USA: Barnes & Noble

Überleben in Zeiten von Amazon

9. August 2013
von Börsenblatt
Der Rückzug von Barnes & Noble-CEO William Lynch markierte das vorläufige Scheitern der Digitalstrategie des größten US-Buchhändlers. Doch im Wettbewerb mit Amazon kann Barnes & Noble seine Stärken ausspielen – unter anderem mit seinen 700 Universitätsbuchhandlungen. Und auch das digitale Geschäft ist noch lange nicht tot. Eine Analyse von Ed Nawotka.

2009 – nach Jahren des Verlusts von Marktanteilen an Amazon und nach dem Start des Kindle – versuchte Barnes & Noble (B & N), Amerikas führende  Buchkette, sich in ein Technologieunternehmen zu verwandeln. B & N berief William Lynch, einen technikaffinen Texaner, an die Spitze seiner Online-Sparte und beförderte ihn dann zum CEO. Das in New York ansässige Unternehmen eröffnete ein großes Büro im Silicon Valley, besetzte es mit 300 Programmierern, Designern und Entwicklern und launchte eine Handvoll innovativer E-Ink-Reader und Android-Tablets unter der Marke Nook. Bis 2011 hatte es 25 Prozent des seinerzeit zwei Milliarden Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro) großen E-Book-Markts in den USA seinem Rivalen Amazon.com abgerungen.

Die Aussichten für B & N’s Nook waren sonnig:
– Microsoft kündigte an, 300 Millionen Dollar in ein neues Unternehmen, Nook Media, zu investieren, das sowohl die E-Book-Sparte als auch B & N’s fast 700 Universitätsbuchläden umfasste (Pearson schoss Ende 2012 weitere 89,5 Millionen Dollar zu).
– B & N hatte den Nook in Großbritannien gestartet und sagte, es würde bis Mitte 2013 Nooks in zehn weiteren internationalen Märkten, darunter auch Deutschland, einführen.
– Und neue, aufgemotzte Tablets wurden auf dem Markt für das Weihnachtsgeschäft erwartet.
– Es wurde sogar erwogen, dass das Unternehmen das Wort "Buchhändler" aus seinem offiziellen Namen entfernt – eine Geste an die Öffentlichkeit, und besonders an die Wall Street, dass das Unternehmen sich ernsthaft mit der Zukunft beschäftigt und mit den traditionellen Produkten wie physischen Büchern "durch" ist.

Aber natürlich kann sich innerhalb eines Jahres sehr viel verändern. Als die Finanzergebnisse für 2012/13 bekannt gegeben wurden, trug das Nook-Geschäft einen operativen Verlust von 475 Millionen Dollar zum Gesamtverlust in Höhe von 776 Millionen Dollar bei. Heute ist Lynch als CEO abgelöst (wobei er Bonuszahlungen und eine Abfindung in Millionenhöhe mit sich nahm), der Nook in keinem einzigen neuen internationalen Markt eingeführt, und B & N scheint sich überhaupt aus dem Tablet-Geschäft zurückzuziehen.

Was ist passiert?
B & N’s neue, aufgemotzte Tablets ließen sich einfach nicht verkaufen. Im Gegensatz zum Namen des geplanten Spin-Offs – Nook Media – hatte B & N nie das gleiche Niveau reichhaltigen Medien-Contents (Filme, Musik und Fernseh-Shows) entwickelt, das Apple und Amazon anbieten. Die Ware lag auf den Regalen und setzte Staub an (und wurde seither zu Schleuderpreisen verkauft).

Nun besinnt sich das Unternehmen zurück auf Bücher. Und das erweist sich als sinnvoll.

