Neuseeland übergibt die Gastrolle

„Es tut mir leid, aber die Bühne gehört jetzt Brasilien“

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Zwei Autoren, deren sprachgewaltige Texte den Neuseeland-Pavillon ein letztes Mal verzaubern. Eine Projektkoordinatorin, die ebenso bewegt wie beschwingt "Danke" sagt. Und ein Buchmesse-Direktor, der mit den Tränen kämpft: Neuseeland gibt die Gastrolle weiter – an Brasilien.

„Mag sein, dass wir am anderen Ende der Welt zu Hause sind, aber heute sind wir mit unserem Herzen hier.“ Tanea Heke, Projektkoordinatorin des neuseeländischen Ehrengastauftritts, hat ihren letzten offiziellen Auftritt knapp gehalten. Statt viele Worte zu machen, holte sie die Maori-Tanzgruppe „Te Matarae“ zu sich auf die Bühne im Forum, und sang – zusammen mit allen Neuseeländern, die es durch die dichte Menge hindurch heute tatsächlich bis in die Halle geschafft hatten – ein letztes Lied. Heke: „Ich bin stolz hier zu stehen.“   

"Dann haben wir es einfach gemacht"

 Neuseeland hatte kaum anderthalb Jahre Zeit, um seinen Ehrengastauftritt vorzubereiten. Eine Sisyphusarbeit. Heke erinnert sich an den Moment, als sie im Oktober 2011 schon einmal im Messe-Pavillon stand, um selbst die Gastrolle entgegen zu nehmen, bis heute: Island habe „enorm vorgelegt“, meinte Heke. So enorm, dass sie sich fragte, ob auch sie und ihr Team es schaffen könnten, Frankfurt und die Welt zu beeindrucken. Es folgten Monate intensivster Arbeit. Heute lächelte Heke über ihre Gedanken bei der Gastrollen-Zeremonie im vergangenen Jahr, pflegte bei allem aber typisch neuseeländisches Understatement. „Dann haben wir es einfach gemacht, und es war ziemlich gut. Danke – allen, die uns geholfen haben."  
    
Hunderte hörten ihre Worte. Der Pavillon war, wie in den letzten Tagen eigentlich immer, voller Besucher (die überhaupt nur noch schubweise eingelassen wurden). Buchmesse-Direktor Jürgen Boos, der nach ihr auf die Bühne kam, beschwor noch einmal den Zauber des neuseeländischen Gastlandauftritts – unüberhörbar nervös. „Vor ein paar Minuten habe ich noch gedacht, ich könnte nicht reden“, mit diesen Worten betrat er die Bühne. Erzählte von einer wilden Reise, und davon, dass „diese Reise jetzt nicht zu Ende“ sei. „Vielen Dank, dass ihr uns das möglich gemacht habt.“

„Jetzt gehört die Bühne Brasilien“

Boos wirkte heute hin und her gerissen – zwischen Neuseeland und Brasilien, dem Ehrengast im kommenden Jahr. Er freue sich riesig auf Brasilien, werde in jedem Fall auch sein Portugiesisch aufbessern, versicherte Boos zum Schluss der Zeremonie. Und sagte in Richtung der Neuseeländer, die langsam ins Dunkel ihres Pavillons abtauchten: „Es tut mir leid für Neuseeland, ich liebe euch – aber die Bühne gehört jetzt Brasilien.“

Vor Tanea Heke und Jürgen Boos hatten bereits Autoren der beiden Länder ihren Abschied beziehungsweise ihr Stelldichein in Frankfurt gegeben. Für Neuseeland trat noch einmal Hinemoana Baker ins Rampenlicht, mit einem Gedicht, dass sie für das Projekt „Venus in Transit“ verfasst hat (Details dazu beim Goethe-Institut in Wellington, hier). Brasilien wiederum ließ sich von Milton Hatoum vertreten, dessen Werke deutsche Leser bereits kennen (sie erscheinen bei Suhrkamp). Hatoums Beitrag: Er las aus „Zwei Brüder“ – einem Roman, der um eine Familie kreist, die Eifersucht und Bruderzwist an den Rand des Abgrunds stellt.   

16 Stimmen für ein Land


In die Gastrolle der Frankfurter Buchmesse, die Tanea Heke heute ihrem brasilianischen Kollegen Galeno Amorim (er ist Präsident der Fundação Biblioteca Nacional) überreichte, hat sich das Land mit einem Text eingeschrieben, der die vielen Stimmen seiner Literatur wiederspiegelt – 16 Autoren haben daran mitgewirkt. Nachlesen lohnt sich: auf der Seite der Frankfurter Buchmesse, hier.

Brasilien stellt seinen Auftritt unter das Motto „Brazil in Every Word“. Was die neuen Ehrengäste vorhaben, lesen Sie im boersenblatt.net-Archiv: "Brazil in Every Word" - der Ehrengast 2013   

Last not least ein Surftipp für alle, denen fünf Tage Neuseeland nicht genug waren: Die (ehemaligen) Ehrengäste haben einen Youtube-Kanal eingerichtet.