schnell eine Umfinanzierung vorangetrieben, die die anfangs sehr hohen Kapitalkosten senken sollte. Er hatte zur Besonnenheit geraten, und ich entscheide oft (zu) schnell. Das Unterfangen ging also prompt total daneben, und die so entstandene Finanzmalaise zu überwinden, hat mich, wenn sonst nichts, so doch Geduld gelehrt.

Es gab infolgedessen eine Phase sehr schlechter Liquidität. Das ist bei guten Umsätzen nicht einmal direkt gefährlich, aber es ist lästig. Man muss penibel aufpassen und hängt mit seiner Tageskasse buchstäblich am Wetter. Es kommt zu unangenehmen Gesprächen, in denen man um Aufschub bittet und sich immer neu entschuldigt. Nicht alle Gegenüber sind gleich freundlich. Ich habe mir böse Schelte anhören müssen. Berater kommen dann auch gern. Sie fahren schwere Wagen und unterbreiten ein Angebot.

Mein Plan war einfach: Weitermachen. Bücher verkaufen, Umsätze erlösen, aus Erträgen die Kosten dieses Bankdesasters abtragen. Aber ich machte auch die Erfahrung, dass Geldknappheit einiges Sensationspotenzial bietet. Zwei Sorten Publikum können einem lästig fallen. Es gibt die aufrichtig neugierigen, aber eigentlich harmlosen Zuschauer. Gefährlich sind die anderen, die Moralisten und Zyniker. Erst einmal verständnisvoll, oft überraschend hilfsbereit und sogar zum Spontankredit bereit, warten sie doch nur darauf, dass man den einen, vermeintlich unverzeihlichen Fehler macht.

Quintessenz: Zocker sollen ihre Geldfestspiele bitte an der Börse inszenieren, aber nicht bei uns in der Provinz, in den normalen Banken, über die ich nichts Schlechtes sagen kann. Bankberater bewahren einen nicht vor unternehmerischen Fehlentscheidungen, aber sie können hilfreich sein, sie zu vermeiden oder auszugleichen. Unternehmertum ist einfach nichts für furchtsame Personen; man muss Konflikte austragen und Stress bewältigen können. Es ist, in einem Wort, Freiheit, und die hat ihren Preis. Ich habe mit Verstand überlegt, dass ich ihn gern zahlen will.