Börsenverein: Branchenparlament

"Die Metadatenbank hat Priorität"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Ein Projekt, bei dem alle Sparten an einem Strang ziehen müssen: Bei der Sitzung des Branchenparlaments in Frankfurt ging es heute um den Aufbau der geplanten Metadatenbank - und um "Must-have" und "Nice-to-have". 

"Der Buchhandel braucht vernünftige Daten, um konkurrenzfähig zu bleiben": Das machte Thomas Wrensch als Vorsitzender des Sortimenter-Ausschusses (SoA) zum Auftakt der Sitzung im Frankfurter Haus des Buches noch einmal deutlich. Im Herbst hatte das Branchenparlament auf Initiative des SoA eine klare Empfehlung für den Aufbau einer Metadatenbank ausgesprochen, im Dezember wurde ein erstes Anforderungsprofil erstellt.

In die Metadatenbank einfließen sollen zum Beispiel die Katalogdaten von libreka! und den Barsortimenten, von E-Book-Aggregatoren wie Ciando oder von Fachzeitschriftentiteln. Weitere Bausteine sind Lieferbarkeitsabfragen, Marktdaten, Verlagsinformationen, Rezensionen, ein umfassendes Datenschutzkonzept. Die Barsortimente haben mittlerweile für das dritte Quartal 2013 als ersten Schritt zugesagt, VLB-Daten in ihre Kataloge einzubinden.

Der Vorstand hatte sich am Dienstag dafür ausgesprochen, dass sich die Wirtschaftstochter MVB mit libreka! künftig vorrangig dem Aufbau der Metadatenbank widmet. Das bedeute nicht zwingend, dass das E-Book-Geschäft über libreka! deshalb eingestellt werde. Das machte MVB-Geschäftsführer Ronald Schild im Branchenparlament noch einmal deutlich. Wenn es aber gelinge, den Tolino von Thalia und DBH, so wie derzeit diskutiert, zu einem einheitlichen E-Reader für die gesamte Branche auszubauen, dann werde sich auch die Aufgabe von libreka! ändern - weil hier das Joint-Venture Pubbles (Bertelsmann, DBH) als Aggregator der Inhalte fungiert.

Die MVB sortiert ihr Produktportfolio neu

Mit dem Projekt Metadatenbank will die MVB die Gelegenheit nutzen, "alte Zöpfe abzuschneiden und das Produktportfolio neu ordnen", wie Schild sagte. So soll das B-to-B-Geschäft von VLB, libreka! und Claudio.de unter dem Arbeitstitel VLB plus in die geplante Metadatenbank überführt werden. Das Endkundengeschäft, das die MVB mit buchhandel.de und claudio.de für Händler betreibt, wird unter buchhandel.de gebündelt. Die Entwicklung eines eigenen Readers werde eingestellt, teilte Schild mit.

Immens wichtig für die geplante Metadatenbank seien Lieferbarkeitsdaten der Verlagsauslieferungen, so der MVB-Chef im Branchenparlament. Verlage würden aber über viele weitere Daten verfügen, die bislang oft höchstens auf der eigenen Homepage hinterlegt würden - etwa Vorschauen, Autorenporträts, Rezensionen, Termine für Lesereisen, Werbepläne. Das könne strukturiert und gebündelt mit Marktzahlen (Bestsellerlisten, Bestelltrends) allen Händlern zur Verfügung gestellt werden. Auch die Lieferbarkeitsdaten von Titeln über das Barsortiment müsse genau angezeigt werden. Außerdem sollen Empfehlungen von Buchhändlern gesammelt und über die Metadatenbank an Kollegen weitergegeben, Kundenrezensionen eingespeist werden.

Durch die Debatte über die Verlinkungen der Bibliothekskataloge zu Amazon habe zudem buchhandel.de einen deutlichen Schub bekommen, sagte Schild - auch wenn die Plattform mittlerweile etwas in die Jahre gekommen sei. Ein Relaunch soll die Stärken von buchhandel.de wieder stärker in den Mittelpunkt rücken - nämlich die Empfehlungskompetenz und die Nähe des Buchhändlers. Angedacht ist eine Verfügbarkeitsanzeige in einzelnen Buchhandlungen, durch die Einbindung von Warenwirtschaftssystmen. Versandkostenfreie Lieferung, einheitliche Zahlungsform - das seien Voraussetzungen, um buchhandel.de wieder nach vorn zu bringen, machte Schild deutlich. Damit seien nicht zwingend Shoplösungen verbunden. Buchhandlungen könnten sich mittlerweile auch kostenlos als Partner bei buchhandel.de registrieren - damit ihre Kunden Titel online bestellen und in einer Buchhandlung ihrer Wahl abholen können.

