Online-Bildungsmedien

Digital lernen und lehren

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Schulbuchverlage und Start-Ups bereiten sich mit neuen Lernplattformen und Unterrichtstools auf die digitale Lernumgebung der Zukunft vor. Boersenblatt.net berichtet über den aktuellen Stand bei der Plattform Digitale Schulbücher und stellt einige Online-Lösungen vor. Mehr zum Thema Lernhilfen lesen Sie in unserem heute erschienenen Börsenblatt Spezial (4 / 2013).

 

Das im Herbst 2012 gestartete Portal „Digitale Schulbücher“ ist „sehr erfolgreich gestartet. Die Stimmung der Verlage ist positiv“, sagt Christoph Bornhorn, Geschäftsführer des Verbands Bildungsmedien. Bis zur Didacta vom 19. bis 23. Februar in Köln werden rund 800 Titel verfügbar sein. Der Ernst Klett Schulbuchverlag stellt derzeit mehr als 270, der Cornelsen Verlag bis zur Didacta über 100 Titel bereit – Tendenz weiter steigend.

Allein 250 Schülerbände aus unterschiedlichen Fächern und Schulformen bieten die Bildungshaus Schulbuchverlage (Westermann, Schroedel & Co.) auf der Plattform an, so Geschäftsführer Peter Schell. Monatlich kommen etwa 50 dazu. „Bei allen Neuerscheinungen wird von Anfang an so gearbeitet, dass Print- und E-Book-Variante zeitlich parallel erscheinen“, sagt Schell. „Dies heißt, dass sich der Fundus sehr schnell verbreitern wird.“ Man müsse natürlich genau beobachten , in welchen Fächer und Schulformen die Nachfrage der Lehrer größer oder auch kleiner ist. Bisher habe man noch keine verlässlichen Werte, welche Unterrichtswerke wie stark nachgefragt werden, und zwar dauerhaft.

Während die aktuellen Titel meist Abbilder der Printausgaben sind, bereiten einige Verlage auch „enhanced“ E-Books vor. Bei Westermann ist man gerade in der Phase der konzeptionellen Vorarbeit. Die „aus dem E-Book ansteuerbaren Zusatzmaterialien müssen so ausgewählt und gestaltet werden, dass sie genau in den Unterrichtsverlauf passen“, sagt Peter Schell. „Es erfordert zudem umfängliche Autoren- und redaktionelle Arbeit, um Materialien so zu gestalten, dass sie zu einer Bereicherung des Unterrichts beitragen können, wenn sie abgerufen werden. Einfache zusätzliche Materialsammlungen helfen der Lehrkraft nicht weiter und können im Zweifelsfall sogar zu Irritationen beim Schüler führen. Aber letztendlich entscheidet auch hier die Nachfrage!“ Auf der Didacta werden die ersten Resultate zu sehen sein.

Beim Ernst Klett Verlag wird inzwischen zu jedem neuen Schulbuch auch eine digitale Version erstellt, die dann für die Plattform Digitale Schulbücher beim Verlag bezogen werden kann, so Tobias Unger, Gruppenleiter IT-Kommunikation und -Information. Das Angebot werde gut angenommen, was aber auch damit zusammenhängen könnte, dass die E-Books in der derzeitigen Erprobungsphase für null Euro abgegeben werden.

„Enhanced“ E-Books hat Klett schon seit längerem: den sogenannten „Digitalen Unterrichtsassistent“, der passend zum jeweiligen Lehrwerk erstellt wird. Die derzeit ungefähr 70 verschiedenen Titel enthalten neben dem Stoff des Unterrichtswerks zum Beispiel Materialien für Whiteboards, Videos und Audiofiles, die auch für die Unterrichtspräsentation genutzt werden können. „Die Anreicherung mit diesen Materialien gestaltet sich von Fach zu Fach, von Schulform zu Schulform ganz unterschiedlich, je nach didaktischer Anforderung“, erklärt Unger.

