Fragebogen

Social Media Monitoring – die wichtigsten Antworten

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Erfolgskontrolle von Social-Media-Aktivitäten ist mehr als das bloße Zählen von Fans und Followern. Wir haben zwei Experten zu den wichtigsten Themen rund um Social Media Monitoring befragt: Leander Wattig (Berater) und Helene Fritzsche (Agentur Knallgrau).
Leander Wattig arbeitet als selbständiger Berater zu Social-Media-Themen und hat einen Lehrauftrag an der Universität St. Gallen. Er bloggt auf "Ich mach was mit Büchern".

Helene Fritzsche ist als Beraterin bei der Wiener Werbeagentur vi knallgrau beschäftigt. Sie verantwortet die Entwicklung, Beratung und Analyse digitaler Lösungen und widmet sie sich dabei vor allem dem Thema Measurement.

Was steckt genau hinter dem Begriff Social Media Monitoring (SMM)?
 
Leander Wattig: "Social Media Monitoring" ist einer dieser Modebegriffe, welche in den letzten Jahren die Runde gemacht haben. Letztlich geht es hierbei schlicht um Marktanalysen, die dank des Internets und der heutigen technischen Instrumente sehr viel stärker und z.T. in Echtzeit einbeziehen können, worüber die eigenen Kunden und andere Stakeholder sprechen und wie sie sich verhalten. Hier liegt eine große Chance für Unternehmen und wenn es nur eine Sache gibt, die sie im Internet tun, dann sollte es genau das sein: zuhören. Ein weiteres Modewort, welches in den Zusammenhang gehört, ist das des "Social CRM", welches eng mit dem Monitoring verbunden ist. Das Ziel sollte sein, die im Rahmen eines strukturierten Monitorings gewonnenen Informationen in eigene Systeme zu überführen und die Kundendaten damit zu verknüpfen.
 
Das Social Media Monitoring ermöglicht es Unternehmen u.a., den Erfolg eigener Aktivitäten zu verfolgen, den Wettbewerb zu beobachten, Ansatzpunkte für die Verbesserung des eigenen Angebotes zu identifizieren, geeigneten Content zu finden, auf den man hinweisen kann, auf Kritik frühzeitig zu reagieren und so Kommunikationskrisen vorzubeugen, Ressourcen zu sparen und überhaupt erst eine Grundlage für die tägliche Social-Media-Arbeit zu haben.Was sind typische Größen, die hier gemessen werden?

Helene Fritzsche: Social Media Monitoring liefert Einblick in digitale Kommunikation. In Kombination mit anderen Disziplinen kann man mit Social Media Monitoring den Erfolg von Social Media Aktivitäten messen.
Konkret ermöglicht Social Media Monitoring Software, verschiedene digitale Quellen – vorzugsweise natürlich Social Media Portale – automatisch nach zuvor definierten Suchbegriffen zu durchsuchen. Im Grunde ist das vergleichbar mit der klassischen Medienbeobachtung nur dass das Ergebnis keine Clipping-Mappe mit Zeitungsausschnitten ist sondern ein Online-Report.

Was sind typische Größen, die hier gemessen werden?

Leander Wattig: Mögliche Monitoring-Objekte sind unternehmensbezogene Informationen bzw. Schlagworte (u.a. Produkte, Führungspersonen, eigenes geistiges Eigentum), marktbezogene Informationen (u.a. Kunden, Wettbewerber, Multiplikatoren) und umfeldbezogene Informationen. Weiterhin kann man unterscheiden nach quantitativen Kriterien wie bspw. Umfang der Unterhaltungen on- und offline und nach qualitativen Kriterien wie Themen und Tonalitäten der Unterhaltungen.

Helene Fritzsche: Typische Größen im Social Media Monitoring sind:

•    Buzz oder Frequenz: Die Anzahl der gefundenen Artikel bzw. Content-Elemente zu den definierten Such-Begriffen.
•    Sentiment- oder Tonalität: Ob ein gefundener Text inhaltlich positiv, negativ oder neutral ist. Anbieter kombinieren hier zwecks Treffergenauigkeit oft automatische Analyse mit manueller Nachbearbeitung.
•    Influence: Wie einflussreich der Autor des gefundenen Content-Elements ist. Der Einfluss wird sehr unterschiedliche definiert, es gibt noch keine Standards. Anbieter stützen sich auf die Menge des Contents eines Autors oder wie oft von Dritten darauf verwiesen wird.
 
Es gibt immer mehr Anbieter, die Social Media Monitoring im Programm haben. Was tut sich gerade am Markt?
 
