Eröffnung der Buchtage 2013

"Schreiben oder Sterben"

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Die Freiheit des Wortes ist täglich bedroht – und die Auswirkungen von Repression und ideologischer Zensur betreffen uns und unser Verständnis der freien Meinungsäußerung ganz direkt. "Welche Freiheit braucht das Buch? – Verantwortung von Verlegern, Buchhändlern und Autoren" lautete daher die Frage der Eröffnungsveranstaltung der Buchtage in Berlin.

Moderator Torsten Casimir, Chefredakteur des Börsenblatts, erinnerte zu Beginn an das Schicksal des deutsch-ägyptischen Autors und Politikwissenschaftlers Abdel Hamed-Samad, gegen den Islamisten vor wenigen Tagen eine Fatwa mit Todesdrohung ausgesprochen haben. Abdel Hamed-Samad sah sich daraufhin gezwungen unterzutauchen.

Sorgenvoll äußerte sich Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder über die Situation – im Blick auf die Volksrepublik China ebenso wie auf Ungarn, wo die Regierung die freie Meinungsäußerung behindert. Aber auch in Deutschland, auch als Verleger in einem freien Land müsse man sich fragen, wieviel innerer und äußerer Freiheit es bedürfe, um seiner Verantwortung gerecht zu werden. Man könne seinen Ansprüchen inhaltlich nicht gerecht werden, wenn man sich dem Diktat der Zahlen beuge. Er sei zudem darüber beunruhigt, dass Internetkonzerne Kommunikationsdaten freier Bürger an den US-Geheimdienst NSA weitergäben.

Honnefelder verkündete zugleich den Namen der diesjährigen Friedenspreisträgerin, der weißrussischen Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch, der am 13. Oktober der Friedenspreis in der Paulskirche überreicht wird.

Die Dialektik der freien Rede hatte der Friedenspreisträger des Jahres 2011, Boualem Sansal, zum Gegenstand. Das Motto seiner Rede, "Schreiben oder Sterben", hatte Sansal in Anlehnung an ein Buch des Friedenspreisträgers von 1994, Jorge Semprún, gewählt: "Schreiben oder Leben".

Drei Viertel der Menschheit lebten heute in Verhältnissen, in denen nicht einmal ein Minimum von Freiheit und Menschenwürde gewährt würde. Vielfach äußert sich die Zensur dort durch behördliche Willkür, aber immer häufiger auch durch Zensur gesellschaftlicher Gruppen und durch die Gesellschaft selbst – etwa in Algerien, wo Islamisten Meinungen unterdrücken oder die Mehrheitsgesellschaft vor selbsternannten Zensoren einknickt.

In demokratischen Gesellschaften – dem freien Viertel der Weltbevölkerung – sei sie vor allem durch Selbstzensur und Schweigen bedroht. Im Zeichen von Globalisierung, wachsendem Sicherheitsbedürfnis, Wirtschaftskrise und Zukunftsangst würden die Grenzen zwischen Zensur und freier Rede fließend. Sansal warnt: "Die Zensur ist tief in die Poren der demokratischen Gesellschaft eingedrungen". Sie äußere sich nur diffuser als in einem repressiven System. Immer häufiger würden juristische Auseinandersetzungen den freien Dialog über die Wahrheit ersetzen.

Nichts weniger als die "Ausrottung der Buchkultur" vollzieht sich seit dem Beginn der islamischen Revolution im Iran, wie Abbas Maroufi, iranischer Autor im Exil, in einem erschütternden Vortrag schilderte. Seine Rede wurde von seiner Mitarbeiterin Fatemi Khorami auf Deutsch verlesen.

Maroufi erzählte, er habe einen Verband zur Förderung iranischer Exilliteratur gegründet, in dem nun Werke von Nachwuchsschriftstellern erschienen, die im Iran nie zugelassen würden.

Wilfried Weber, Inhaber der Hamburger Buchhandlung Felix Jud, würdigte in seinem Vortrag das Eintreten Felix Juds für die Freiheit des Worts und warb für den Buchhandel als "geistigen Raum" der Auseinandersetzung.