Len Riggio, der Gründer und Präsident von B & N, ist im Herzen ein Buchhändler. Im Gegensatz zum Nook schlugen sich die physischen Buchläden im Geschäftsjahr 2012/13 (das am 27. April endete) gut. Auch wenn die Umsätze über das Jahr um 5,9 Prozent sanken, sorgten sie immer noch für Einnahmen in Höhe von 4,6 Milliarden Dollar – und, was am Wichtigsten ist, – für einen Gewinn von 374 Millionen Dollar, 16 Prozent mehr als im vorherigen Geschäftsjahr.

Auf der Ebene der Buchläden hat B & N vom Fehlen eines einzigen großen Wettbewerbers im physischen Buchhandel profitiert (seit dem Ende von Borders im Jahr 2011) und verlässt sich weit weniger auf hohe Rabatte (es gibt keine festen Buchpreise in den USA), die die Gewinnspanne bei Büchern aufzehren. Das Unternehmen baut zudem weiterhin seine Auswahl an profitableren Non-Book-Artikeln, etwa Computerspielen und Spielzeug, aus. Von größter Bedeutung ist vielleicht, dass B & N gewissenhaft genug war, unprofitable Standorte zu schließen – zehn Läden pro Jahr in den vergangenen Jahren. Heute schreiben 95 Prozent der Standorte schwarze Zahlen.

Bezogen auf Amazon, könnte B & N Grund verlieren – sowohl beim Umsatz mit physischen als auch mit elektronischen Büchern. Aber B & N hat Amazon auf einem sehr wichtigen Gebiet geschlagen: bei den Lehrbüchern. Die oben erwähnten 700 Universitätsbuchhandlungen erzielen jedes Jahr mit Lehrbüchern verlässliche Einkünfte. Lehrbücher, die wesentlich höher bepreist werden als Publikumstitel und viel geringer rabattiert werden, sind ein signifikantes Feld, auf dem Amazon verunsichert zu sein scheint.

Schaut man ein Jahr voraus, ist die Zukunft unklar. Len Riggio könnte ein Angebot unterbreiten, B & N zu kaufen, aber das hängt von den Marktbedingungen ab; 2013 hat den Buchhandelskunden bisher noch keinen "Monster"-Bestseller wie "Fifty Shades of Grey" beschert, so dass die Umsätze fallen könnten.

Die Nook Plattform, die für sich rentabel ist, wird vermutlich weiterhin ein wichtiger Teil des Ökosystems von B & N bleiben: Microsoft hat zugesagt, in den nächsten fünf Jahren weitere 155 Millionen Dollar in den Nook zu investieren – sicherlich genug Geld, um die Plattform aufrechtzuerhalten. Ob man weiter E-Reader produzieren wird, steht in den Sternen. White-Box-Geräte, die mit der Marke B & N "gebrandet" werden könnten, sind leicht über dritte Lieferanten zu beziehen. Aber man sollte mehr Verbindungen und Anreize schaffen, damit Nook-Besitzer – die nicht regelmäßig in Buchläden gehen – die physischen Standorte besuchen (was B & N in der Vergangenheit versäumt hat).

Was Amazon betrifft: Solange B & N an seinem Geschäft mit den Uni-Buchhandlungen festhält und es weiterentwickelt, wird es eine sichere Grundlage dafür haben, die Sparte der Publikumsbuchhandlungen zu erhalten – obwohl zu erwarten ist, dass die Zahl der Läden reduziert wird und teure Mietverträge beendet werden (man darf nicht vergessen, dass Bücherverkaufen ebensogut ein Immobilien- wie ein Buchhandelsgeschäft ist). Auch wenn das Unternehmen schrumpfen wird, dürfte es sich für eine "Deluxe"-Einkaufserfahrung entscheiden, seinen Kundenservice verbessern und eine sorgfältigere Auswahl von Titeln vornehmen – ähnlich wie der unabhängige Buchhandel, der – mit dem Ausfall von Borders und durch B & N’s Fokussierung auf E-Books – in den vergangenen Jahren in den USA ein überraschendes Comeback erlebt hat.

Ed Nawotka ist Chefredakteur des Online-Magazins "Publishing Perspectives".