Digitale Ergänzungen in gedruckten Schulbüchern gibt es bei Klett schon länger. Sie enthalten Codes, die dann auf eine bestimmte Website verlinken. So gibt es etwa Kooperationen mit der BBC und dem Start-Up sofatutor, das auf seiner Plattform Nachhilfevideos veröffentlicht. Die Codes verweisen auf eine Klett-Seite, auf der die zusätzlichen Elemente liegen oder je nach Rechtelage eine Weiterverlinkung erfolgt.



 

Einen neuen „Unterrichtsmanager“ wird Cornelsen auf der Didacta präsentieren. „Es handelt sich dabei um die Speerspitze eines größeren Angebots, das dieses Jahr vorgestellt werden soll“, sagt Christine Hauck, Abteilungsleiterin New Business bei den Cornelsen Schulverlagen. Außerdem erhielten Käufer eines Schulbuchs von Cornelsen, Oldenbourg:bsv und Duden künftig mit dem Erwerb der gedruckten Fassung ein befristetes Recht zur Nutzung der digitalen Ausgabe. Welche Katze Cornelsen im Sommer aus dem Sack lässt, ist noch offen – denkbar ist, dass es sich um ein integriertes Angebot handelt, dass Online-Nachhilfe, -Unterricht und Unterrichtsvorbereitung miteinander verzahnt und damit eine digitale Lernumgebung für Schüler, Lehrer und Eltern schafft.

Online-Lernplattformen und -Lehrertools

Der Cornelsen Verlag ergänzt zudem sein vor zwei Jahren gestartetes Online-Lernportal Lerncoachies.de. Ab Sommer 2013 wird das Angebot nicht mehr nur von Eltern und Schülern im häuslichen Umfeld, sondern auch in Schulen für Selbstlernphasen oder zur individuellen Förderung von Schülern genutzt – dank Schulklassenlizenzen. Inzwischen stehen Inhalte für die Fächer Mathematik (Klassen 4-7), Englisch (5-7) und Deutsch (Klasse 4) zur Verfügung. Die Inhalte und Strukturen der Lerncoachies sind jeweils auf die Unterrichtskonzepte der Cornelsen-Lehrwerke ( „Super M“, „JoJo Sprachbuch“, „English G 21“ sowie „Zahlen und Größen NRW“ und „Fokus Mathematik Bayern“) abgestimmt. Das Standard-Monatsabo kostet 9,95 Euro; Zwölf-Monatspakete sind ab 79,90 Euro erhältlich.

Langenscheidt baut seine 2011 und 2012 gestarteten Online-Portale Deutschpirat.de, Englischpirat.de und Mathepirat.de weiter aus und verzahnt sie konsequent mit der „Piraten“-Lernhilfereihe, die auf den Inhalten der Online-Angebote basiert. Darüber hinaus können sich die Eltern auf den Lernplattformen registrieren und exklusiv drei Monate lang alle Funktionalitäten nützen, um Kinder ganz individuell je nach Schulart, Klasse, Thema zu fördern, so Dorothea Leiser, Programmverantwortliche Lernhilfen bei Langenscheidt.

Nicht nur Online-Übungen, sondern Lernhilfe-Videos mit zahlreichen Zusatzfunktionen bietet das 2008 von Stephan Bayer und Colin Schlüter gegründete Berliner Start-Up Sofatutor an. Das Angebot enthält neben den fünf- bis zehnminütigen Filmen interaktive Übungen zur Lernkontrolle sowie einen täglichen Chat mit Lehrern zur Beantwortung von Fragen. Zusätzlich können auch – in Zusammenarbeit mit dem Studienkreis – Präsenz-Nachhilfestunden gebucht werden.

