Programmrelaunch und neuer Kurs im Marketing

GU verlegt sich auf das wahre Leben

6. Mai 2013
von Andreas Trojan
Man kennt das: Kaum geht es mit dem Kochen richtig los, liegen überall Krümel, der Herd ist voller Spritzer, die Arbeitsplatte quillt über – ganz anders als in den gängigen Kochbuch-Küchen. Dort sieht es immer aus wie im Fernsehen: unerreichbar perfekt. Gräfe und Unzer will sich diesem quälenden Perfektionismus jetzt nicht länger beugen, kündigt für den Herbst ein komplett runderneuertes Programm an. Und eine neue Marketingstrategie.
Gräfe und Unzer ist nach wie vor eine starke Marke - muss aber, wie andere Verlage auch, beständig darum kämpfen. Damit die Marke GU nichts von ihrer Strahlkraft einbüßt, bereitet das Unternehmen derzeit einen Relaunch vor; der letzte ist sechs Jahre her.

Allerdings gehen die Neuerungen, die das neue Führungsriege mit dem Herbstprogramm 2013 umsetzt, über das Übliche hinaus: Dorothee Seeliger, seit langem in der Position als Verlagsleiterin tätig, ist seit Juli vergangenen Jahres Programmgeschäftsführerin von GU. Als Marketing- und Vertriebschef ist später Till Wahnbaeck dazu gestoßen. Gemeinsam haben sie nun eine konzertante Aktion vor - die in zwei Richtungen geht.

Auf der einen Seite geht es um das Erscheinungsbild der GU-Bücher: Zusammen mit der Agentur Independent Medien Design (München) führte GU eine Zielgruppenanalyse durch - und stellte dabei fest: Die Bücher des Verlags sind Lesern in ihrem Auftritt zu perfekt. Die Folge: GU denkt um, auf dem Cover eines Backbuches - zum Beispiel - darf es künftig auch mal krümeln und bröseln. Und das aus einem recht einfachen Grund: Ein Cover mit perfekten Produkten - so wie sie nur ein Konditor hinbekommen kann - vermittelt Lesern schnell eben auch eines: Das schaffe ich nie!

Wer ist schon so wie Paul Bocuse

"Es geht uns um die Vermittlung von authentischem Kochen, ums lustvolle Experimentieren, der Auftritt soll individueller sein", sagt Dorothee Seeliger. Dazu gehören etwa auch Handmade-Motive beider Covergestaltung. Egal ob man die Titelseiten der GU-Küchenratgeber zu "Kürbis", "Raclette" oder "Nudel-Saucen" hernimmt, die alten Bilder vermitteln das Gefühl, als hätte Papa Paul Bocuse selbst das Gericht gestaltet.

Die neuen Motive zeigen hingegen Gerichte, die aus der Küche individueller Gourmet-Bastler stammen und deren Ziel nicht Haute-Cousine-Perfektion ist. Das äußert sich auch zum Teil in den Titeln selbst. So wurde aus dem eher schlichten Arbeitstitel "Soulfood" der Buchtitel "Messer, Gabel, Seele, Glück… Essen, das die Seele wärmt".

Mit Lesern auf Du und Du

Die Bildsprache soll Emotionen, Sinnlichkeit entwickeln, also: Natürlichkeit. Und das gilt nicht nur fürs Kochen, sondern auch für Bereiche wie Haustiere oder Gartenarbeit. Und für die Texte selbst. Seeliger: "Die Texte der Autoren sollen eine persönliche Ansprache der Leser garantieren, man gibt Tipps und schreibt in der Ich-Form."

Weniger grell, dafür individuell – das ist auch das Motto für die neue Farbgestaltung. Die Buchrücken mit einheitlichem Gelb werden aufgegeben, es gibt eine ornamentale, mehrfarbige Gestaltung, wobei dabei Gelb als Signalfarbe immer mit dabei ist. Über das Cover läuft dezent ein gelber Faden und das gelbe GU-Logo hat nun abgerundete Ecken. Zudem sind Faden und Logo geprägt. "Das fördert das haptische Gefühl", meint Seeliger.

Das Endkundenmarketing bekommt mehr Gewicht

Die zweite Richtung, in der GU im Herbst neue Pflöcke einschlagen will, ist der Vertrieb: GU ist dabei, sein Endkundenmarketing noch einmal deutlich auszuweiten - das ist die Domäne von Till Wahnbaeck. Und der betont: "Wir erhöhen unser Werbebudget, wir ändern unsere Kommunikationsstrategie, verdreifachen die Reichweite unserer Werbung."

Bislang wurden in Magazinen bis zu fünfzig verschiedene Titel beworben. Das wird nun anders. Im Print- und Online-Bereich schaltet der Verlag künftig Werbung zu speziellen Themen, etwa Garten, Kochen, Baby und Kleinkind - die Maßnahmen sind in Zielgruppen unterteilt.

Danke, GU!  

Außerdem setzt Wahnbaeck alles daran, die Art der Werbeansprache zu modernisieren: Gemeinsam mit der Münchner Agentur 1913 hat sich GU gefragt, wer am Besten über die Produkte des Hauses sprechen kann - und das sind, natürlich, die Kunden selbst.

Leser bedanken sich demnächst also auf den Werbeträgern - dafür, dass ihnen GU das richtige Produkt liefert, für Partnerschaft, Lebenshilfe, Achtsamkeit, Kochen. "Diese Bilder aus dem Leben sind wiederum stark an den Relaunch der Bücher geknüpft", so Wahnbaeck. Auch hier gehe es individuell zu, nicht um Perfektion, sondern um den Spaß am Leben.

Das Ziel, das GU mit dem Programmrelaunch und dem neuen Endkundenmarketing verfolgt, ist klar: Mehr Leser stärken den Umsatz. Und darüber sollen sich letztlich auch Buchhändler freuen. Wahnbaeck: "Wir werden allen Buchhändlern durch die Vertreter die Kampagne vorstellen, bevor sie auf den Markt kommt"; POS-Material wird vom Verlag angeboten und der neue Band "Quiche" wird an die Buchhändler kostenlos verteilt.

Weniger neue Bücher, dafür bessere und moderne(re)

Ziel des Relaunches ist aber auch: Titelreduzierung. "Es gibt zu viele Bücher am Markt", erklärt Seeliger. "Daher ist es gescheiter, wenn man bestehende Titel verbessert und etwas weniger neue Bücher, die dem Zeitgeist entsprechen, ins Programm aufnimmt."

Wie viel sich GU die Kurskorrekturen kosten lässt, ist nicht zu erfahren. Alles, was Wahnbaeck dazu sagt, ist, dass es sich hier um eine "signifikante Investition"handele. Wobei schon jetzt fest steht: "Kein Euro ist falsch investiert, wenn er zur Stärkung der Marke führt."