Leander Wattig: Momentan erleben wir eine Professionalisierung und Konsolidierung des Marktes. Viele führende Monitoring-Dienstleister wie Radian6 und Alterian wurden zuletzt von Enterprise-Software-Unternehmen übernommen und werden in bestehende Systeme integriert. Das zeigt, dass das Thema Social Media Monitoring wie auch der ganze so genannte Bereich "Social Media" die Experimentierphase verlassen hat und heute zunehemd eine selbstverständliche Ergänzung darstellt.

Helene Fritzsche: Man spricht von mehreren hundert Anbietern weltweit, die theoretisch Social Media Monitoring anbieten. Ich denke, für den professionellen Einsatz eigenen sich etwa 100. Die Nachfrage wächst. Wir befinden uns aktuell am Anfang einer Konsolidierungsphase. Dazu trägt unter anderem bei, dass Quellen wie Twitter, sich den unbegrenzten Zugang zu "ihrem" Content mittlerweile teuer ablösen lassen. Viele kleine SMM-Anbieter können sich das schlicht nicht leisten und analysieren daher nur jenen Content, der kostenlos zugänglich ist, was natürlich die mögliche Einsicht einschränkt.
Die Berichterstattung unterscheidet im Allgemeinen zwischen kostenlosen und kostenpflichtigen Anbietern. Außerdem wird meist nach den Quellen unterschieden, die ein bestimmtes Tool durchsucht. Für den professionellen Einsatz sind diese Unterscheidungen interessant, aber eigentlich nur wenig hilfreich.

Im Rahmen meiner Masterarbeit 2011 konnte ich belegen, dass immer wieder die gleichen Anbieter erwähnt werden und dass die meisten Autoren solcher Besprechungen die Tools nicht getestet haben. Daher habe ich die Initiative somemo.at gestartet und ein Bewertungsschema entwickelt, dass man auch ohne viel Vorkenntnis auf Software, die interessant scheint, anwenden kann.

Welche Tools gibt es und für wen sind sie sinnvoll? Wie findet man für sich die richtigen Messgrößen?
 
Leander Wattig: Im Grunde kann man zwei Bereiche unterscheiden. Es gibt Gratistools wie bspw. Google Alerts, Icerocket und Social Mention. Diese sind offensichtlich günstig in der Nutzung, bieten aber nur sehr begrenzte Funktionen. Weitere Nachteile sind der Aufwand für die parallele Nutzung mehrerer solcher Tools und die mangelnde Skalierbarkeit. Daneben gibt es spezielle Monitoring-Dienstleister wie bspw. Radian6, Alterian und Brandwatch. Diese sind teurer und komplexer in der Nutzung und viele Produkte sind auf den englischsprachigen Markt hin optimiert. Dafür ist hier der Einrichtungsaufwand geringer und das Feature-Angebot größer. Weiterhin können sie stärker angepasst und integriert werden.
 
Letztlich steht die Tool-Auswahl jedoch an letzter Stelle. Zunächst muss geklärt werden, welche Ziele auf strategischer Ebene verfolgt werden sollen: Was soll mit dem Monitoring erreicht werden? Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, wie das Monitoring operativ konkret eingesetzt und eingebunden werden soll. Erst wenn das geklärt ist, können geeignete Tools ausgewählt werden, die zum eigenen Unternehmen und zu den eigenen Anforderungen passen. Dabei spielen auch ganz banale Gesichtspunkte eine Rolle wie zum Beispiel, ob ein Tool überhaupt die für mein Unternehmen oder Projekt relevanten Plattformen abdeckt und welche Menschen mit welchen Workflows die Daten am Ende nutzen und interpretieren. Zudem ist es besser, viele Tools zu nutzen, die je eine Sache gut messen können, als ein Tool, das Vieles mittelmäßig misst.
 
Auch die KPI-Wahl hängt entsprechend von den zu klärenden Voraussetzungen ab. Wichtig ist, wo es möglich ist, konzeptionell über die leicht ablesbaren Kennzahlen der Social-Media-Plattformen wie Likes und Retweets hinaus zu gehen und zumindest indirekt Umsatzbezüge herzustellen.
 
Helene Fritzsche: Von kostenlos bis 24.000 Euro pro Jahr belaufen sich die Kosten für den Zugang zu einer Social Media Monitoring Software (siehe SOMEMO VI-2012). Die Preisunterschiede begründen sich einerseits damit, welches Service der Anbieter rund um die Software selbst anbietet. Self-Service Anbieter ermöglichen den Online-Zugang zum Dashboard, stehen für weitere Fragen oder individuelle Anpassungen jedoch nicht zur Verfügung. Full-Service Anbieter hingegen, passen wenn gewünscht alles an den Anwender an und übernehmen die Interpretation der Ergebnisse gleich mit. Das hat natürlich seinen Preis. Hybrid-Anbieter liegen im Mittelfeld und sind – neben Self-Service Anbieter – für den Regelfall zu empfehlen. Andererseits steckt unterschiedlich viel an sagen wir künstlicher Intelligenz in den Systemen. Das reine Auflisten oder Addieren ist einfach und kostet daher nicht viel.
 
