Interview mit Georg M. Oswald

"Ein Verlag ist mehr als eine Publikationsmaschine"

17. Juli 2013
von Börsenblatt
Der Schriftsteller und Jurist Georg M. Oswald leitet ab Oktober den zu zu Piper gehörenden Berlin Verlag. Warum er den Job angenommen hat und was sich mit ihm an der Spitze ändern soll.

Ein Schriftsteller als Verleger: Was ändert sich für Autoren? Die Honorare?
Ich verstehe die Situation der Autoren, weil ich selbst einer bin, und das wird sicher hilfreich sein. Und was die Honorare betrifft, gilt: Gute Verkäufe bedeuten gute Honorare.

Sie haben als Jurist nicht nur einen "ordentlichen Beruf", Sie  sind auch als Schriftsteller erfolgreich. Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Literatur und Bücher haben in meinem Leben immer eine zentrale Rolle gespielt, als Leser, als Autor. Ich lebe in und mit den Büchern, es ist meine bevorzugte Daseinsform. Was kann es für mich schöneres geben, als für diese Daseinsform zu werben, Literatur zu vermitteln, Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.

Um das Ansehen der Verlage steht es derzeit gar nicht mal so gut. Immer mehr, durchaus renommierte Autoren nutzen mittlerweile Selfpublishing…
Ich bezweifle, dass das am schwindenden Ansehen der Verlage liegt. Einige Autoren, die diesen Weg gehen, rechnen sich dabei vielleicht ökonomisch bessere Chancen aus. In Einzelfällen mag diese Rechnung aufgehen, aber die sind sehr, sehr selten. Ein Verlag hingegen ist mehr als nur eine Publikationsmaschine. Die meisten Autoren, die ich kenne verbinden mit den Namen ihrer Verlage deren Geschichte, deren Programm und das Autorenumfeld, in dem sie sich befinden. Wer ein Gespür hat für die Aura eines literarischen Verlags, wird sich genau überlegen, ob er sie gegen letztlich ziemlich vage Gewinnversprechen einlösen will.  

Wie haben Ihre Schriftsteller-Kollegen auf die Personalie reagiert?
Ich habe viele aufrichtige Glückwünsche bekommen, verbunden mit der Hoffnung, dass durch diese Entscheidung die Rolle der Schriftsteller im Verlagsgeschäft gestärkt wird.

Sie waren am vergangenen Freitag zum Antrittsbesuch im Verlag. Wie ist Ihr erster Eindruck?
Ich wurde von meinen neuen Kollegen sehr herzlich empfangen. Ich würde eigentlich am liebsten sofort anfangen, mit ihnen zu arbeiten.

Was zeichnet einen Autor aus, einen Verlag zu führen? Oder kommt hier mehr der Jurist ins Spiel?
Ich weiß es nicht, denn ich habe es ja noch nicht gemacht, aber vermutlich sind literarisches Gespür und Rechtskenntnisse von Vorteil. Beides sollte bei einem Autor und Anwalt zu finden sein.

Im Oktober geht’s los. Auf welche Aufgabe freuen Sie sich am meisten?
Die Zusammenarbeit mit meinem Team, die Entwicklung eines vielversprechenden Programms, die Entdeckung großartiger Titel, die bei uns erscheinen werden, kurzum: auf alles, was mit dieser neuen Tätigkeit zusammenhängt.

Was wird sich mit Ihnen an der Verlagsspitze programmatisch verändern?
Um es mit Katharina Hartwell zu sagen, deren Roman „Das fremde Meer“ dieser Tage bei uns erscheint: "Große Veränderungen erfordern große Veränderungen". Ich will versuchen, die deutsche Gegenwartsliteratur stärker ins Zentrum zu rücken.

Wird Ihnen Zeit zum Schreiben eigener Bücher bleiben? Und werden die (weiter) beim Bonnier-Verlag Piper erscheinen?
Ich wüsste nicht, wie das gehen soll, mit dem Schreiben aufzuhören. Neben meiner Anwaltsarbeit habe ich das ja auch immer getan. Es wird jetzt vielleicht ein bisschen länger dauern als bisher, aber mein nächster Roman wird wieder bei Piper erscheinen.