Schild appellierte an Verleger, Buchhändler und Zwischenbuchhändler, über den eigenen Schatten zu springen und beim Thema Metadatenbank an einem Strang zu ziehen. In den nächsten Monaten soll das Projekt konkreter werden und auch finanziell ausgelotet werden.

Derzeit, so Zwischenbuchhändler Stefan Könemann in der anschließenden Debatte, sehe er die Ideen eher als "Wunschzettel", der nun vom Möglichen ins Nötige überführt werden müsse. Der Berliner Buchhändler René Kohl machte deutlich, dass man bei der Finanzierungsfrage allerdings auch gegenrechnen müsse, was es aktuell koste, die Datenfülle "unstrukturiert hin- und herzubewegen". Und der Tübinger Buchhändler Heinrich Riethmüller (Osiander) betonte: "Wir brauchen die Metadatenbank. Sie hat für den Buchhandel Priorität." Der Relaunch von buchhandel.de sei dagegen eher ein "Nice-to-have".

Der Tolino als Branchenlösung? 

Ronald Schild warb vor den Abgeordneten auch für die Idee, den Tolino zu einer Branchenlösung auszubauen. libreka! führt derzeit Gespräche mit der Tolino-Initiative (Telekom, Thalia, DBH), um als Aggregator für Buchhandlungen auftreten zu können und als zwischengeschalteter zentraler Vertragspartner Services zu bündeln. Der Sortimenter-Ausschuss hatte sich am Mittwoch intensiv mit dem Thema Tolino befasst und eine Empfehlung an das Branchenparlament ausgesprochen, die Thomas Wrensch vortrug:

"Der SoA unterstützt die MVB in ihren Verhandlungen bei der Weiterentwicklung einer Branchenlösung für den Verkauf von E-Books. Unter dieser Prämisse soll die MVB Verhandlungen mit den Tolino-Partnern für eine mögliche Einbindung des unabhängigen Sortiments in die Tolino-Initiative führen. Die MVB wird bei diesen Verhandlungen von einer kleinen Arbeitsgruppe innerhalb des SoA beratend unterstützt".

Neue Mitgliedergruppen erschließen

Alles in allem arbeitete das Branchenparlament seine Tagesordnungspunkte zügig und ohne allzu großen Diskussionsbedarf ab. Auf der Agenda stand dabei auch die Öffnung für neue Mitgliedergruppen, die Matthias Ulmer, Vorsitzender des Verleger-Ausschusses, skizzierte. Vom freien Lektor bis zum Vertreter, vom App-Entwickler bis zum Grafiker, vom Literaturhaus bis zum PR-Büro für Verlage - angesichts der eigenen, sinkenden Mitgliederzahl denkt der Verband darüber nach, neue potenzielle Mitgliederkreise zu erschließen und dabei auch die Form der Mitgliedschaft flexibler gestalten, etwa über eine Mitgliedschaft für Personen, nicht nur für Unternehmen.

Ulmer plädierte dafür, Autoren ausdrücklich außen vor zu lassen, um das gute Verhältnis zu  Autorenverbänden wie dem VS nicht zu gefährden. Auch die Druckindustrie habe durch eine eigene starke Vertretung wohl eher geringes Interesse an einer Mitgliedschaft im Börsenverein, so Ulmer, der jedoch für eine enge Zusammenarbeit mit den genannten Verbänden warb.

Außerdem stellte der Verleger die Idee vor, eine Stiftung einzurichten, in der zum Beispiel Autoren, Leser, Förderer das gesellschaftliche Engagement des Börsenvereins unterstützen könnten - vom Friedenspreis bis zur Leseförderung. Hier gab es vom Branchenparlament den Einwand, das mit einer solchen Ausgliederung keine Konkurrenz zur Stiftung Lesen aufgebaut werden dürfe. Am Ende stand die Empfehlung: "Der Vorstand wird ermuntert, die Aufnahme neuer Mitgliedsgruppen weiter zu verfolgen - im Sinne der Diskussion des Branchenparlaments."

Ärger um lange Lieferzeiten für Büchersendungen

Last but not least beschäftigten sich die Abgeordneten unter dem Punkt "Aktuelles" mit Lieferverzögerungen bei Büchersendungen. Lieferungen würden derzeit eher zehn statt der üblichen vier Tage brauchen, um den Empfänger zu erreichen, berichteten Buchhändler und Verleger übereinstimmend, die darin mittlerweile einen echten Wettbewerbsnachteil gegenüber den Liefergarantien sehen, die Amazon seinen Kunden geben kann. "Die Reklamationen von Kunden häufen sich, und das ist nur die Spitze des Eisbergs," so der Hanauer Buchhändler Dieter Dausien. "Der Großteil meldet sich nicht und bestellt demnächst beim Mitbewerber." Der Börsenverein will jetzt die Post auf die Missstände hinweisen und gegebenenfalls auch einen Musterbrief für Mitglieder entwickeln.