13. Internationales Literaturfestival Berlin ilb

Ein Ort der freien Worte

6. Juli 2015
von Holger Heimann
Am Mittwoch Abend wurde das Internationale Literaturfestival Berlin eröffnet - zum 13. Male. Mit 164 Autoren aus 47 Ländern widmet sich das Festival den großen politischen Themen der Länder - und der Rolle von Literatur und Autoren.

Auf der Bühne neben dem Rednerpult zwei leere Stühle. Platz genommen hat dort gestern Abend niemand bei der Eröffnung des 13. Internationalen Literaturfestivals Berlin (kurz: ilb) im Haus der Berliner Festspiele. Sie blieben unbesetzt, doch zufällig standen sie nicht da; ganz im Gegenteil. „Wir hätten gern Julian Assange und Edward Snowden zu Gast. Aber aus bekannten Gründen ist das unmöglich“, sagte Festivaldirektor Ulrich Schreiber. „Liebesgrüße“ schickte Schreiber nach London und Moskau, dorthin also, wo Assange und Snowden festsitzen. Er hoffe, dass sie einmal Platz nehmen könnten auf der Bühne in Berlin. Im Foyer lag passenderweise der Offene Brief der Schriftstellerin Juli Zeh an die Bundeskanzlerin zur Unterschrift aus, in dem sie Aufklärung in der Ausspähaffäre verlangt. 50.000 Unterschriften gibt es bislang und an diesem Abend kamen einige hinzu.

Das Bühnenbild wie der Offene Brief sind durchaus sinnbildlich für die Programmatik eines Festivals, das seit je klare Worte und Positionen nicht scheut. Für den chinesischen Autor und Friedenspreisträger Liao Yiwu hatte das ilb eine weltweite Lesung organisiert, nachdem der Kritiker der Politik seines Heimatlandes nach langjähriger Haft erstmals aus China ausreisen durfte. Seine Rede zur Eröffnung des Festivals im Vorjahr wurde begleitet von einer Ausstellung über sichtbare und unsichtbare Gefängnisse.

Gestern nun saß Liao Yiwu im Publikum. Am Rednerpult stand diesmal die Autorin Taiye Selasi, die im Frühjahr mit dem Roman „Diese Dinge geschehen nicht einfach so“ (S. Fischer) debütierte und bekannt wurde. Grundiert von eigenen Erfahrungen erzählt sie darin von einer Familie mit afrikanischen Wurzeln, die sich an der amerikanischen Ostküste niedergelassen hat, die qua Herkunft jedoch nirgendwo heimisch ist. Das Thema der Herkunft griff die in Rom lebende Autoren nun beim „internationalsten aller internationalen Literaturfestivals“ (Schreiber) auf andere Weise erneut auf. Unter der Überschrift „Afrikanische Literatur gibt es nicht“ plädierte Selasi für eine größere Genauigkeit und die Abkehr von Schablonen. Niemand spreche von europäischer oder asiatischer Literatur. Doch auch Staaten sind für sie allenfalls suspekte Kategorien für die Einteilung von Kunst. Das Dilemma, das sich für Buchhändler daraus ergeben mag, sieht Selasi sehr wohl und fragt: „Wäre es nicht toll, wenn wir Literatur nicht nach Ländern, sondern nach dem Inhalt kategorisieren würden: die Liebesgeschichte, der Großstadtroman, der Roman des Nationalstaats, der Kriegsroman, der Bildungsroman?“ Ihr eigenes Buch empfahl sie unter der Rubrik „Dysfunktionale Familien“ einzusortieren, gemeinsam etwa mit Jonathan Franzens „Korrekturen“ und Thomas Manns „Buddenbrooks“.

Ob Selasi recht hat, wenn sie dem kulturellen Hintergrund eines Autors und dem Entstehungsort eines literarischen Werkes keinen maßgeblichen Einfluss auf dessen Beschaffenheit zubilligt, sei dahingestellt. Ihrem abschließenden Urteil wird kaum zu widersprechen sein: Letztlich gäbe es ohnehin nur zwei Arten von Literatur – gute und schlechte.

Das Literaturfestival dauert noch bis zum 15. September an. Das Programm bietet viele Lesungen, Diskussionen, literararische Konzerte von Autoren wie Daniel Kehlmann, Cornelia Funke, J.M. Coetzee, Bora Cosic und vielen weiteren. Zusätzlich: Ausstellungen und Filme.