Aber mit „Staatsakt“ lag die Zeitung dennoch nicht daneben, immerhin hielt der oberste Repräsentant eines Staatsorgans die erste von zwei Festansprachen. Bereits im zarten Alter von fünf Jahren, so erzählte Andreas Voßkuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sei er am Schreibtisch seines Vaters, eines Verwaltungsjuristen, mit einem Produkt aus dem Hause Beck in Berührung gekommen. Es habe sich um ein dickes, gesangbuchartiges Druckwerk gehandelt, das ihm, dem sehr frühen Nachwuchsjuristen, vor allem wegen eines „wunderschönen blauen Stoffumschlags“ in Erinnerung geblieben sei, eines Umschlags, den seine Mutter eigens für das Buch genäht habe. „Später identifizierte ich es als den ,Schönfelder‘“, einen Klassiker unter den Gesetzessammlungen.
Voßkuhle berichtete, wie er dann viele Jahre später selbst Beck-Autor geworden ist „und einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner Lebenszeit darauf verwendete, Seiten juristischer Lehrbücher, Kommentare, Handbücher und Zeitschriften aus dem Beck-Verlag zu füllen“. Auch Deutschlands oberster Verfassungsrichter führt also, wie so viele seiner Kollegen, „ein Leben unter dem Zeichen des Greifen“, jenes mythologischen Mischwesens im Beckschen Wappen, das der Überlieferung nach ja ein Tier von scharfer Klugheit und Weitsicht gewesen sein muss.
Der Überlieferung und Weitergabe war ebenfalls ein Gedanke im zweiten Festvortrag gewidmet, für den der Präsident der Freien Universität Berlin, Peter-André Alt, gewonnen worden war. Der Literaturwissenschaftler kam auf das erste Buch des Verlags zu sprechen, die 1764 erschienene „Vorläufige Einleitung zu der ganzen in Deutschland üblichen Rechtsgelehrsamkeit“ von Heinrich Christian Freiherr von Senckenberg. Darin gibt der Autor gleich zu Beginn Auskunft über den Entstehungszusammenhang seines Werkes, nämlich die Arbeit an einem „Lehrgebäude, welches ich zum Dienste meines ältesten Sohnes, Renat Leopold Christian Carl, der gegenwärtig etwas über eilf Jahre alt ist, mit Zeit und Muße auszuführen gedenke. Ich habe ihm in dem besagten eilften Jahre seines Alters die ganze Rechtsgelehrsamkeit schon einmal erkläret, und werde damit, wann Gott mir und ihm das Leben fristet, fortfahren. (…) Ein junger Mensch kann vieles begreifen, wann man seinen schwachen Gemüthskräfften auf behörige Weise zu Hülfe kommet.“ Das passe doch gut zu einem Familienunternehmen, befand der Hochschullehrer Alt und ließ sich die Pointe nicht entgehen, dass Beck den damaligen Senckenbergschen Gedanken ja gerade glücklich aktualisiert habe: durch Nicola Lindners Einführungsbuch „Jura für Kids“.
Dann ging in Bogenhausen alles, was Rang und Namen hat in der Jurisprudenz und im Geistesleben, ein Vierteljahrtausend Beck feiern auf der sonnigen Terrasse und im Garten des Prinzregententheaters.