Gastspiel von Verleger Jochen Jung

Die "Spinne" im Netz wartet auf Kundschaft

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Wenn Self-Publishing-Autoren mit ihren Texten mehr wollen, als die reine Zurschaustellung im Netz, brauchen sie einen Verlag. Meint Jochen Jung, Verleger des Jung und Jung-Verlags in Salzburg.

Wenn es einen nicht so trübsinnig machen würde, könnte man der Branche noch eine ganze Weile dabei zusehen, wie die einen sich in Optimismus wiegen, als wäre alles in Butter und unsere Zukunft entsprechend glänzend, während die anderen sich in Schwarzmalerei zu übertrumpfen versuchen, damit sie auf jeden Fall die Ersten am Höllentor einer verlags- und buchhandelsfreien Welt sind. Zu Letzteren zählen nicht zuletzt diejenigen, die den Self- Publishern das Wort reden und ihnen eine sensationelle Zukunft voraussagen. So ganz neu ist die Sache an sich ja nicht: Früher hieß das noch Eigenverlag, war ein bisschen teurer für den Autor, gab ihm aber die Möglichkeit, die Verwandtschaft für Jahre an hohen Feiertagen mit einem handfesten und sehr persönlichen Geschenk beglücken zu können. War immer ein wenig eine Mischung aus Verzweiflung und Lächerlichkeit.

Das ist heutzutage - ohne dass die Texte deswegen unbedingt besser wären - ein bisschen anders, und billiger ist es auch. Man fragt gar nicht erst lang und setzt seinen Text gleich wie eine Spinne ins Netz und wartet auf Kundschaft. Hat man ihn richtig platziert, sind die Chancen vermutlich ähnlich hoch, wie sie sind, wenn man einem gestandenen Literaturverlag ein Manuskript anbietet, und die liegen bekanntlich bei ein bis zwei Promille. Das ist dann der Beginn einer möglichen Wahrnehmung in der entsprechenden Community.
Und dort bleibt es auch. Das heißt, jene Literatur, die auf die durch den Text klar definierte Kundschaft zielt, hat größtes Interesse daran, gekauft zu werden, aber absolut kein Interesse daran, von so absurden Institutionen wie dem Feuilleton, der Kritik und Lesern, die mehr suchen als genregebundene Spontan-Unterhaltung, überhaupt wahrgenommen zu werden.
In beiden Fällen geht es um Propaganda, wird den einen durch andere etwas empfohlen. Wer aber mit seinem Text mehr im Sinn hat, wem es auch um Form und Idee geht, wer sich im Zusammenhang mit vorangegangener Literatur weiß und Wege für eine kommende sucht, der braucht ein Publikum, das die emotionalen und intellektuellen Möglichkeiten von Literatur kennt und auch erwartet.
Solche Texte sind nicht leicht herzustellen, und sie brauchen Kontrolle und Unterstützung. Anders gesagt: solche Texte brauchen einen Verlag der klassischen Art mit Lektorat, Betreuung, Vertrauen und etwas Geld und mit Verbindungen zu den beruflichen Literaturwahrnehmern. Und ob es sich dann um ein E-Book, ein Papierbuch oder einen Papyrus handelt, ist letztlich egal.
Was nicht egal ist, das ist der dahinterstehende Anspruch, und auch wenn das jetzt so manchem Literatursozialarbeiter nicht gefällt: Einer der größten Fehler, die wir gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gemacht haben, das war der gut gemeinte Eifer, mit dem der Unterschied zwischen
E und U eingeebnet wurde. Eine solche Differenzierung galt (und gilt?) als arrogant und undemokratisch und durfte einfach nicht sein.
Aber es gibt sie, und wenn die klassischen Verlage und die klassische Kritik und der klassische Buchhandel in 33 Jahren noch eine Chance haben wollen, dann nur durch Literatur, die das, was die drei anbieten, auch braucht. Zu der gehört allerdings die Wertschätzung einer Bildung, die nicht nur Berufsausbildung ist.
Alles andere findet andere Wege, und das ist auch in Ordnung so.