Experteninterview mit Hans-Georg Häusel zum Kaufverhalten

"Die Kunden bestellen weiter bei Amazon"

15. Februar 2013
von Börsenblatt
Der Wind bläst Amazon heftig ins Gesicht – nach der ARD-Dokumentation über die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter. Presse, Politik und Konsumenten mokieren sich über das Gebaren des Online-Händlers. Sein Kaufverhalten wird gleichwohl kaum jemand ändern, sagt Neuromarketing-Experte Hans-Georg Häusel, Vorstand der Gruppe Nymphenburg Consult, im Interview mit boersenblatt.net.

Die Konsumenten sind auf dem Baum, bashen Amazon, drohen mit Kaufboykott. Was davon ist Gerede, was davon wird letztlich in die Tat umgesetzt?

Die Menschen haben ihre Einkaufsstrukturen extrem habitualisiert und folgen starken Gewohnheiten. Wenn der Einkauf einfach ist, und das ist er bei Amazon, wirkt das für das Gehirn wie eine Belohnung. Das Gefühlt des Erfolgs stellt sich schnell ein. Ich denke, wenn überhaupt, wird es nur eine kurzfristige Abstrafung für Amazon geben. Der Mensch neigt dazu, sehr schnell wieder in seine gewohnten Verhaltensmuster zurückzufallen. Insofern wird das Unternehmen höchstens mit einem kleinen Makel behaftet. Dass es große Umsatzrückgänge geben wird, glaube ich nicht. Wenn überhaupt, dann nur eine kleine Umsatzdelle.

Was muss passieren, damit bei den Verbrauchern eine nachhaltige Verhaltensänderung einsetzt?

Der Konsument muss selbst einen Schaden erleiden oder den Missstand als Angriff auf seine Gesundheit wahrnehmen. So ist es etwa bei Fleischskandalen, da fühlen sich die Verbraucher selbst betroffen. Wenn es jetzt aber um Leiharbeiter geht, ist das viel zu weit weg von der eigenen Person. Wir sind zwar alle etwas altruistisch, aber soweit reicht die Solidarität in der Regel nicht.

Wie schnell vergisst der Konsument?

Sehr schnell. Das haben wir gesehen bei den Discountern, bei Lidl etwa, wo die Mitarbeiter ausspioniert wurden. Solche Themen sind zwei, drei Wochen in den Medien und verschwinden dann wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit.

Kann der stationäre Buchhandel davon profitieren, dass Amazon gerade einen Riesenärger auf sich zieht?

Das ist kaum möglich, weil die kleinen und mittleren Buchhändler Einzelkämpfer sind und keine geballte Macht darstellen. Wenn die Händler jetzt damit argumentieren: "Wir behandeln unsere Mitarbeiter gut", dann sagt der Konsument: "Das ist nett, aber ich verändere mein Kaufverhalten trotzdem nicht."