Die Sonntagsfrage

Wie wichtig ist der literarische Brückenschlag nach Frankreich?

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Die in Berlin lebende Schriftstellerin Tamara Bach hat am Freitag im Rahmen der Europäischen Jugendbuchmesse den 1. Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis verliehen bekommen, gemeinsam mit der französischen Autorin Marjolaine Jarry: Wie wichtig ist der literarische Brückenschlag ins Nachbarland, Frau Bach?

"Gerade auf meinen Reisen mit dem Goethe-Institut fragen mich die Jugendlichen woanders, wie denn ihre Altersgenossen in Deutschland so sind. Anders? Oder ganz genauso wie sie? Bei einer Lesung von anderthalb Stunden habe ich natürlich nur einen oberflächlichen Blick auf mein Publikum im Ausland und kann deswegen oft schwer Unterschiede feststellen. Das komische ist doch eigentlich, dass wir die Unterschiede suchen, dann aber doch beruhigt sind über die vielen Gemeinsamkeiten, die uns verbinden. Die sind ja gar nicht so viel anders als wir. Die müssen auch zur Schule, die hören Musik, treffen sich mit Freunden, haben Eltern, mit denen es mal besser, oder eben doch eher schlechter läuft. Die sind verliebt, unglücklich, glücklich, die sollen sich auch Gedanken über ihre Zukunft machen und wollen doch eigentlich erst mal selbst sehen, wohin das alles geht.

Literatur verbindet, wie alle Formen von Kunst, weil wir da gepackt werden, wo wir uns wahrscheinlich am ähnlichsten sind: am emotionalen Schlafittchen. Menschen finden sich gleich viel sympathischer, wenn sie dieselbe Band, dieselben Filme, oder eben dieselben Bücher mögen. Und wenn man dann noch darüber reden kann, was uns an diesem Buch (oder Film oder Lied) wichtig ist, kommen wir uns näher und fangen an uns zu verstehen. Schaffen gemeinsame Nenner. Wir übersetzen uns in die Sprache des Anderen.

Mein Französisch hat sich in den letzten 20 Jahren sehr verschlechtert, und das bedauere ich. Zwar habe ich bei der Preisverleihung versucht, die letzten rudimentären Sprachbrocken zusammenzuklauben, um mich zu unterhalten, aber es reicht dann doch nicht ganz. Dann standen Marjolaine Jarry und ich zusammen und stellten fest, dass unsere Protagonistinnen beide Louise heißen. Starrten auf das Cover des Gewinnerbuchs der Anderen, und ich hätte es so gerne gelesen, aber dafür reicht mein Französisch leider nicht, und ähnlich ging es wohl auch ihr.

Ich hoffe, dass ein Resultat des Preises nicht nur ist, dass mein Buch ins Französische übersetzt wird, wobei ich mich freuen würde, vielleicht auch mein Buch in Frankreich vor Schülern vorzustellen (und zu schauen, wie anders oder ähnlich die verglichen mit den deutschen Schülern sind), sondern vor allem, weil ich hoffe, dass es Marjolaine Jarrys 'Pieds nus dans la nuit' bald auch auf Deutsch gibt, damit ich die Geschichte über diese andere Louise lesen kann."