Wegen fehlender Tarifbindung

Amazon droht Streik

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Die Mitarbeiter von Amazon in Leipzig und Bad Hersfeld fordern einen Tarifvertrag - und drohen mitten im Weihnachtsgeschäft gar mit einem Streik. Ärger hat der Onlinehändler auch mit dem französischen Staat.

"Amazon ist der Lohndrücker der Branche", schreibt die Gewerkschaft Verdi auf der Amazon-Verdi-Website. Denn während Versandhändler wie Otto und Neckermann "faire Löhne nach Tarif" bezahlen würden, halte man bei Amazon wenig von gerechter Bezahlung. Während für den Großteil der Lager-Arbeiten im Versandhandel, zum Beispiel in Hessen, nach Tarif zwischen 11,47 Euro und 11,94 Euro Einstiegsgehalt gezahlt werde, schicke Amazon seine Mitarbeiter mit einem Gehalt von 9,65 Euro bis 11,12 Euro nach Hause.

Das will die Gewerkschaft nicht länger hinnehmen - und möchte den in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gültigen Branchentarifvertrag im Handel auch bei Amazon. Verdi fordere unter anderem sechs Wochen Urlaub, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie 20 Prozent Nachtzuschlag ab 20.00 Uhr, berichtet der MDR. Zudem würde mit dem Tarifvertrag das Einstiegsgehalt von 8,75 Euro pro Stunde auf 10,66 Euro steigen. Im Moment steige der Stundenlohn Verdi zufolge erst nach zwei Jahren auf 10,57 Euro.

Verdi will in diesem Monat oder spätestens im Dezember mit den Verhandlungen beginnen. Auch Streiks schließt die Gewerkschaft nicht aus. "Wir wollen nicht streiken. Aber wenn wir dazu gezwungen sind, stehen die Beschäftigten dahinter", sagte Verdi-Fachbereichsleiter Jörg Lauenroth-Mago dem MDR.

Kein einheitlicher Tarifvertrag

"Amazon ist nicht tarifgebunden und hat eine interne Regelung für die Bezahlung seiner Mitarbeiter", erklärte Lauenroth-Mago auf boersenblatt.net-Anfrage. Darüber hinaus gäbe es in Deutschland keine einheitlichen Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel, sondern regionale. Deshalb müsse die Gewerkschaft über die Tarifverträge an jedem Amazon-Standort einzeln verhandeln. 

Wie der MDR weiter meldet, fordert die Gewerkschaft auch im Logistikzentrum in Bad Hersfeld Tarifverhandlungen. Auch hier wolle der Verdi-Landesbezirk Hessen einen Anschluss an den Branchentarifvertrag durchsetzen - notfalls mit Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft.

"Wir werden dieses Jahr mehr als 10.000 Saisonkräfte einstellen", hatte Ralf Kleber, Deutschland-Chef von Amazon, vor wenigen Tagen dem "Handelsblatt" gesagt. Damit wolle der Onlinehändler die Flut an Bestellungen zu Weihnachten bewältigen. Die Einstellung von Saisonarbeitern bei Amazon stößt jedoch auf heftige Kritik. So hatte im November vergangenen Jahres die "Zeit" berichtet, dass Aushilfskräfte, die vom Jobcenter der Arbeitsagentur zu Händler kommen, oft zur Probe arbeiten müssen - ohne Bezahlung. Kleber hatte vor wenigen Wochen in der "Berliner Zeitung" versucht, die Kritik abzufedern: "Wir übernehmen hinterher auch je nach Geschäftslage mehrere Tausende der Saisonkräfte." 

Zusätzlichen Ärger gibt es für Amazon in Frankreich: Der französische Staat fordert vom Internet-Versandhändler Amazon 252 Millionen Dollar (198 Millionen Euro) Steuernachzahlung. Das Unternehmen hatte im dritten Quartal einen Netto-Verlust von 274 Millionen US-Dollar gemeldet – im Vorjahr hatte der Versender noch 63 Millionen US-Dollar Gewinn gemacht. Beim Umsatz gab es jedoch ein Plus von 27 Prozent auf 13,8 Milliarden US-Dollar (circa 10,7 Milliarden Euro).