Aus dem Arbeitsbericht der Preisbindungstreuhänder

Kritik am digitalen Preismarketing

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Die Preisbindung für gedruckte Bücher ist überaus stabil - doch auf dem jungen E-Book-Markt gibt es Irritationen: Dieses Fazit ziehen die Preisbindungstreuhänder der Verlage in ihrem aktuellen Arbeitsbericht, der unter anderem zeitlich begrenzte Preisaktionen für E-Books moniert.

Die guten Nachrichten stellen Dieter Wallenfels und Christian Russ an den Anfang ihrer jährlichen Bilanz. Dazu gehört vor der Bundestagswahl ein Blick nach Berlin:

  • Politiker aller Parteien - die Piraten ausgenommen - würden immer wieder die Wichtigkeit der Buchpreisbindung betonen, so die Preisbindungstreuhänder in ihrem Bericht zur Lage.
  • Auch in den Wahlprogrammen der großen Parteien werde der gebundene Ladenpreis als unverzichtbar für die einzigartige Buchkultur in Deutschland bezeichnet.
  • Die Rechtsprechung stärke der Preisbindung ebenfalls den Rücken: Der feste Ladenpreis werde durch aktuelle gerichtliche Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung vor Umgehungsversuchen geschützt.

Die beiden Rechtsanwälte verweisen dabei auf die Urteile dreier Oberlandesgerichte zum Thema drittfinanzierte Gutscheine (Bamberg, Frankfurt am Main und Hamburg). Ihre Schlussfolgerung aus der Zusammenschau der Richtersprüche: "Auch die ausgeklügelsten juristischen Konstruktionen müssen sich ihre rechtliche Überprüfung unter dem schlichten Gesichtspunkt gefallen lassen: Wie wirken solche Aktionen aus der Sicht des Kunden?".

Kurzum: Dank des Gesetzgebers und der erstrittenen Gerichtsurteile ist es um die Preisbindung im Printbereich ruhig geworden. Der junge E-Book-Markt dagegen erlebt nach Beobachtung der Preisbindungstreuhänder die gleichen Irritationen, wie sie der Markt für gedruckte Bücher in den 60er Jahren erfahren habe, als die Preisbindung via Sammelrevers eingeführt wurde.

Dass auch E-Books der gesetzlichen Preisbindung unterliegen, sei zwar immer noch nicht gerichtlich untermauert, aber "nahezu unumstritten", so Wallenfels und Russ. Fraglich ist für die Preisbindungstreuhänder allerdings, "ob manches, was im digitalen Bereich technisch möglich ist, mit dem Wesen der Preisbindung in Einklang steht".

Problematische Preisaktionen

Dazu gehören zeitglich begrenzte Preisaktionen, die von den Preisbindungstreuhändern zumindest als "problematisch" eingestuft werden. Schließlich sei die Preisstabilität ein wichtiges Element der Preisbindung: "Ein Preismarketing bis hin zu der schon wettbewerbsrechtlich unzulässigen, zur Verunsicherung der Marktteilnehmer über den tatsächlich maßgebenden Preis führenden "Preisschaukelei" ist dem Wesen der Preisbindung fremd".

Wie gefährlich solche Preisaktionen seien, zeige die Amazon-Werbung mit 50-prozentiger Preisermäßigung beim "Kindle Deal der Woche", heißt es im Arbeitsbericht: "Nicht wenige Buchkäufer glauben irrtümlich, solche preisgünstigen E-Books gebe es nur bei Amazon", schreiben die beiden Rechtsanwälte. "Die Verlage sind gut beraten, mit solchen Preisaktionen, die der Handel überwiegend ablehnt, sehr vorsichtig umzugehen".

Kritische Anmerkungen machen die Preisbindungstreuhänder auch zum grenzüberschreitenden Verkauf von E-Books. "Trotz der Bekenntnisse der Politik zur Buchpreisbindung, auch zu jener für E-Books, ist es bisher nicht gelungen, die gesetzliche Regelung dahingehend klarzustellen, dass auch im grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Europäischen Union E-Books nur zum festgesetzten Preis verkauft werden dürfen".

Widerstand gegen eine Präzisierung des Gesetzes gebe es aus dem Wirtschaftsministerium, berichten Wallenfels und Russ. Die Begründung aus Berlin: Das Thema berühre schwierige EU-rechtliche Fragen und man wolle zunächst abwarten, ob die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich einleite. Die Nachbarn haben eine grenzüberschreitende Preisbindung auch für E-Books Ende 2011 ins Gesetz aufgenommen.

Allein drei laufende Verfahren gegen Amazon

In ihrem Arbeitsbericht gehen die Preisbindungstreuhänder außerdem noch auf zulässige und unzulässige Modelle für Gutscheine und Gewinnspiele ein, auf die Ausschreibungspraxis beim Schulbuch und auf laufende Gerichtsverfahren zur Sicherung der Preisbindung. Allein drei davon betreffen Amazon:

  • Vor dem Landgericht Berlin läuft ein Grundsatzprozess, bei dem es um das Affiliate-Programm von Amazon geht. Der Online-Händler hatte damit geworben,bei der Schulbuchbestellung von Eltern eine am Umsatz orientierte Spende an den Förderverein der entsprechenden Schule zu zahlen - was die Preisbindungstreuhänder für unzulässig halten.
  • Ein Verfahren, das nun vor dem Oberlandesgericht Frankfurt in die Berufung geht, bezieht sich auf eine Gebrauchtbuchaktion bei Amazons "Trade-In-Programm", die mit der Ausgabe von Gutscheinen verbunden wurde.
  • Das dritte Verfahren (Landgericht Wiesbaden) bezieht sich auf einen klassischen Preisbindungsverstoß: Ein Käufer hatte auf Amazons Marketplace bei einem Drittanbieter ein neues Buch bestellt - und beschwerte sich später bei Amazon über den betreffenden Händler. Um den Kunden zu beruhigen, schickte Amazon das Buch direkt und mit einem kräftigen Preisnachlass. Amazon wurde von den Preisbindungstreuhändern abgemahnt, weigerte sich jedoch, eine Unterlassungserklärung abzugeben.