Interessant sind Social Media Monitoring Tools für Einzelpersonen (Stichwort Ego-Searching), Einzelunternehmer genauso wie für Großkonzerne oder Organisationen. Ziel ist dabei immer: Herausfinden, ob und was über bestimmte Themen, bestimmte Personen, Produkte oder Unternehmen „gesprochen“ wird bzw. Betroffene ausfindig zu machen und daher auch direkt ansprechen zu können. Genauso interessiert natürlich, wo gesprochen wird, in welchem Zusammenhang der Suchbegriff auftaucht usw. Wichtig ist es zu verstehen, dass ziemlich sicher Kommunikation stattfindet, und zwar auf der Online-Plattform, die jene wählen, die kommunizieren. Soll heißen, vielleicht beschweren sich Kunden auf Facebook, nicht aber im eigenen Kundenforum.

Welche Monitoring-Tools sind für kleine Verlage und Buchhandlungen sinnvoll?
(Diese Frage wurde nur an Helene Fritzsche gestellt)

Helene Fritzsche: Wichtig ist, klar zu formulieren, was das Ziel einer bestimmten Kommunikations-Maßnahme ist und zu überlegen, ob Social Media Monitoring die richtige Disziplin ist, um die Zielerreichung zu messen. Aus Erfahrung weiß ich, dass es hier oft Unklarheit gibt.

Ein Beispiel: Eine Buchhandlungen, mit Website aber ohne Online-Shop, möchte über Social Media Kanäle mit sehr persönlichem Kunden-Service und Lese-Empfehlungen punkten. Dazu will das Team den Dialog mit ihren Stamm-Kunden und potentiellen Kunden über Facebook eröffnen. Ziel ist es natürlich, möglichst viele Kunden in das Geschäfts zu führen.

Ob das gelingt, lässt sich einfach herausfinden, wenn der Mitarbeiter an der Kasse fragt, wie der Kunde auf das Buch oder das Geschäfts selbst aufmerksam wurde und die Antworten sammelt. Ob der Online-Dialog auf Facebook selbst „funktioniert“, misst man mit Social Media Tracking Methoden, eventuell in Kombination mit Web Analyse. Facebook bietet wie gesagt ein eigenes Tool kostenlos an, dass "Facebook Insights" heißt. Die Analyse der eigenen Website zeigt, ob die Kunden von Facebook zur eigenen Website klicken.

Wozu diese Buchhandlung Social Media Monitoring einsetzen könnte? Einerseits können betroffene Kunden ausfindig gemacht werden, die auf anderen Kanälen über das eigene Geschäft oder das Lesen an sich schreiben. So stößt der Buchhändler vielleicht auf die Diskussionen auf chefkoch.de über einzelne Bücher und wie man sie bekommt.

Andererseits könnte die Buchhandlung nach Postings über oder von Konkurrenten suchen, oder nach Beiträgen in denen "Online-Buchhandel" ganz allgemein oder "Lese-Tipp" in unterschiedlichen Schreibweisen vorkommt oder nach Beiträgen zu bestimmten Büchern oder Autoren. Ergebnisse können in die Sortimentsplanung einfließen.

Kennen Sie Verlage und Buchhandlungen, die Social Media Monitoring systematisch einsetzen?
 
Leander Wattig: Alle Verlage betreiben Social Media Monitoring auf die eine oder andere Weise. Manche Verlage nutzen sogar schon komplexere Software-Lösungen. In den meisten Häusern finden sich meiner Einschätzung nach aber eher noch einfache Tools wie Google Alerts.

Helene Fritzsche:  Seit 2010 begleiten wir Thalia in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Kommunikationsmaßnahmen. Wie man Social Media Measurement für die strategischen Kommunikations- und Verkaufsziele von Thalia konkret einsetzen kann und welche Reports wie oft erstellt und analysiert werden, haben wir gemeinsam mit dem Kunden entwickelt. Im Rahmen von Workshops konnte das Thema im gesamten Konzern verankert werden. Social Media Monitoring wird in erster Linie zur Konkurrenzbeobachtung eingesetzt. Seither fließen die Ergebnisse in die Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen ein.

Ein Artikel zum Thema Social Media Monitoring ist heute in der aktuellen Ausgabe des Börsenblatts erschienen.