Literaturhaus Frankfurt

"Wünsch dir was" für Lehrer

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Ein Literaturhaus, das Lehrerwünsche erfüllt? Die Frankfurter machen das. Nach einem Jahr zieht das Kolleg Schöne Aussicht Bilanz – und empfiehlt das Projekt zur Nachahmung.

"Wir bewegen uns viel auf sicheren Pfaden, manchmal muss man aber etwas wagen". Haucke Hückstädt hat sich das Kolleg Schöne Aussicht getraut, ein Projekt, das sich exklusiv an Lehrer der Rhein-Main-Region wendet. Mit monatlichen Treffen, Expertenbesuchen im Unterricht und Exkursionen will der Chef des Frankfurter Literaturhauses die Wünsche derer erfüllen, die sonst immer vorn stehen, unsere Kids lehren und motivieren.

Mit knapp 50 Lehrern aller Schulformen und vieler Fächer steht Projektleiterin Lisa Schumacher seit September 2011 in regelmäßigem Austausch, etwa 20 kommen zu den monatlichen Kollegs. Hier werden im Gespräch die Ideen gesammelt. Mit dabei ist immer auch ein "Überraschungsgast", zum Beispiel der auf Orientierungsdesign spezialisierte Grafikdesigner Robert Cristinetti, der Social-Media-Experte Stephan Wilczek von der Hochschule der Medien in Stuttgart oder Michael Schikowski, Buchhandelsvertreter des Frankfurter Campus Verlags.

Eine weitere Säule sind Expertenbesuche in der Schule. Ein mit der Lektüre von McEwans "Saturday" beschäftigter Englischleistungskurs – im Fokus steht hier bekanntermaßen der Neurochirurg Henry Perowne – erhielt in diesem Rahmen unangekündigten Besuch von Christian Senft, Neurochirurg an der Uniklinik in Frankfurt, der aus seinem Alltag berichtete – auf Englisch und mit OP-Videos. Im Deutschunterricht einer 10. Klasse schaute Wilhelm Genazino vorbei und stellte sich den Fragen zu seinem Roman "Die Liebesblödigkeit", der gerade Thema war.

Als Sahnehäubchen können die Exkursionen gelten, zu den Literaturtagen nach Klagenfurt etwa, oder nach Göttingen, zum Expertengespräch mit dem Bildungssystemkritiker Prof. Dr. Gerald Hüther und Wolfgang Vogelsänger, dem Schulleiter der IGS Göttingen, die 2011 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde.

"Wir sind das Travohäuschen, das all diese Aktivitäten ermöglicht", freut sich Hückstädt. Das Junge Literaturhaus, die Sparte für Kids & Co., profitiere vom Kolleg, "da läuft was zurück", sagt er. Ein Nebeneffekt. In erster Linie will das Literaturhaus seine Kompetenz bereit stellen. Das Kolleg Schöne Aussicht soll eine Insel für den Austausch mit den Lehrern sein, Impulse für deren Arbeit setzen. Hückstädt: "Wir glauben an das Projekt und würden uns über Nachahmer freuen", sagt er.

Und wie geht es weiter? Die aus dem Kaufhaus Schneider hervorgegangene Frankfurter Dr. Marschner Stiftung, die schon die Schreibwerkstatt des Frankfurter Literaturhauses finanziert, ist noch bis August 2013 mit einem jährlichen Betrag von 50.000 Euro dabei. Die Aussichten für eine Verlängerung des Projekts sollen zumindest nicht schlecht stehen. Der nächste Programmpunkt des Kollegs Schöne Aussicht ist jedenfalls Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, der beim monatlichen Kolleg-Termin am 6. Dezember mit den Lehrern diskutieren will, wie Politik und Politiker in die Schulen getragen werden können.