Gastspiel von Thomas Kohl zum Fachbuchhandel

Zusatznutzen mit "menschlichem Gesicht"

30. April 2013
von Börsenblatt

Der Wettbewerbsdruck steigt, die Nachfrage wird kleinteiliger, die Geschäftskunden sind selbst im Stress: Thomas Kohl, Inhaber der Gutenbergbuchhandlungen Dr. Kohl in Mainz und Ludwigshafen, sieht für den Fachbuchhandel dennoch gute Zukunftschancen.

"Die Umsätze brechen über uns förmlich zusammen", so lautete der Tenor in vielen Fachbuchhandlungen. Der rasche Wandel, theoretisch von allen begrüßt, in der Praxis aber zumeist gefürchtet, frisst nicht nur die Kleinen oder die ewig Gestrigen − auch bei den Großen, bei den Verlagen oder den Ketten spürt man den Druck des Wettbewerbs. 

Nicht nur, dass viele Mitbewerber um den Kuchen zanken − es sind auch neue Mitspieler hinzugekommen: der immer noch wach­sende Direktvertrieb der Verlage, die E-Produkte, die Verlagerung auf E-Book-Provider usw. Das ist aber nur eine Seite der Medaille.

Wenn Anfang Mai in Kassel die Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen (AWS) ihre Jahrestagung abhält, wird sich mancher erinnern, dass die Gruppierung noch vor einigen Jahren vor der Selbstauflösung stand − stattdessen stiegen die Teilnehmerzahlen Jahr für Jahr. Dass sich die Zusammensetzung gegenüber früher geändert hat − die unabhängigen Verlage und Fachbuchhändler sind heute in der Minderzahl − ändert nichts daran, dass in der AWS mehr denn je ein lebendiger Austausch stattfindet, über alle Sparten hinweg.

Aus der Sicht des Fachbuchhändlers gibt es auf die gewandelte Lage ja auch durchaus Antworten:

  1. Der Fachbuchhandel wird seine Lieferanten mehr denn je nach Zweckmäßigkeitsmaßstäben beurteilen: Welcher Vertriebsweg bringt mir im Fachbuchbereich wirklich einen Mehrwert? Geschäftsbeziehungen kommen auf den Prüfstand, die mehr in Hinblick auf reibungslosen Ablauf als auf die Nachkommastelle beim Konditionenpunkt bewertet werden. Verlage und Zwischenhändler haben es durchaus in der Hand, ob sie durch vernünftige Konditionen und flexible, rasche Lieferung ihr Händlernetz erhalten oder sich stattdessen Monopolisten heranzüchten wollen.
  2. Bei den Mitarbeitern ist schon seit Längerem ein Qualifizierungsschub zu beobachten: hin zum Key-Account-Manager mit unternehmerischem Denken. Wer hier nicht die Weichen rechtzeitig gestellt hat, hat angesichts der Dauer, die eine solche Schulung erfordert, ein Problem: Mehr als je zuvor müssen auch Mitarbeiter rasch, kompetent und umfassend auf eine veränderte Situation reagieren können. Der Webauftritt mit Shoplösung spielt dabei eine Schlüsselrolle − er muss von den Mitarbeitern verstanden und weiterentwickelt werden.
  3. Was für die Verlage dem Handel gegenüber gilt, das gilt auch für den Fachbuchhandel gegenüber seinen Endkunden: Reibungslose Abläufe, Zuverlässigkeit, EDV-Anbindung, Sonderleis­tungen (gegen Berechnung) sind selbstverständlich. Dass es zwischen den Kundengruppen (Dax-Firmen, Behörden, Institu­tionen, Kanzleien, Bibliotheken, Schulen) große Unterschiede gibt, gehört zum Alltag; die Spezialisierung auf Recht, Medizin oder Wirtschaft ist jedoch nicht für jeden ein gangbarer Weg. Verlässliche Betreuung aus einer Hand, teilweise über Jahrzehnte, ist ein nicht zu unterschätzender Stabilitätsfaktor, den Kunden gerade bei unruhigem Geschäftsverlauf oder internen Umbesetzungen schätzen.

Insgesamt dürfte sich die Nachfrage weiter "atomisieren": Kleinere Mengen sind in immer kürzerer Zeit an den Endkunden zu bringen. Bei Großkunden dürften Shop-Einbindungen in die Firmen-EDV weiter zunehmen − das ermöglicht Kostenreduzierung und "Rundum-Pakete". Wir sind überzeugt, dass der Fachbuchhändler vor Ort auch in Zukunft seinen Kunden durch innovative, intelligente und kundenfreundliche Lösungen einen Zusatznutzen "mit menschlichem Gesicht" − persönlich und vor Ort − bieten kann.

Mehr zum Thema Fachbuchhandel lesen Sie im Börsenblatt Spezial Fachbuch (Heft 18), das am 2. Mai erscheint.