Gastspiel von Franz-Rudolf Esch

Ein klingender Name

20. Juli 2015
von Börsenblatt
"Produktkategorien mögen sterben, Marken können ewig leben": Auch wenn der gedruckte Brockhaus verschwindet, das Ende der Marke Brockhaus muss damit nicht zwangsläufig verbunden sein. Meint Markenforscher Franz-Rudolf Esch von der EBS Business School.

Im Buchmarkt gibt es nicht viele glänzende Marken mit Strahlkraft. Vielfach sind nicht die Verlage die Marken, sondern die Autoren, weil man weiß, wofür die­se stehen. Zu den wenigen Ausnahmen zählen der Duden, Langenscheidt und Brockhaus. Der Duden ist das Nachschlagewerk für Rechtschreibung, Langenscheidt das Fremdwörterbuch, und der Brockhaus umfasst das Wissen der Welt.

Die erste Auflage des Brockhaus erschien um 1809. Deren 2 000 Exemplare wurden vollständig verkauft. Der Brockhaus wurde von da ab zum Synonym des enzyklopädischen Handwörterbuchs.

Laut Innofact sind Brockhaus und Rowohlt die bekanntesten deutschen Verlagsmarken. Der Duden und der Brockhaus sind zudem die Marken mit der höchsten Glaubwürdigkeit. Ihnen bringt man auch das meiste Vertrauen entgegen. Am 22. November 2012 wurde der Brockhaus noch zur Marke des Jahrhunderts gekürt − und dies zu einer Zeit, in der mit einer Enzyklopädie schon lange kein Geld mehr zu verdienen war.

Wer es sich früher leisten konnte, kaufte sich einen Brockhaus. Der beachtliche Preis konnotierte die herausragende Qualität des Werkes, sowohl was die inhaltlichen Recherchen betraf als auch die bestechende Buchausstattung selbst. Der Brockhaus in der Bibliothek zeugte von Kennerschaft, man konnte sich damit schmücken.

Doch durch das Internet und Wikipedia hat sich die Welt verändert und damit auch die Bedürfnisse der Kunden. Statt mit Stolz die schönen Ausgaben des Brockhaus in der Bibliothek zu zeigen, punktet man heute im Freundes- und Bekanntenkreis eher mit interessanten Apps. Statt in einem Buch nachzuschlagen, genügen heute wenige Klicks im Internet, um sich wann, wie und wo man will umfassend zu informieren.

Seit der Gründung von Wikipedia ist dieses Nachschlagewerk, das von der Schwarmintelligenz und dem Input Dritter lebt, die unbestrittene Instanz in diesem Bereich geworden. Ihr musste auch die englische Encyclopaedia Britannica im Jahr 2012 weichen.

Die Versuche von Brockhaus gegenzusteuern, kamen zu spät. Zu lange hat man an dem ehemals erfolgreichen Geschäftsmodell festgehalten, der Sprung auf die neuen Medien erfolgte zu spät und eher halbherzig. Dabei hätte man von anderen Marken lernen können: Maggi könnte heute auch nicht mehr von der Würze leben. Die Marke wird durch ständige Markendehnungen in neue Kategorien aktuell gehalten. Apple entwickelt sich zu einer Entertainmentmarke, bei der neben Produkten auch Dienstleistungen wie iTunes angeboten werden, und Red Bull ist schon lange von einem Energydrink zu einer Medien­marke mutiert. Marken, die sich nicht oder zu langsam bewegen, sterben.

Doch genau darin steckt auch die gute Botschaft: Produktkategorien mögen sterben, Marken können ewig leben. Der Brockhaus verfügt nach wie vor über einen beachtlichen Markenwert. Die Marke ist bekannt und hat immer noch ein gutes Marken-Image bei Kunden. Daran kann man ansetzen und dies in Bereiche, die der Brockhaus als Marke glaubwürdig abdecken kann, kapitalisieren. In diese Richtung wurden auch schon Gehversuche unternommen, bei denen man unterschiedliche Zielgruppen angesprochen (etwa Kinder und Jugendliche), Lern- und Lehrprogramme entwickelt und Sachbücher angeboten hat, die natürlich multimedial erhältlich waren. Denkbar ist auch die Lizenzvergabe des Namens bei entsprechender Passung der Lizenzprodukte zur Marke. Selbstverständlich können das andere auch, aber sie haben eben nicht diesen klingenden Namen.