Die Anfänge des Unternehmens gehen auf das Jahr 2007 zurück. Stephan Bayer musste damals während seines Studiums eine Matheprüfung vorbereiten, und bekam zufällig am selben Tag eine neue Kamera zugeschickt. Das brachte ihn auf die Idee, einen kurzen Lernfilm zu drehen, den er anschließend auf YouTube hochlud und an seine Kommilitonen schickte. Aus dieser Gelegenheitsidee wurde ein Geschäftsmodell und ein Unternehmen, das laut Stephan Bayer inzwischen 74 Leute in Büros und eigenen Filmstudios beschäftigt. Bis heute sind rund 8.500 Filme für 19 Fächer produziert worden. Die Zielgruppe umfasst Schüler vom 1. bis zum 13. Schuljahr sowie Studenten im Grundstudium. Finanziert wird das Start-Up unter anderem durch den Münchner Investor Acton Capital Partners – in Höhe eines mittleren einstelligen Millionen-Euro-Betrags.

Das zunächst auf Lernvideos beschränkte Angebot von sofatutor wurde bald erweitert. Lehrer, die die Plattform begutachteten, meinten, das reine Betrachten der Filme sei eine „Einbahnstraße“. Es müsse eine Testebene geben mit der Möglichkeit interaktiver Aufgaben. Diese wurden in einem zweiten Schritt eingeführt. „Doch was, wenn man bei den Aufgaben stecken bleibt?“, fragt Bayer. Dazu wurde in einer dritten Stufe ein Online-Chat für Schüler installiert – mit „echten“ Lehrern, die jeweils zehn bis 15 Schüler betreuen können.

Als eines Tages Eltern bei sofatutor anriefen und fragten, ob sie einen der Nachhilfelehrer aus einem Video buchen könnten, kam die nächste Ausbauphase: Nachhilfestunden. In Zusammenarbeit mit dem Studienkreis, der kürzlich von dem Münchner Unternehmen Aurelius übernommen wurde, können sofatutor-Abonnenten Einzelunterricht in 18 Fächern – sogar in Altgriechisch – buchen. Das ist flächendeckend möglich, weil der Studienkreis über rund 1.000 Filialen in Deutschland verfügt. Sofatutor bietet verschiedene Flatrates ab 14,95 Euro pro Monat an, die Nutzung aller Videos plus eine wöchentliche Präsenz-Nachhilfestunde kostet 99,95 Euro im Monat. Inhaltepartner von Sofatutor ist der Klett Verlag, der in mehr als 20 seiner Lehrwerke Codes von Lernvideos eindruckt.

In Berlin, das inzwischen eine sehr lebendige Start-Up-Szene beherbergt, sitzen noch eine Reihe anderer, innovativer Jungunternehmen, die im Bildungsbereich aktiv sind und neue Konzepte für das Lernen entwickeln. Man kennt sich untereinander und spricht auch miteinander – und manchmal sind nicht nur Investoren im Hintergrund beteiligt, sondern auch klassische Schulbuchverlage wie Klett.

„Lehrmaterial der nächsten Generation“ zu erstellen, hat sich Arndt Kwiatkowski, Gründer und Geschäftsführer des Online-Matheportals bettermarks (ebenfalls Berlin) auf die Fahnen geschrieben. Bestärkt wird er darin nicht nur durch mehrfache Auszeichnungen – unter anderem mit dem digita – , sondern auch durch eine Wirksamkeitsstudie des Ulmer Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL), das in die Konzeption des Mathetrainers einbezogen war. Der Leiter des ZNL ist kein geringerer als der Psychiater und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer, der zuletzt in seinem umstrittenen Buch „Digitale Demenz“ den didaktischen Wert vieler E-Learning-Plattformen angezweifelt hat. Für bettermarks vergab das ZNL jedoch gute Noten: Klassen, die den Online-Mathetrainer benutzen, schneiden besser ab als vergleichbare Gruppen ohne Trainer.

Das Konzept von bettermarks zeichnet sich laut Kwiatkowski durch seine „Adaptivität, Vielfalt und konstruktiven Feedback-Funktionen“ aus. Dem Schüler werden in Zweifelsfällen immer konkrete Erklärungen angeboten, die einen aktiven Lernprozess anstoßen und ihn dazu befähigen, selbst Aufgaben zu bewältigen. Mit einem Wort: Es geht bei den Übungen nicht um das Einüben von „Prozeduren“, sondern um den Erwerb von „Problemlösungskompetenz“.

