Suhrkamp-Insolvenzplan: Interview mit Frank Kebekus

"Wir greifen in die Rechte beider Gesellschafter ein"

28. August 2013
von Börsenblatt
Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg prüft immer noch den Insolvenzplan des Suhrkamp Verlags. Durch gezielte Indiskretionen sind bereits Details an die Öffentlichkeit gelangt. boersenblatt.net hat mit dem Generalbevollmächtigten des Suhrkamp Verlags, dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Frank Kebekus, über die Kernpunkte des Plans und die Folgen einer Umwandlung der Suhrkamp KG in eine Aktiengesellschaft gesprochen.

Sie haben sich zuversichtlich gezeigt, dass der Insolvenzplan für den Suhrkamp Verlag ohne Beanstandungen das Prüfverfahren durchläuft. Befürchten Sie nicht, dass sich die Rechtsauffassung der Frankfurter Richter, die Insolvenzgründe seien konstruiert, in irgendeiner Form auf das Insolvenzverfahren in Berlin auswirken könnte?
Nein, das sind zwei völlig verschiedene Verfahren. In Frankfurt geht es um Rechtsstreite zwischen den Gesellschaftern, während wir es in Berlin mit dem Insolvenzverfahren für das Unternehmen zu tun haben. Das ist schon einmal rechtlich eine andere Geschichte. Das Insolvenzverfahren wird vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg professionell geführt, und ich gehe davon aus, dass der Insolvenzplan auch in dieser Woche die richterliche Prüfung passiert. Mit der Frankfurter Entscheidung hat dies nichts zu tun. Im Übrigen verlangt das Gesetz für den Insolvenzplan gar keine formelle Zulassung: In dem Augenblick, in dem das Gericht den Plan an die Gläubiger, die Gesellschafter und alle übrigen Beteiligten schickt, gilt der Plan als zugelassen.

Es gibt aber wohl die Möglichkeit des Einspruchs – wenn das Gericht den Plan zurückweist …
Das wird nicht passieren. Ich gehe davon aus, dass das jetzt in dieser Woche vollzogen wird.

Die Richterin in Frankfurt hat aber einen kausalen Zusammenhang zwischen den Dividendenforderungen und dem Insolvenzverfahren hergestellt.
Dass das alles wirtschaftlich hineinspielt, ist sicher so. Wenn ein Frankfurter Gericht eine einstweilige Verfügung erlässt, aufgrund derer die Familienstiftung als Gesellschafter verpflichtet wird, im Insolvenzverfahren bestimmte Maßnahmen zu ergreifen – im konkreten Fall also zu stunden und Rangrücktritte zu erklären - , dann wird dadurch natürlich schon eine gewisse Verbindung hergestellt. Was da in Frankfurt entschieden wurde, ist jedenfalls in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

Inwiefern? Oder wollen Sie lieber keine Richterschelte üben?
Wie man da dem vom Gericht bestellten unabhängigen Insolvenzgutachter Rolf Rattunde unterstellt, Sinn des Gutachtens sei es nur, den Mitgesellschafter maximal zu schwächen, ist geradezu absurd. Entweder konnte oder wollte man sich mit den insolvenzrechtlichen Gründen nicht auseinandersetzen. Damit wurde meiner Ansicht nach extrem unprofessionell umgegangen.

Die Öffentlichkeit interessieren nun natürlich die Stoßrichtung und die Details des Insolvenzplans. Das "Investigativteam" der "Welt" hat in zwei Artikeln bereits Einzelheiten des Insolvenzplans veröffentlicht und sogar ein Schreiben der Familie Ströher an den Suhrkamp Verlag online gestellt. Was sind denn die Kernpunkte des Insolvenzplans, und was bedeutet de facto für die bisherigen Gesellschafter die Umwandlung der bisherigen Verlags-KG in eine Aktiengesellschaft? Da wird ja auch eine Neubewertung der Anteile vorgenommen, es müssten beide Seiten auf Dividendenforderungen verzichten – und schließlich müssten sämtliche Assets des Verlags unter insolvenzrechtlichen wie steuerrechtlichen Aspekten neu bewertet werden.
Der Plan enthält grundsätzlich zwei Handlungsstränge: Der gestaltende Teil des Plans sieht vor, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die Insolvenzgründe zu beseitigen – also die Überschuldung und die Zahlungsfähigkeit …

