Neues Medien-Logistikzentrum in Thüringen

Oliver Voerster: "Für uns ist das ein Jahrhundertprojekt"

4. September 2012
von Börsenblatt
KNO VA und KNV zieht es nach Erfurt. Die Schwesterunternehmen wollen dort ab 2015 interne Synergieeffekte nutzen, ihre Kostenbilanz aufbessern, und neue Ideen anpacken. Wie das in der Praxis aussehen und was es der Branche bringen soll: ein Gespräch mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Oliver Voerster.

In Erfurt wollen Sie Barsortiment und Verlagsauslieferung zusammenführen. Wie wird das in der Praxis aussehen, wenn Sie künftig alles auf einer Palette lagern?

Voerster: Wir werden endlich die Synergieeffekte voll nutzen, die es in unserem Unternehmen eigentlich schon lange gibt. Mit der neuen Konzeption entstehen ganz neue Möglichkeiten. Die Bestände von Verlagsauslieferung und Barsortiment werden wir zukünftig auf einem Lagerplatz verwalten können und nehmen dann beim Eigentumsübergang lediglich virtuell eine „Umbuchung“ vor. Damit können wir einen kompletten Logistikprozess einsparen, die eine Hälfte auf Verlagsauslieferungsseite und die andere in unserem Barsortiment.

Was sagen Ihre Verlagskunden dazu?   

Voerster: Diese Rationalisierungschance hat alle Verlage unserer Verlagsauslieferung grundsätzlich überzeugt. Bisher fallen auch bei der Lieferung an unsere Barsortimente Auslieferungsgebühren an, die sich zukünftig um den Anteil der eingesparten Kosten für den entfallenden physischen Logistikprozess reduzieren werden.

Wenn Sie demnächst von einer Palette kommissionieren: Kaufen Sie dann für das Barsortiment in Ihrer Verlagsauslieferung überhaupt noch auf Vorrat ein – oder erst, wenn eine konkrete Bestellung vorliegt?    

Voerster: Die Details hierzu werden wir noch mit den Verlagen unserer Verlagsauslieferung beraten und vereinbaren. Denkbar sind verschiedene Modelle angefangen von dem bisherigen Geschäftsmodell aber ohne Logistikaufwand bis zu der Variante, erst dann einzukaufen, wenn wir einen Auftrag für die Ware haben.

Welches Modell wäre Ihnen lieber?

Voerster: Das kommt auf die Vereinbarung mit dem Verlag an. Eine Reduktion unserer Kapitalbindung wäre uns sehr willkommen. Doch man muss noch sehen, welche Auswirkung das auf das Geschäftsmodell zwischen Verlag und Barsortiment hätte, auf Konditionen und die Berechenbarkeit. Wir wollen nicht wieder eine Diskussion um die Black Box Barsortiment entfachen, sondern einen berechenbaren Prozess entwickeln, der die Auflagenplanung der Verlage weiterhin unterstützt.

Fragen Sie Verlage auch danach, ob sie Sie bei Ihrem Großprojekt in Thüringen unterstützen?

Voerster: Ja, und ich halte das sogar für eine ganz normale, selbstverständliche Angelegenheit, dass uns Lieferanten bei einem derartigen Jahrhundertprojekt mit einem Investitionsvolumen von über 150 Millionen Euro unterstützen. Wir gehen davon aus, dass jeder Verlag seinen Beitrag dazu leistet. Das Interesse der Verlage an der Logistikkonzeption ist hoch, und die Reaktionen sind sehr verständnisvoll.

Werden Sie dieses Engagement belohnen?

Voerster: Ich betrachte das als Geben und Nehmen. Wer uns heute hilft, dem werden wir morgen helfen. Unabhängig davon: Wir machen das jetzt zum ersten Mal in unserer langen Unternehmensgeschichte.

Können Sie in Erfurt mit Subventionen rechnen?

Voerster: Ich rede lieber von Investitionsförderung, so wie der thüringische Wirtschaftsminister Matthias Machnig – der Begriff ist einfach präziser. Generell: Unser Projekt ist jetzt als förderwürdig eingestuft worden und wir befinden uns derzeit in einem laufenden Genehmigungsprozess.  

Wie geht es Ihnen dabei?