Kwiatkowski kommt nicht aus dem Schulbereich, sondern aus der Internetwirtschaft: Er hat das Portal Immobilienscout24.de aufgebaut, war aber schon immer sehr am Thema Bildung interessiert. Sein Ziel: das Lernen einfacher machen. Im Netz müsse man andere Konzepte entwickeln, die nichts mit einer Ableitung aus dem gedruckten Schulbuch zu tun haben.

Der Lehrer nutzt bettermarks unterrichtsbegleitend: Er verteilt Übungsserien an seine Schüler, erkennt jederzeit die Aktivitäten sowie den Lernstand jedes Schülers und kann damit individuell reagieren. Bettermarks kommt sowohl in der Schule als auch für Hausaufgaben zum Einsatz. Dazu bietet das Unternehmen Klassenlizenzen für 50 Euro im Monat an.

Finanziert werden die Aktivitäten durch die Gesellschafter, durch die KfW, Social-Venture-Kapitalgeber und Holtzbrinck Digital / Macmillan. Der nächste Ausbauschritt ist die Internationalisierung: Im Augenblick bereitet das Unternehmen den Markteintritt in Uruguay, Mexiko und Indien vor. Eine Erweiterung des Portals auf andere Fächer wie Physik und Chemie schließt Kwiatkowski nicht aus – aber zunächst ist das rund 80-köpfige Team des Start-Ups mit der Arrondierung des bisherigen Angebots ausgelastet. Im Jahr sechs nach Gründung (2008) ist der Geschäftsführer zuversichtlich, endlich größere Umsätze zu machen.

Kein Nachhilfe-Portal, sondern eine Plattform, auf der Lehrer ihren Unterricht digital vorbereiten können, ist das im September 2012 gestartete Angebot meinUnterricht.de von K.lab educmedia GmbH – ein Joint Venture der Klett Gruppe mit drei Berliner Gründern (darunter die heutigen Mitgeschäftsführer Stefan Appelhans und Benjamin Wüstenhagen). David Klett, der im Geschäftsführungsteam die Klett Gruppe vertritt, sieht meinUnterricht.de vor allem als Instrument, das das „Lehrerleben leichter macht“. Statt sich Arbeitsmaterialien für den Unterricht mühsam zusammenzusuchen, bietet die Plattform einen Pool von rund 32.000 Seiten an Unterrichtsmaterialien (Arbeitsblätter, Kopiervorlagen etc.), die auf einer Datenbank hinterlegt sind, und mit deren Hilfe der Lehrer seinen Unterricht präzise auf das Fach, den Lernstand der Klasse und den individuellen Förderbedarf abstimmen kann. Partnerverlage sind Unternehmen des Geschäftsbereichs Klett Lernen und Information: AOL, Auer, Friedrich, Persen und Raabe.

„Wir haben sehr viel Zeit und Energie darauf verwendet, die Materialien aller Verlage sorgsam zu qualifizieren und durch eine semantische Suchmaschine zu erschließen“, versichert David Klett. Über Filter kann der Lehrer die Suche auf den jeweiligen Kontext einschränken und sich beispielsweise passgenau Arbeitsblätter zum Thema „Alpenfaltung“ in der 5. Klasse der Hauptschule auswerfen lassen – David Klett nennt diesen Prozess „Content-Kontextualisierung“.

Der nächste Entwicklungsschritt wird ein Editor sein, in dem der Lehrer sofort alle Vorlagen bearbeiten kann. Außerdem sollen die digitalen Arbeitsmaterialien auch für Tablets optimiert werden, so Klett. K.lab Berlin arbeitet derzeit mit einem 13-köpfigen Team, die mit Ausnahme David Kletts „alle unter 30“ sind. Der Slogan auf der Website „We’re hiring“ verrät, dass es nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Wachstumspotenzial gibt.