Frankfurter Buchmesse

Von der "Wucht des Preises"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Auf dem Podium des "Forum Börsenverein" auf der Frankfurter Buchmesse trafen sich Ursula Krechel, Gewinnerin des Deutschen Buchpreises in diesem Jahr, ihr Verleger Jochen Jung und Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann zum Gespräch.
"Bevor ich meine Frau angerufen habe, um ihr zu sagen, dass wir gewonnen haben, habe ich erst einmal mit der Druckerei telefoniert", erzählt Verleger Jochen Jung auf dem Podium des "Forum Börsenverein" auf der Frankfurter Buchmesse und sieht dabei ziemlich glücklich aus. Neben ihm auf der Bühne sitzen Ursula Krechel, die für ihren Roman "Landgericht" am Montag mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, und Moderator Holger Heimann (Börsenblatt). Autorin und Verleger ist der Preisträgertrubel der vergangenen Tage mit zahlreichen Lesungen und Interviews nicht anzusehen, gut gelaunt und energiegeladen sitzen sie auf ihren Stühlen.
Ganz überraschend ist die "Wucht des Preises" aber auch nicht über die beiden hereingebrochen. Ursula Krechel hatte sich mit dem Schreiben einer Dankesrede auf ein mögliches Gewinnen des Preises eingestellt, dabei aber alle möglichen Szenarien im Hinterkopf behalten. "Vom Best Case bis zum Worst Case habe ich mich auf alles vorbereitet", so die Autorin. "Und ich als Verleger muss immer vom Best Case ausgehen. Deshalb habe ich die Druckerei schon vor der Preisverleihung auf eine unter Umständen hohe Druckauflage vorbereitet", erzählt Jung. 80.000 Exemplare des Romans hat der Verleger seit der Preisverleihung bereits nachdrucken lassen.

Er muss es wissen, schließlich hat Jung schon Erfahrung im Gewinnen des Deutschen Buchpreises. 2010 erhielt Melinda Nadj Abonji, ebenfalls Autorin des Jung und Jung Verlags, für ihren Roman "Tauben fliegen auf" die Auszeichnung. "Ich wusste also, was zu tun ist, und vor allem: Wie gut sich das anfühlt", erzählt er. Ein wenig ist Jung also der David, der wiederholt erfolgreich gegen die Goliaths der Buchbranche angetreten ist. "Bisher ist nur es Suhrkamp geglückt, dass zwei im Verlag erschienene Bücher mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurden – und Suhrkamps Programm ist um einiges größer", bemerkt Heimann. Da vermutet der Verleger den lieben Gott auf seiner Seite. Doch man ist sich einig: Neben dem lieben Gott spricht auch viel literarische Qualität für diese Doppelauszeichnung.

Nicht ganz einig sind sich Autorin und Verleger dagegen bei der Frage, ob "Landgericht" nun eher kühl-distanziert oder rührend-emotional die tragische Geschichte des Richters Richard Konitzer schildert. "Es ist vielleicht so: Die Emotionen entstehen im Leser – ich als Autorin versuche jedoch, Distanz zum Text und zum Thema zu bewahren", fasst Krechel zusammen. Sie bemerke allerdings schon, dass "Menschen sich auf ihren Lesungen dann und wann im Gesicht herumwischen". Bei diesem Gespräch jedoch blickt man im Publikum nur in lächelnde Gesichter – so viel Freude steckt eben an.

Christiane Petersen