Carlsen erwirkt Unterlassungserklärung gegen Buchreihe im Pixi-Format

Unsichtbare Minibücher

11. April 2013
von Börsenblatt
Der Unsichtbar Verlag hat sich per Unterlassungserklärung dazu verpflichtet, keine Bücher mehr im vom Carlsen markenrechtlich geschützten Pixi-Format (10 x 10 cm) zu verlegen. Trotz gegenseitiger Sympathiebegründungen: Aus „formaljuristischen Gründen“ will der Kinderbuchverlag auch künftig den Weg über die Anwälte gehen.

10 x 10 = Pixi„Wir müssen darauf achten, dass die Stabilität der Marke nicht geschwächt wird", erklärt Pressesprecherin Katrin Hogrebe. Seit fast 60 Jahren veröffentlicht der Carlsen Verlag Minibücher im Format 10 x 10 cm und hat damit, nach eigener Aussage, den Markt für solche Bücher im deutschsprachigen Raum erst geschaffen. Dass daraus auch ein wettbewerbsrechtlich bedingter Schutz des Formats erfolgt, musste unter anderem bereits die Schuhhauskette Salamander erfahren, die die Abenteuer ihrer Comicfigur „Lurchi" im Pixiformat vermarkten wollte und entsprechend abgemahnt wurde. Das Schuhhausmaskottchen wanderte daraufhin wieder zurück ins Heftchenformat. Und ein wenig in die Bedeutungslosigkeit.

Juristische Interventionen erfolgen im Fall Pixi immer wieder. Sogar an Universitäten dient der Fall Pixi mitunter als Exempel für das Thema Gebrauchsmusterschutz. Schützenswert ist die Marke Pixi deshalb, weil der Verlag mit den quadratischen Minibüchern für Kinder ein ganz neues Format mit hohem Wiedererkennungswert erfunden und in den Markt eingeführt hatte. Darum greift die Empörung in Internetforen auch zu kurz: „Warum kauft der Verlag sich nicht gleich das Format DIN-A4?" – so und ähnlich schimpften einzelne Leser im Internet. Ein Industriestandard ist jedoch weder als Gebrauchsmuster noch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten schutzfähig.

Der Carlsen Verlag muss klagen
Der Carlsen Verlag ist trotzdem in einer etwas kuriosen Lage: Würden die Hamburger wissentlich einem Wettbewerber gestatten, Bücher im quadratischen Pixi-Format auf den Markt zu bringen, würde dies im juristischen Sinne die eigene Marke schwächen. Es wäre ein Exempel geschaffen, das im Falle einer Verhandlung als starkes Argument der Gegnerseite dienen könnte – frei nach dem Motto: „In einem anderen Fall hat der Verlag aber auch Pixi-förmige Produkte hingenommen.“ Eine so scharfe Waffe will der Kinderbuchverlag einem möglichen Konkurrenten natürlich nicht freiwillig in die Hand geben. 15 Millionen Pixi-Bücher verkauft Carlsen nach eigenen Angaben pro Jahr. Insgesamt sind 1.700 Titel in 200 Serien verkauft worden - mehr als 300 Millionen Exemplare.

Und so gilt auch im Fall der Edition kleinLAUT des Unsichtbar Verlags (bei der es sich um insgesamt elf Textbücher neuerer Autoren, Collagen und fotografische Titel für Erwachsene im Format 9,5 x 9,5 cm handelt) „Wir mussten die Reihe aus formaljuristischen Gründen abmahnen“, so Hogrebe, damit die „Pixi-Förmigkeit des Produkts“ nicht am Ende die eigene Marke gefährdet.

Brief vor der Buchmesse
Nachdem Independent-Verleger Andreas Köglowitz einen Tag vor der Leipziger Buchmesse einen „bösen Brief“ einer Anwaltskanzlei mit beigelegter Erklärung zu Unterlassung (zu unterzeichnen binnen Wochenfrist) erhalten hatte, gab es mehrere Telefonate und Kontakte zwischen den Verlagen. Man ist sich sympathisch, in der Tagespresse schwärmten die Verleger sogar regelrecht voneinander, auch von der Möglichkeit künftiger Kooperationen war die Rede.

Unsichtbar Verlag wollte Bücher verbrennen
Dennoch bleibt es dabei: Der Unsichtbar Verlag hat seine Auslieferung und die Barsortimente angewiesen, künftig keine weiteren Titel der Reihe auszuliefen (ohnehin waren nicht mehr alle lieferbar) – rund 6.000 Bücher lässt der Verlag nun einstampfen – ein Schaden, den Köglowitz auf rund 10.000 Euro beziffert. Verleger Andreas Köglowitz will vorübergehend sogar darüber nachgedacht haben, „aus Protest die Bücher zu verbrennen.“ Aber nicht etwa aus Protest gegen den Carlsen Verlag, sondern die „perverse und entmenschlichte Situation“ an sich – schließlich könne auch Carlsen „nicht aus seiner Rolle“ heraus. Köglowitz ärgert sich darüber, dass Juristen statt Verleger den Konflikt entscheiden, findet den Vorgang empörend und zensorisch. „Mir fehlt der menschliche, persönliche Kontakt. Man hätte das auch anders regeln können“, sagt der Unsichtbar-Verleger. Er fragt: „Muss man da so drüber bügeln? Wir dürfen die restlichen Bücher ja noch nicht einmal verschenken.“ So kam er auf die Idee mit dem symbolischen Protestfeuer, an dem die Autoren teilgenommen hätten. Die Idee hat Köglowitz aber rasch wieder fallen lassen – um gegen die sympathischen Kollegen aus Hamburg „keinen Shitstorm loszutreten.“

Wie es für die Edition kleinLAUT weitergeht
Auch weiterhin will Andreas Köglowitz die Edition kleinLAUT anbieten. Vor allem im Nebenmarkt sei die Reihe bislang stark gelaufen: Mehr als die Hälfte des Umsatzes habe der Verlag „in Teeläden, Metzgereien und Klamottenläden“ erzielt.

Zwei bis drei Monate sollen nun bis zur Umstellung der Reihe vergehen, die im neuen Format aufgelegt werden soll. Köglowitz will die Neuauflage aber „nicht übers Knie brechen.“ Ob sämtliche Titel neu aufgelegt werden, ist noch nicht ganz klar. Denn damit die angestrebte Postkartenbreite beibehalten werden kann (wegen der Verkaufsdisplays im Einzelhandel) müssen die Bücher nun rechteckig werden – also neu gesetzt und mitunter ganz neu konzipiert werden, da zahlreiche Illustrationen nicht ins geänderte Format übertragbar sind. 20 neue Titel hat der Unsichtbar Verlag nach eigener Aussage bereits der Pipeline.