Amazon und seine deutschen Logistikzentren

Das Netz wird enger

30. Januar 2013
von Regine Meyer-Arlt
Amazon setzt auf Tempo, will Kunden binden – und pflastert Deutschland mit Logistikzentren zu. Doch längst nicht überall bekommt der Konzern freie Fahrt: Hannover hat abgesagt. Nun geht die Suche nach neuen Standorten weiter. Angeblich im Gespräch: Bremen und Neumünster.

Wo Amazon auftritt, jubeln die einen und protestieren die anderen. Städte und Kommunen frohlocken, wenn der Internetriese bei ihnen Gewerbeflächen nachfragt – während die Bürger das meist kritisch sehen: Mega-Logistikzentren in Amazon-Größe verursachen, so argumentieren sie, Lärm und Verkehrschaos. Da hilft es auch wenig, dass Amazon im Falle einer Niederlassung 1 000 und mehr Arbeitsplätze zu Verfügung stellt. Wenn der Name Amazon in einer solchen Diskussion überhaupt fällt. Denn das Unternehmen bleibt, wenn möglich, gern anonym.

Ratzfatz liefern, beharrlich schweigen

An der Strategie, die der US-Konzern verfolgt, gibt es trotzdem wenig Zweifel – Amazon forciert seit etwa 2010 das Modell Same-Day-Delivery, die Belieferung am gleichen Tag. In den USA ist man damit auch schon recht weit gekommen: Einer Analyse der Beratungsfirma MWPVL zufolge gibt es landesweit derzeit rund 40 Logis­tikzentren (weltweit: ca. 90). Weitere Eröffnungen sollen folgen.

Zurück nach Deutschland – einem der fünf wichtigsten Märkte, die Amazon beackert (Umsatzanteil am Gesamtumsatz: ca. elf Prozent).  Hier hält Amazon ebenfalls Ausschau nach neuen Logistikstandorten, vorerst jedoch heimlich.

Etwa in Neumünster, wo die Gerüchteküche längst ordentlich brodelt und es bei den Behörden dennoch heißt, man habe "einen Maulkorb bekommen". Heino Bubach-Bernhardt, bei der örtlichen Wirtschaftsagentur für das Ansiedlungsmanagement zuständig, darf nur so viel verraten: Das Bauleitplanverfahren für die sogenannte Entwicklungsfläche Nord, ein rund 60 Hektar großes Gelände an der A7, soll bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein – dieses Gelände sei für Logistikunternehmen wegen der Lage und Anbindung nach Hamburg, Kiel und Dänemark äußerst attraktiv. Und es gebe schon jetzt mehr Bewerber als die Fläche hergebe, darunter seien auch "große Investoren".

Lücken füllen, Standorte sichern

Fakt ist: Amazon knüpft sein Logistiknetz immer enger, um Lieferzeiten zu verkürzen. Mittlerweile unterhält das Unternehmen acht Logistikzentren in Deutschland (siehe Grafik) – mit einer Gesamtfläche von gut 800.000 Quadratmetern und einer Lagerkapazität von mehr als drei Millionen Kubikmetern.

Nun geht es darum, die Lücken zu füllen: Neben Neumüns­ter ist angeblich Bremen als neuer Standort ins Blickfeld von Amazon und seinem Immobiliendienstleis­ter Goodman gerückt. Aber auch Bremen schweigt. Und Amazon sowieso. Ulrike Stöcker von der Presseabteilung in München formuliert die Gründe so: "Amazon hat zu diesen Themen keinerlei Veröffentlichung vorgenommen. Wir bitten um Verständnis, dass wir zu Spekulationen keine Stellung nehmen."

Die Wirtschaftsförderung der Stadt Bremen gibt keine Informationen heraus, und aus Kreisen des Senats ist nur die Bestätigung der Tatsache zu vernehmen, dass es Verhandlungsgespräche mit einem großen Händler um ein mehr als 30 Hektar großes Gelände im Bremer Güterverkehrszentrum gibt.

Hofieren ja, Eile nein 

"Man munkelt, dass es sich um Amazon handelt", sagt Branka Felba von der Importbuchhandlung Missing Link in Bremen, die Amazons Pläne zwar aufmerksam verfolgt, aber nicht unmittelbar von dem Geschäftsmodell betroffen ist. Felba: "Unsere Kunden finanzieren sich vorwiegend aus der öffentlichen Hand –  und die bestellt nicht bei Amazon."

Dass der Konzern Pläne gern für sich behält, dürfte seinen Grund haben. Amazon und Goodman lassen sich zwar gern hofieren, aber ungern in die Karten schauen. Und schon gar nicht unter Druck setzen.

Beispiel Hannover: Dort sollte eine etwa 110.000 Quadratmeter große Logis­tikhalle in Messenähe entstehen. Die Stadt war in Sachen Erschließung bereits in Vorleistung getreten, dann allerdings enttäuscht darüber, dass die Verhandlungen nach neun Monaten immer noch nicht recht vorankamen und Amazon sich offenbar nicht endgültig zu Hannover bekennen mochte. Fazit: Die Stadtoberen gaben dem Weltkonzern den Laufpass – und dem Internet-Logistikdienstleister Netrada den Vorzug.

Allen Debatten um die Arbeitsbedingungen zum Trotz

Der Ärger bei Amazon über diese Zurückweisung sitzt offenbar tief. Laut einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung soll das Unternehmen beschlossen haben, Niedersachsen fortan zu meiden und sogar bereits  anvisierte Standorte wie Soltau-Fallingbostel wieder fallen zu lassen.

Aber das ist wohl nur eine Momentaufnahme. Amazon wird versuchen, weitere Flächen zu besetzen – um seinen Radius auszudehnen. Und die Kommunen werden kaum Nein sagen: Amazon hat in seinen Logistikzentren bislang rund 7.700 Vollzeitstellen eingerichtet.

Damit kann der Konzern punkten, trotz aller Debatten um die Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne beim Online-Händler. Auch wenn das Jobwunder der Logistikbranche erste Risse bekommt – so lange das Geschäft einigermaßen brummt, scheint das für viele Kommunen verschmerzbar zu sein.