10 Jahre kookbooks

"Beweglich und abenteuerbereit bleiben“

10. Mai 2013
von Börsenblatt
"Das amortisiert sich nicht" − so heißt ein vor kurzem bei Kookbooks erschienener Gedichtband und so steht es auch auf der Vorschau zum zehnjährigen Verlagsjubiläum. Jetzt lädt die Verlegerin Daniela Seel mit der dem Managervokabular entlehnten Feststellung der Unrentabilität gar zum Geburtstagsfest am 14. Mai in den Theaterdiscounter Berlin. Das ist frech und trotzig obendrein.

Denn natürlich verdient Daniela Seel mit ihren Kookbooks − noch immer in erster Linie Lyrikbänden, nach wie vor aufwändig und schön von Andreas Töpfer gestaltet − kein Geld. "Ich weiß nicht, ob es jemals die Idee gab, davon leben zu können", sinniert die auch mit 38 Jahren mädchenhaft wirkende Verlegerin in der Küche der Charlottenburger Wohnung, umgeben von Büchern und Wänden aus leeren Kartons. "Es war immer wichtig, eine Infrastruktur für Lyrik bereitzustellen. Es ging nie darum, Bücher zu machen wegen ihres Marktpotenzials. So haben wir nie gearbeitet. Dann hätte man gar nicht erst anzufangen brauchen."

Und doch gibt es auch für Kookbooks kein Außerhalb des Systems: "Eigentlich sind wir eine Art Crowdfunding-Unternehmen", sagt sie. Ganz nach der Parole: "Leute, kauft unsere Bücher, damit wir genug Kohle haben, um die nächsten machen zu können." Dass es hierzulande keine Verlagsförderung gibt, wie etwa in Österreich, findet Daniela Seel ungerecht: "Dann hätten wir viele Probleme nicht." Ihr Erbe von 50.000 Euro, das vor zehn Jahren als Startkapital diente, ist längst aufgebraucht. Die Flucht nach vorn mit der Aktion "Kunst braucht Mäzene" brachte vor einigen Jahren zwar durchaus Einnahmen außer der Reihe, auf den vermögenden Geldgeber aber wartet der Verlag bislang vergeblich: "Das wäre eine schöne Sache. 10.000 Euro im Jahr würden schon reichen, damit könnte man unglaublich viel machen. Für Leute, die Geld haben, ist das doch Kaffeekasse."

Aber selbstverständlich denkt diese Frau, deren Ausdauer und Konsequenz so frappierend sind, weder ans Aufhören, noch daran, sich an dem, wonach der Markt vermeintlich verlangt, zu orientieren. Im Gegenteil. Sie will das Programm des Verlags stärker fokussieren und dabei ausgerechnet den Bereich, den wohl jeder andere Unternehmer im deutschen Publikums-Buchbusiness stärken würde, drastisch verkleinern: die Prosa.

"Da gibt es genug andere, die das besser machen als wir", sagt sie. "Wenn man mit dem hundertsten Prosatitel der Saison kommt, wird man einfach viel weniger gesehen als mit einem neuen Gedichtband." Das Überangebot führe dazu, dass die Buchhändler das einkauften, was am preiswertesten ist, die Konditionenschlacht fördere die Beliebigkeit. Zur Kritik an Dynamiken der Branche gesellt sich die eigene Vorliebe für Dichtung: "Privat lese ich überhaupt keine Romane mehr, und es würde mir schwer fallen, eine gut durcherzählte, saftige Geschichte zu lektorieren, weil es mir fremd geworden ist. Romanhaftes Erzählen im traditionellen Sinne langweilt mich einfach, wenn ich so was will, dann gucke ich lieber Fernsehen. Mich interessieren Formen, die eine größere Offenheit haben und sich dem einfachem Konsum entziehen."

Daniela Seel, die vor zwei Jahren selbst ihren ersten Gedichtband veröffentlichte, hat ihren Verlag immer schon als ein besonderes Unternehmen betrachtet, abonniert auf das Schwierige. „Im Moment davor, gerade noch nicht fertig zu sein, beweglich zu bleiben, abenteuerbereit", so umreißt sie − ganz Dichterin − ihr Ideal. Dass es anstrengend sein könne, so zu leben, räumt sie ein, um doch gleich voller Euphorie von Aufbruch und neuen Möglichkeiten zu schwärmen: "Ich sehe, wie sich die Inhalte verändern, jedenfalls da, wo ich mich bewege, im Netz. Das ist ganz weit weg von traditionellen Vorstellungen von Verlegen und davon, was Verlage sind. Aber das kann man ja einfach links liegen lassen. Die anderen sollen doch machen, was sie wollen", lacht sie.

"Kook" − zu deutsch "Spinner" − das ist die Selbstbeschreibung des Künstlernetzwerks, aus dem 2003 der Verlag hervorgegangen ist. Die Bücher, die hier seitdem erscheinen, spielen im ökonomischen Getriebe des Buchmarktes kaum eine Rolle. Aber sie werden reihenweise mit den wichtigsten Lyrikauszeichnungen prämiert, gerade erst hat Monika Rinck den Peter-Huchel-Preis erhalten. "Meine Autoren werden einflussreiche Dichter", prophezeit Daniela Seel gern. Wer will ihr widersprechen? Manche Spinner machen Ernst.

Holger Heimann

Das Geburtstagsfest "Das amortisiert sich nicht. 10 Jahre kookbooks − Labor für Poesie als Lebensform" findet am Dienstag, den 14. Mai, ab 19 Uhr im Theaterdiscounter Berlin (Klosterstraße 44, 10179 Berlin) statt. Der Verlag lädt zu Lesungen, Konzerten, Performances, Bildkunst, Tanz und Büffet ein.