Jubiläumsfeier 250 Jahre C. H. Beck

Sonnenanbeter am Wannsee

27. Februar 2015
von Holger Heimann
Hoch und runter – das ist die Bewegung, die es sommers bei Festen im Garten des Literarischen Colloquiums Berlin (LCB) häufig zu sehen gibt. Beim Geburtstagsfest zum 250jährigen Jubiläum des C.H. Beck Verlags am 8. Juni blieben die intellektuellen Schwergewichte des Sachbuchs oben auf der Terrasse, unten am Wannseewasser versammelte sich der literarische Zirkel.

Zwar mussten die Autoren Fritz Stern und Elisabeth Sifton krankheitsbedingt ihre Berlin-Reise absagen, der Auftakt der sommerlichen Verlagsfeier mit einem Gespräch zu ihrem Buch "Keine gewöhnlichen Männer" über "Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler" gelang trotzdem glänzend. Das war Klaus von Dohnanyi, dem Sohn des einen und Neffen des anderen, zu danken, der im Gespräch mit dem Journalisten Ijoma Mangold von eigenen Erfahrungen mit den beiden Männern berichtete, die Stern und Sifton als die bedeutendsten und unerschrockensten Feinde Hitlers charakterisiert haben. "Es war einfach der zwangsläufige Gang eines anständigen Menschen" und "Man muss dem Rad in die Speichen greifen" − diese Leitgedanken Hans von Dohnanyis und Dietrich Bonhoeffers zitierte Klaus von Dohnanyi ebenso, wie er lebhaft die jugendliche Art seines Onkels beschrieb, der nur eines nicht ertrug: "Wenn man ihn darauf aufmerksam machte, dass er seine Haare verliert." Am eindrücklichsten vielleicht die Erinnerung Dohnanyis an Briefe seiner Mutter aus der Nazihaft, in denen sie die Kinder auffordert, ihr Herz nicht dem Hass hinzugeben und ihre Seelen nicht verbittern zu lassen, "denn das nimmt euch das Schönste, was es gibt: das Vertrauen".

In anderer, späterer Runde wurde erkundet, ob es in Deutschland gerecht zugeht. Während der Historiker Hans-Ulrich Wehler die Entwicklung der Vorstandsgehälter in DAX-Unternehmen (1989: 500.000 Mark; heute: 6 Millionen Euro) und deren Verhältnis zu Durchschnittsgehältern (1989: 20:1; heute: 200:1) mit dem Satz präsentierte: "Das ist eine solch krasse Verteilung, dass sich eine Diskussion lohnt", beschwichtigte Jürgen Kocka mit Blick auf die ganze Welt. Der Grad der Ungerechtigkeit werde, so Kocka, zu 80 Prozent durch den Wohnsitz determiniert, lediglich zu 20 Prozent durch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht.

Lesungen in der Rotunde am Wannsee

Sonnenanbeter gleich saßen die gesegneten Mitteleuropäer in der Rotunde am Wannsee, den Rücken gegen das Mauerwerk gelehnt, das Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne zugewandt. Jonas Lüscher las in solcher Runde die Novelle "Frühling der Barbaren", Jochen Schmidt aus seinem Roman "Schneckenmühle". Adam Fletcher erlebte hier eine Premiere, seinen ersten öffentlichen Auftritt als Autor − eine Rolle, über die Fletcher selbst am meisten verwundert schien, die ihm jedoch den freudigsten Applaus eintrug. Den Briten hatte es vor Jahren von Cambridge nach Leipzig verschlagen, von dort ist er mittlerweile weiter nach Berlin gezogen. Sein amüsantes Buch "How to be German in 50 easy steps", in dem Fletcher deutsche Eigenarten versammelt hat, ist aus seinem millionenfach gelesenen Blog entstanden. Ein Kapitel, das einzige, das er auf Deutsch las, hat Fletcher Berlin gewidmet. Den Deutschen sei ihre Hauptstadt fremd, eine Stadt wie Frankfurt entspreche ihnen viel eher. Denn man wisse einfach nicht so genau, ob Berlin nun vor allem ein gigantisches Kunstprodukt oder doch eher ein soziales Projekt sei.

Ein beweglicher Gastgeber

Einer, der eifrig immer wieder unterwegs war − von oben nach unten und umgekehrt, war der Verleger Wolfgang Beck. Auf die bergauf gestellte Frage, warum er denn lieber in Berlin als in München, dem Sitz des Verlags, feiere, entgegnete er sichtlich beglückt: "Einen solch schönen Ort finden Sie in München schwerlich." Im September wird im Münchner Prinzregententheater trotzdem das andere, zweite Verlagsfest stattfinden − gemeinsam mit dem vom Bruder geleiteten Fachverlag. Dann wird auch die über 1.000seitige Geschichte des Verlags nachzulesen sein − in zwei Leinenbänden: Der Jurist Uwe Wesel hat sich dem Fachverlag gewidmet, der Historiker Stefan Rebenich hat über den Verlag geschrieben, der vorab am Wannsee feierte. Eines nur schien Wolfgang Beck bei diesem schönen, gelungen Fest zu stören: "Ich verpasse regelmäßig die Hälfte der Lesungen."

Das allerdings erging ihm nicht alleine so.