Eine kurze Zwischenfrage, bevor sie fortfahren: Sind es allein die Gewinnforderungen der Gesellschafter, die die Insolvenz herbeigeführt haben, oder hat der Verlag nicht tatsächlich ein dickes Minus in der Kasse?
Nein, es sind nicht nur die Gewinnforderungen. Der Insolvenzgutachter hat festgestellt, dass auch ohne Berücksichtigung der Gewinnforderung seitens der Familienstiftung trotzdem die Insolvenzgründe der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit vorlagen.

In Höhe von drei Millionen Euro, wie Geschäftsführer Jonathan Landgrebe laut Medienberichten in einer eidesstattlichen Versicherung angegeben habe …
Dazu kann ich mich jetzt nicht äußern. Aber abstrakt ist es so: Wenn sie die Forderung der Familienstiftung außen vor lassen – die Forderung der Medienholding war ja schon zuvor durch Rangrücktritt gestundet - , selbst dann liegt der Insolvenzgrund der Überschuldung vor.

Das nimmt ja der Argumentation des Frankfurter Gerichts den Wind aus den Segeln …
Das Problem ist nur, dass das Gericht dies nicht verstehen wollte. Der von mir geschilderte Sachverhalt wurde dem Frankfurter Gericht vom Anwalt der Familienstiftung in extenso vorgetragen. Nach meinem Dafürhalten hätte es gar keine EV geben dürfen, denn den Zweck, die Insolvenzgründe zu beseitigen, kann sie gar nicht erfüllen – weil die Basis, das Entfallen des Insolvenzgrunds – gar nicht gegeben ist.

Zurück zum Insolvenzplan …
Der zweite Handlungsstrang ist, wie bekannt, der Rechtsformwechsel von der Suhrkamp KG zur Aktiengesellschaft. Für die Rolle der Gesellschafter bedeutet dies zunächst keine Veränderung. Die immer wieder zu hörende Behauptung, der Rechtsformwechsel diene nur dazu, die Medienholding "hinauszudrängen", ist blödsinnig. Es war nie vorgesehen und ist auch im Insolvenzplan nicht so dargestellt, sondern die Anteile der Gesellschafter – 39 Prozent Medienholding, 61 Prozent Familienstiftung – werden eins zu eins in Aktienkapital konvertiert.

Es sei denn, der Verlag würde sagen: Wir wollen die SFO GmbH der Familie Ströher als Gesellschafter aufnehmen und eine Kapitalerhöhung vornehmen …
Es ist ein zweites gesellschaftsrechtliches Element vorgesehen – das sogenannte genehmigte Kapital. Wenn jetzt die Familie Ströher sagen würde, wir nehmen das Kapital, dann würde dies nicht einseitig einen Gesellschafter treffen, sondern pari pari beide.

Aber der Anteil des Minderheitsgesellschafters würde ja dadurch schrumpfen.
Der des Hauptgesellschafters aber auch. Man muss immer sehen: Natürlich greifen wir in die Rechte der Gesellschafter ein. Ich habe nie das Gegenteil behauptet. Was aber eine völlige Schieflage – in der Berichterstattung der "Welt" wie anderer Medien – ist, ist die Behauptung, es werde einseitig und ausschließlich zuungunsten des Minderheitsgesellschafters eingegriffen. Das ist Unsinn. Was wir machen, machen wir immer eins zu eins gleich. Beide verlieren ihre Anteile bei der KG, und beide bekommen in identischer Höhe Shares bei der Aktiengesellschaft. Und wenn dann die SFO GmbH Anteile zeichnet, geht auch dies zu Lasten beider Gesellschafter.

