Die Sonntagsfrage

Sind Überkapazitäten das Hauptproblem der deutschen Druckindustrie, Herr Zipper?

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Strategie- und Technologieberater Bernd Zipper (zipcon consulting) hat gerade in München das 1. Online Print Symposium mitorganisiert – und eine eigene Sicht auf die Krise und die Zukunft der Druckbranche. Seine Antwort auf unsere Sonntagsfrage.

"Überkapazitäten sind meiner Meinung nach nicht der Knackpunkt. Sicherlich schmerzen die freien Kapazitäten viele Drucker, aber viel entscheidender hierfür ist die Ursache: ein überaltertes Management in den Führungsetagen. Nicht alle, aber viele Druckereibesitzer lenken ihre Unternehmen wie in den 50er oder 60er Jahren, ohne Beirat oder junge, online-affine Führungskräfte. Sie agieren von Auftrag zu Auftrag, kaufen Maschinen, binden ihre Kunden ganz klassisch durch Rabatte und kostenlose Lagerflächen.

Doch die eigene Produktions- und Dienstleistung immer billiger anzubieten, weil man ja die teure Maschine finanzieren muss, genau diese Strategie wird zum gefährlichen Bumerang für die Branche. Und anstatt nach vorne zu schauen um den Markt von morgen zu gestalten, müssen Drucker in einer gnadenlosen Preisschlacht nun ihre Fehler von gestern ausbügeln.

Vor dem Thema Online-Business – oder besser: E-Business Print – stehen solche Druckunternehmen wie der Ochs vorm Berg. Und genau das ist das Problem. 2012 sind im Online-Druckbereich 1,7 Milliarden Euro umgesetzt worden – nahezu ein Zehntel  des gesamten Branchenumsatzes. Für 2014 erwarten wir über 2,4 Milliarden Euro. Dort spielt die Zukunftsmusik.

Dabei geht es nicht darum möglichst schnell ein Megaplayer im Markt zu werden, sondern seine eigene Richtung zu entwickeln. Hier nachzuahmen macht keinen Sinn - Unternehmen wie Flyeralarm und Cewe, die im Internet erfolgreich sind, haben ihre Portale vor zehn Jahren aufgebaut und viel Geld investiert. Aber von dem Geld  wurden, man höre und staune, kaum Druckmaschinen angeschafft. Denn in diesem Geschäft geht es nicht um Produkte, sondern um Systeme. Online-Verkaufssysteme oder besser Online-Verkaufswelten.

Nun nur einen Online-Shop zu eröffnen, damit ist es nicht getan. Den Vorsprung der großen Player holt so schnell niemand mehr ein. Es geht darum, eigene Nischen zu erobern, aber dafür muss man die Online-Welt verstehen, dem Kunden Mehrwert und umfassenden Service bieten. Cewe ist dafür das perfekte Beispiel: Das Unternehmen hat sich sehr clever als zentrale Service-Station für Kunden im Bildbereich positioniert und das Gesamtportfolio in Richtung Akzidenz ausgeweitet. Ob Fotobuch, Kalender oder Visitenkarte – die Cewe-Unternehmen bieten alles aus einer Hand an. Mit einer Software, die kinderleicht zu bedienen ist. Sogar ich komme damit klar und das will schon was heißen …

Auch Verlage und Buchhandlungen denken nach wie vor eher produkt- als systemorientiert. Ein wesentlicher Unterschied zu Apple und  Amazon, die das Systemdenken verinnerlicht haben und den Kunden in ihre eigene Welt lenken. Weg vom dinglichen hin zum systemischen Verkaufen: Das ist die Aufgabe, die sowohl vor der Druck- als auch vor der Buchbranche liegt.

Auch wenn es nicht so klingen mag: Ich bin ein Mensch, der gerne Druckschwärze an den Fingern hat. Und ich glaube, dass Print Zukunft hat. Schauen Sie mal nach unter www.printlebt.de.  Das ist eine Online-Initiative, die Fakten rund um das Print-Potenzial sammelt. Aber das wird weder Druckereien noch Verlage und Buchhandlungen von der Pflicht entbinden, sich mit den neuen Online-Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Und zwar besser gestern als heute."