Gastspiel von Michael Lemling

"Geschärfter Befehl zum Selbstdenken"

3. Januar 2013
von Börsenblatt
Der Münchner Buchhändler Michael Lemling über Stellschrauben, an denen Sortimenter im Jahr 2013 drehen können – um der eigenen Buchhandlung ein unverwechselbares Profil zu geben und so im Stukturwandel in der Branche erfolgreich zu bestehen.
Die Buchbranche steckt im tief greifenden Strukturwandel. An ihren bislang Existenzen sichernden Rahmenbedingungen wird kräftig gerüttelt – und die konjunkturelle Großwetterlage ist auch nicht besonders rosig. Alles deprimierend? In den Branchenblättern gab es 2012 Untergangserzählungen im Wochentakt. Mit welchem Optimismus wollen wir also in dieses Jahr starten?

Die Erfolg versprechende Agenda 2013 für den deutschen Sortimentsbuchhandel kennen wir ebenfalls nicht. Die gibt es auch nicht, weil die entscheidende Frage für die Sortimenter lautet: Wie gebe ich meiner Buchhandlung ein eigenes, unverwechselbares Profil? Das Gute an der Frage ist, dass es zu ihrer Beantwortung mindestens 50 Stellschrauben im Betrieb gibt, an denen jeder Buchhändler täglich drehen kann. Zum Jahresanfang erteilen wir uns also einen "geschärften Befehl zum Selbstdenken". So wie Friedrich der Große dies 1770 von seinen preußischen Universitäten forderte, so verlangen wir es uns freiwillig für 2013 ab und suchen nach eigenen Antworten und Lösungen.

Über die großen Diskussionen der Rahmenbedingungen der Branche darf man die Arbeit am Selbstverständnis und an den Grundvoraussetzungen der eigenen Buchhandlung nicht vergessen. Die unsrigen sind:

■ Am Anfang steht unsere eigene Begeisterung für immer wieder neue Bücher. Diese Leidenschaft muss jeder im Laden haben, vom Auszubildenden bis zum Chef. Ohne sie geht nichts. Was nutzen den Großen Flächenkonzepte und Erlebniswelten, wenn sie kaum einen Buchhändler mehr auf den Platz stellen, der davon berichten kann? Wir schärfen auch 2013 unsere klassischen buchhändlerischen Tugenden (Lesen, Auswählen, Beraten, Verkaufen), stecken unsere Nasen in die Verlagsvorschauen und suchen die Trüffel.

■ Unsere Buchhandlung ist und bleibt eine BUCH-Handlung. Medienhändler und Content-Manager können wir nicht, wollen wir auch nicht. Unsere buchhändlerische Begeisterung gilt nach wie vor auch dem Buch als Objekt. Das ist unser Kerngeschäft, in das wir unsere Energien setzen. Was uns im vergangenen Jahr nicht selten als Ausweg aus dem stagnierenden Markt angepriesen wurde, ist doch das eigentliche Horrorszenario: Ramsch und Nippes, Plüsch und Plastik auf einem Drittel unserer Verkaufsfläche. Wenn der Buchhändler schon kein Vertrauen mehr in sein Hauptgeschäft hat, was sollen dann seine Kunden denken?

■ Unserem Selbstverständnis nach ist unsere Buchhandlung nicht nur Teil des örtlichen Einzelhandels, sondern auch aktiver Teil des Kulturlebens unserer Stadt. Die Buchhandlung ist Treffpunkt, Diskussionsforum, ein Ort für Gespräche über Literatur und ein kleines Literaturhaus aus eigener Kraft.

Daraus folgt nun vieles für unsere tägliche Arbeit am Lehmkuhl-Profil. Im Januar startet unsere Zusammenarbeit mit Arte, deren Monatsthemen wir im Laden und im Netz mit Buchempfehlungen begleiten werden. Im März beginnt unser Veranstaltungsprogramm, mit dem wir "unsere" Autoren und Bücher der Saison präsentieren, im Mai organisieren wir eine Verkaufsausstellung der großartigen Buch-Skulpturen Ivon Illmers (unser Beitrag zur Non-Book-Diskussion). Dann muss das nächste Kundenmagazin unserer Buchhandlungskooperation 5plus auf die Beine gestellt werden.

Mit den örtlichen Machern des Krimifestivals und der Bücherschau junior sprechen wir über Kooperationen, mit der Pressestelle eines Theaters über neue Formen der Zusammenarbeit. Unsere Homepage muss neu gestaltet, eine hauseigene Bestenliste noch erfunden werden. Das kommende Jahr kann nur gut werden.