Autorentour durchs Sortiment

"Gute Buchhändler sind jede Liebe wert"

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Es sind die Begegnungen, die den Besuch einer Buchhandlung ausmachen. Eben das wurde am Mittwoch bei der Auftaktveranstaltung "An einem Strang – Schriftsteller für Buchhändler" in der Mainzer Dombuchhandlung deutlich.
Zu Beginn erzählte Autor Najem Wali von seinen ersten Kontakten mit Buchhändlern. Seine Eltern ließen ihn mit acht Jahren nicht auf der Straße herumtoben. Stattdessen sollte der gebürtige Iraker arbeiten – bei einem Buchhändler. Wann immer Najem Wali in der Buchhandlung in Basra war, wurde er aufgefordert, ein Bilderbuch über Häfen aufzuschlagen und über die Stadt und den Hafen zu berichten. "Weil ich nicht immer die Fakten wusste, begann ich Geschichten zu erzählen." Drei Dinge haben ihn seit diesen Kindheitstagen geprägt: Er erzählt noch immer Geschichten. Hafenstädte dieser Welt hat er von Hamburg bis Kapstadt gesehen. Und in jeder Stadt, die er besucht, geht er in eine Buchhandlung. "Das bereitet mir ein Vergnügen."

Ein Vergnügen - das war auch die Auftaktveranstaltung der von Michael Kleeberg initiierten Aktion "An einem Strang – Schriftsteller für Buchhändler". In der Mainzer Dombuchhandlung hatte man am gestrigen Abend zweieinhalb Stunden Zeit, um mit den Autoren Sherko Fatah, Michael Kleeberg, Georg Klein und Najem Wali ins Gespräch zu kommen. Buchhändlerfamilie Stoffl servierte dazu Weck, Worscht und Woi, wie könnte es in Mainz auch anders sein.

Georg Klein und die roten Rowohlt-Bände

In der hinteren Ladenecke erzählte Georg Klein, dass für ihn eine gute Buchhandlung ein "lebendiger Zeitspeicher" sei. Ältere Titel müssten neben neueren stehen, nicht nur das aktuelle Sortiment dürfe durchgepeitscht werden. Dabei entdeckt der Schriftsteller in der dritten Reihe des beeindruckenden Schieberegals die roten Bände der Existentialismusliteratur aus dem Rowohlt-Verlag, die er mit 16 gelesen hat. Bei Kleebergs Aktion macht er mit, weil er der Meinung ist, dass "ein guter Buchhändler jede Liebe verdient hat."

Die Liebesbekundung nimmt die Mainzer Dombuchhandlung mit Kusshand entgegen. "In unserer Zeit braucht der kleine und mittlere Sortimenter Unterstützung, sagt der 82-jährige Franz Stoffl. Daher hat er "sofort zugesagt", als Michael Kleeberg ihn fragte, ob er sich beteilige. "Gerade die Inhabergeführten Buchhandlungen brauchen Hilfe", meint er: "Wir lesen nämlich noch!". Er erzählt vorne am Tisch neben der Eingangstür sitzend von Begegnungen mit Heinrich Böll, den er als Freund bezeichnet. Von einem Anruf von Heidi Oetinger, die ihn 1952 bat, Astrid Lindgren in Deutschland bekannt zu machen oder davon, wie er Willi Fährmanns erstes Manuskript für den Arena Verlag in einer Nacht durchlas und dem Verleger empfahl, das Buch ins Programm zu nehmen. Begegnungen mit Autoren waren Franz Stoffl schon immer ein Anliegen.

Michael Kleeberg und die Facebook-Erkenntnis

Die Dombuchhandlung ist während der Aktion gut besucht. Etwa 60 bis 70 Kunden waren eingeladen. An der Kasse hörte man Stammkundin Rosemarie Busch erzählen, dass sie sich freut, den Autoren zu sagen, was ihr deren Bücher bedeuten. Und dass sie unbedingt mit Najem Wali über den Irak sprechen möchte - hatte sie doch drei irakische Freunde in ihrer Bibliothekarsausbildung als Mitschüler gehabt.

Michael Kleeberg sitzt derweil hinter dem Kinderbuchregal an einem kleinen Tisch. Er ist mit dem Auftakt seiner Aktion mehr als zufrieden: „Ich hatte eine Reihe augenöffnender Gespräche“, sagt er. Dazu zählt er zuallererst die mit den jungen Lesern, Anfang 20. Er fragte sie, wo sie sich Informationen über Bücher beschaffen und welche Rolle Buchhandlungen für ihre Generation spielen. "Ich fürchte, ich muss mir einen Twitter- und Facebook-Account zulegen", sagt der eigentliche Social-Media-Gegner. Er habe bestätigt bekommen, dass für die junge Generation nicht mehr Feuilleton-Kritiken zählen, sondern die Aktivitäten der Autoren in den Online-Netzwerken. Doch sicher kann man sein, dass er auch Online für eins werben wird: Für die realen Begegnungen mit den Autoren in den kleinen Buchhandlungen vor Ort.

Die beiden Buchhändler im Interview

Als "Win-Win-Situation für beide Seiten" bezeichnen die Buchhändler Franz und Michael Stoffl die Autorentour, die von Mainz aus ihre Kreise zieht. In einem Kurzinterview ziehen die beiden Inhaber der Mainzer Dombuchhandlung Bilanz.

Warum muss der Schriftsteller für den Sortimenter vor Ort werben?

Franz Stoffl: In unserer Zeit braucht der kleinere und mittlere Sortimenter Hilfe. Mir war die Zusammenarbeit mit Schriftstellern schon immer wichtig. Wir müssen zusammenarbeiten. Das versuche ich seit 25 Jahren mit den Mainzer Stadtschreibern zu tun, doch nicht immer gelang es.

Warum haben Sie bei der Aktion zugesagt, als die Anfrage von Michael Kleeberg kam?

Michael Stoffl: Ich finde es toll, dass Michael Kleeberg die Aktion organisiert. Als er Mainzer Stadtschreiber war, besuchte er die Buchhandlung zwei bis drei Mal die Woche. Er hat sich mit meinem Vater angefreundet. Ich glaube, es ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Michael Kleeberg ist ein Gegner des Internetkaufs. Mit dieser Aktion will er ein Zeichen setzen. Das wollen wir unterstützen.

Was wollen Sie mit der Aktion erreichen?

Franz Stoffl: Ich wollte, dass die Aktion bundesweit durchgeführt wird und darüber in den großen Zeitungen berichtet wird. Viele Buchhändler registrieren nicht, dass es möglich ist, etwas gegen die aktuelle Situation zu machen. Mit der Aktion will ich einen Anschub geben, dass etwas in Gang kommt. Über Bücher soll gesprochen werden.

Was zeichnet die Aktion aus Ihrer Sicht aus?

Michael Stoffl: Die Öffentlichkeit wird aufmerksam darauf, dass man mit dem Buchhändler vor Ort Gespräche führen kann. Hier geht es nicht anonym zu.

Wie haben Sie für die Veranstaltung geworben?

Michael Stoffl: Wir haben 60 bis 70 Stammkunden mit einem Brief eingeladen. Gut ein Drittel ist gekommen.

Was ist Ihr persönliches Resümee?

Michael Stoffl: Es war eine schöne Veranstaltung. Die persönlichen Gespräche taten gut.