Rechtsstreit mit Hans Barlach

Suhrkamp steht unter Schock - und die Autorenriege auch

10. Dezember 2012
von Börsenblatt
Nach den beiden Berliner Urteilen bleibt der Suhrkamp-Geschäftsführung nur die Hoffnung auf die nächste Instanz. Während sich Autoren wie Stephan Thome deutlich hinter den Verlag stellen, feiert Kläger Hans Barlach seinen Etappensieg vor Gericht. Meinungen und Reaktionen.

"Über das heutige Urteil sind wir ebenso schockiert wie überrascht": Mit diesem Satz beginnt die Mitteilung der Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags, die nicht sehr lang ausfällt. Völlig unerwartet hatte das Landgericht Berlin den Klagen des Suhrkamp-Minderheitsgesellschafters Hans Barlach und seiner Medienholding Winterthur stattgegeben.

Per richterlichem Urteil wurde die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz als Geschäftsführerin abberufen und zudem die Entlastung der Geschäftsführung für das Jahr 2010 für nichtig erklärt.  Darüberhinaus müssen alle drei Geschäftsführer – also neben der Verlegerin auch Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe – exakt 282.486,14 Euro zahlen. Das Gericht sieht eine "unzulässige Vermischung zwischen privatem und geschäftlichem Bereich" und eine Schädigung des Verlags im Zusammenhang mit der Anmietung von Räumlichkeiten durch das Unternehmen in einer von der Verlegerin erworbenen Villa. Eine Urteilsbegründung gibt es vorerst noch nicht.

Deutlicher als durch die karge Reaktion auf das Geschehene lässt sich das Ausmaß des Schockiert- und Überraschtseins bei Suhrkamp kaum illustrieren. Was der Geschäftsführung bleibt, ist die Hoffnung auf die höhere Instanz. Selbstredend will der Verlag in die Berufung gehen. Vorerst kann man sich damit trösten, dass die vom Landgericht getroffenen Urteile bis zu einer endgültigen Entscheidung ohne konkrete Folgen bleiben.

Die Auswirkungen sind trotzdem dramatisch, und sie bringen dem Verlage einmal mehr Unruhe und Unsicherheit, wie sie für einen Erfolg der zuletzt herausragenden Programme des Hauses allemal unzuträglich sind. Während Autoren des Verlags noch über eine gemeinsame Erklärung nachsinnen, sagt Stephan Thome wohl durchaus stellvertretend für viele: "Es ist ein ziemlicher Schock für mich“. Er empfinde „eine Mischung aus Ratlosigkeit, Trauer und Wut".

Thomes Position ist klar: "Ich bin ganz auf Seiten des Verlags. Suhrkamp muss Suhrkamp bleiben." Ganz ähnlich äußert sich auch Andreas Maier: "Was hat das alles mit Suhrkamp zu tun? Ich habe eine geradezu körperliche Abneigung gegen Leute, die sich einkaufen und vor Gerichten irgendwelche Dinge erstreiten wollen."

Dieser scheint vom entschiedenen Votum der Autoren einstweilen unbeeindruckt zu sein: "Heute ist ein guter Tag für uns", sagt er. "Wir haben eine Etappe gewonnen." Barlachs Ziel ist es, einen neuen Geschäftsführer zu installieren: "Es gibt eine Reihe herausragender Verleger im deutschsprachigen Raum. Ich glaube, dass viele bereit wären, für ein Haus wie Suhrkamp zu arbeiten." Barlach bringt sogar Namen ins Spiel: Alexander Fest, Helge Malchow, Marcel Hartges.

Solange er nur als Minderheitsgesellschafter (39 Prozent der Anteile) agieren kann, sind seine Möglichkeiten jedoch weiterhin beschränkt, deshalb will er "den Einfluss der Familienstiftung zurückschrauben" (diese hält 61 Prozent der Anteile) – notfalls, wie vergangene Woche vor dem Frankfurter Landgericht gefordert, über die Auflösung der Dachgesellschaft des Unternehmens. 

Die Lage ist verfahren. Ein möglicher Weg aus dem ewigen Streit der Gesellschafter wäre es, wenn sich eine Seite dazu entschließen könnte, das Kaufangebot der anderen anzunehmen, entsprechende Offerten sollen wechselseitig unterbreitet worden sein. Doch während es als ausgeschlossen gelten darf, dass die Familienstiftung an die Medienholding verkauft, scheint auch Barlach zu einem solchen Schritt weniger denn je bereit zu sein – beziehungsweise nur gegen eine sehr hohe Summe: "Wenn ich verkaufe, dann müsste ich noch einen Besserungsschein für Joachim Unseld und Andreas Reinhart mitnehmen", sagt er mit Anspielung auf die beiden ehemaligen Gesellschafter, denen, wie Barlach meint, übel mitgespielt worden sei. 

Vor Ende 2013 dürfte mit keiner endgültigen gerichtlichen Entscheidung zu rechnen sein. Mindestens bis dahin bleibt die Unsicherheit um die Zukunft eines der bedeutendsten Verlage im Land. Eine beruhigende Nachricht ist das wahrlich nicht.