In bezug auf die Unternehmensanteile bleibt die Rechtsstellung gleich, aber bei den Mitspracherechten gibt es doch eine Veränderung?
Das ist durch die Satzung der AG bedingt, die wir entworfen haben, und die sich sehr nah dem Standard von Aktiengesellschaften annähert. Das operative Geschäft bei einer AG ist aber ein anderes als bei einer Kommanditgesellschaft.

Die Gesellschafter würden aber gewisse Mitspracherechte verlieren...
Die Satzung begrenzt die unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten beider Gesellschafter. Die Einwirkungs- und Blockademöglichkeiten der Gesellschafter, das Hereintragen von Streitigkeiten in das operative Tagesgeschäft – das ist dann vorbei.

Wie soll es aber durch den Insolvenzplan gelingen, die Gründe, die zur Überschuldung geführt haben, zu beseitigen? Der Verlag müsste doch in den Stand versetzt werden, auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens kostendeckend und ohne erneutes Verschuldungsrisiko zu arbeiten …
Der Insolvenzplan sieht zum einen vor, dass die Überschuldung durch Verzicht der Gesellschafter auf ihre Gewinnforderungen beseitigt wird. Die Verschuldung, die jenseits der Überschuldung durch die Gesellschafterforderungen eingetreten ist, ist zu überwinden. Das heißt, da bestehen Möglichkeiten, betriebswirtschaftlich darauf einzuwirken, damit das besser wird. Dazu sind auch entsprechende Maßnahmen im Insolvenzplan vorgesehen, damit man jenseits der großen Forderungen – 5,8 Millionen seitens der Familienstiftung, 2,2 Millionen seitens der Medienholding – eingreifen kann. Nach Umsetzung des Insolvenzplans wird der Verlag auch wieder über Kreditlinien bei Banken verfügen und Immobilien mit Hypotheken belasten können, um weitere Kredite zu erhalten – was wegen des Gesellschafterstreits bisher blockiert war. Dadurch würde auch die dauerhafte Zahlungsfähigkeit wiederhergestellt.

Betriebswirtschaftliche Maßnahmen – das klingt sehr abstrakt. In der Praxis bedeutet das: Kostensparen – Sachkosten, aber auch Personal. Wird es Stellenstreichungen geben?
Nein, das habe ich auch gegenüber dem Betriebsrat bekräftigt. Derzeit sind keine Personalmaßnahmen beabsichtigt. Die Überschuldung ist ja insolvenzrechtlich nur dann relevant, wenn es keine Fortführungsprognose für das Unternehmen gibt. Und die konnte angesichts des Gesellschafterstreits, der alle Maßnahmen zur Finanzierung blockiert hat, nicht bestätigt werden. Mit der Annahme des Insolvenzplans fiele die Fortführungsprognose wieder positiv aus. Insolvenzrechtlich wäre es dann sogar irrelevant, ob noch eine leichte Verschuldung vorliegt oder nicht.

Aber würde durch die Hereinnahme eines neuen Teilhabers wie der SFO GmbH der Familie Ströher nicht auch dringend benötigtes Investivkapital in den Verlag fließen?
Absolut. Wenn signifikante Beträge über die Zeichnung des genehmigten Kapitals in den Verlag fließen würden, wäre das sowohl für die Bilanz als auch für die Liquidität eine große Hilfe. Und diese Mittel könnten auch in die Weiterentwicklung des Verlags und in neue Produkte fließen. Doch selbst wenn dies nicht geschähe, würde 2014 trotzdem keine größere Problematik entstehen.

Hat die von Hans Barlach angekündigte Verfassungsklage gegen die Insolvenzordnung und das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) in Karlsruhe eine Chance?
Zu Herrn Barlach will ich mich nicht äußern. Ich bin aber überzeugt davon, dass das ESUG verfassungsgemäß ist. Meines Wissens ist bisher in Karlsruhe auch noch keine Klage eingegangen.

Hier geht es zu unserem Suhrkamp-Dossier.