Voerster: Gut. Wir sind noch nie staatlich unterstützt worden – seit der Gründung 1829. Dass wir in Erfurt jetzt die Chance bekommen, eine Investitionsförderung zu erhalten: Ich freue mich darüber – es wäre, mit Blick auf unsere Unternehmensgeschichte, mit einer kompletten Enteignung in Leipzig, ein gerechter Ausgleich.

Was bringt Ihre Zentrallogistik dem Buchhandel?

Voerster: Für unsere Geschäftspartner können wir in der neuen Logistik ein deutliches Artikelwachstum im Buch- und Non-Book-Bereich so realisieren, dass ein optimaler Servicelevel von regalfertigen Belieferungen über Systemdienstleistungen bis zu Zentrallagerfunktionen mit einem maximalen Bündelungseffekt mit dem Warenstrom aus unserer Verlagsauslieferung möglich wird. Dazu gehören der Versand in einem Packstück oder einer Wanne sowie Verfügbarkeitsvorteile im Großhandel durch die Möglichkeit eines Zugriffs auf Verlagsbestände. Zusätzlich wird das PoD-Druckzentrum an den neuen Standort transferiert, damit frisch gedruckte Bücher zusammen mit Aufträgen aus Barsortiment und Verlagsauslieferung geliefert werden können. In dieser Kombination können wir in wenigen Jahren über eine Million Artikel aus einer Logistik anbieten.

Inwiefern werden Sie im E-Commerce schneller?
 
Voerster: Die Paketverteilzentren von DHL und anderen Paketdiensten haben in der Mitte von Deutschland eine ganz andere Leistungsfähigkeit. Hier können wir bis 22 Uhr, also einige Stunden länger einliefern als an unseren bisherigen Standorten und die Pakete werden trotzdem dem Endkunden am nächsten Tag angeliefert. So kann der Anteil der next-day-Belieferung deutlich ausbaut werden, um eine adäquate Leistung im Vergleich zu Amazon zu erhalten. Davon profitieren alle unsere Kunden, die unser E-Commerce-Fulfillment nutzen, von kleinen Buchhandlungen bis zu großen Online-Anbietern.

Das Bundeskartellamt hat Ihnen vor kurzem bescheinigt, dass Ihre Unternehmen künftig in der Branche den Ton angeben und Libri in puncto Kostenbilanz deutlich überholen könnten. Ist das auch Ihre Sicht auf die Dinge?

Voerster: Mag sein, dass wir durch die Effekte einer gemeinsamen Logistik von Barsortiment und Verlagsauslieferung einen gewissen Vorteil und auch ein Alleinstellungsmerkmal haben werden. Aber Libri ist mit seinem neuen Logistikzentrum in Bad Hersfeld seit dem Jahr 2000 hervorragend aufgestellt, auch mit Blick auf die Kostenstruktur.

Libri hat seine Logistik vor zehn bis 15 Jahren angepasst, Sie tun das heute. Sind Sie erleichtert, dass es jetzt endlich losgeht?

Voerster: Unbedingt, auch wenn es zwei verschiedene Dinge sind – ob man eine Baugenehmigung hat, oder bereits ein funktionierendes neues Logistikzentrum. Wirklich durchatmen werde ich wohl erst, wenn alles funktioniert und wir mindestens die Hälfte unserer Finanzierung zurückbezahlt haben. Die nächsten Jahre dürften wohl die spannendsten in meinem Leben werden, vielleicht auch die nervenaufreibendsten. Aber mein Ziel steht fest: Ich möchte das Unternehmen eines Tages gern schuldenfrei an die nächste Generation übergeben.

Was könnte dem entgegenstehen?

Voerster: Wenig, es sei denn der Buchmarkt würde zusammenbrechen. Doch davon gehe ich nicht aus, trotz aller Probleme, die es gibt – und noch geben wird.

Werden Sie sich auch in anderen Branchen nach Kunden umschauen?  

Voerster: Insbesondere für unseren Bücherwagendienst ist das eine interessante Perspektive. Alles, was auf eine Palette oder in einen Karton passt, nicht zappelt oder besondere Temperaturen benötigt, ist kompatibel zu unserer Struktur. Außerdem müssen die Anforderungen an die Belieferung ähnlich sein, etwa hinsichtlich der Geschwindigkeit, der Anlieferzeiten und der Lieferziele in Innenstadtlagen. Wir bauen dafür direkt neben der Kernlogistik in Erfurt ein separates leistungsfähiges und erweiterbares Frachtzentrum, um uns auch mit anderen Transporteuren in Zukunft optimal vernetzen zu können.