Zukunftskonferenz 2013

Zeit des Ausprobierens

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Zur zweiten Halbzeit der Zukunftskonferenz 2013 stand am heutigen Freitag das Jahr 2020 im Mittelpunkt. Entlang zweier Leitfragen versuchten die rund 120 Teilnehmer zu erkunden, wohin sich der Buchhandel und seine Kunden in den nächsten sieben Jahren entwickeln werden.

Die beiden Fragen lauteten: Welche Bedürfnisse und Einstellungen werden dann die Konsumwünsche und das Beschaffungsverhalten am stärksten beeinflussen? Und was müssen Verlage und Buchhandlungen tun, um die künftigen Bedürfnisse der Kunden befriedigen zu können?

Zur Einstimmung hielt gleich morgens in der Mensa des Mediacampus Frankfurt der Unternehmer, Gründer und „Business Angel" Carsten Linz einen als Weckruf annoncierten (und auch so wirkenden) Impulsvortrag. Linz' Analyse zufolge hat die Buchbranche – wie viele andere Traditionsbranchen auch – hohe Expertise darin, „die Dinge richtig zu machen"; gefordert hingegen sei in der aktuellen Phase eines massiven Strukturbruchs eine wesentlich andere Begabung, nämlich: „die richtigen Dinge zu machen".

Während ersteres eine Domäne kompetenten Managements und gesicherten Handwerks sei, erfordere das Finden der „richtigen Dinge" unternehmerisches Verhalten, den Sinn fürs Ausprobieren, für das „Ausschließen falscher Wege". Linz empfahl der Branche einen Werbetext von Eastpack als Sinnspruch: „When was the last time you did something for the first time?" In der Umstellung auf vollkommen Neues, so der Innovationsmanager, liege aber auch ein heikles Moment. Einem Entscheider, der sich darin eingerichtet habe, in seinem Unternehmen heute die falschen Dinge richtig gut zu machen, falle es besonders schwer, auf die richtigen Dinge umzuschalten, die er dann anfangs wahrscheinlich weniger gut machen würde.

Gleichwohl emunterte Linz zur mutigen Erkundung. Pourquoi-Pas sei nicht nur die französische Version der Frage „Warum nicht?", sondern auch der Name eines alten Expeditionsschiffs, mit dem der Seefahrer Jean-Baptiste Charcot die Arktis erkundete. Ein prima Motto-Name für Erkundungsreisen! Der Referent war allerdings ehrlich genug zu erwähnen, dass Charcot samt seiner Pourquoi-Pas in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor der Küste Islands havarierte und bei der Gelegenheit zu Tode kam.

Sofort war die Dialektik von Chance und Risiko vorzüglich wiederhergestellt, und derart präkonfiguriert widmeten sich die Konferenzteilnehmer in ihren Arbeitsgruppen den oben erwähnten Fragen. Zu den wichtigsten Ergebnissen bzw. Erwartungen, die in den Diskussionen formuliert wurden (der Börsenverein wird sie in den nächsten Tagen ausführlich dokumentieren und Mitte nächster Woche im Internet zur Verfügung stellen) gehören diese:

Buchhandel und Verlage müssen sich künftig stärker als Marke profilieren und präsentieren.Kunden wollen mit hoch individuellen, passenden Informationen versorgt werden.Deshalb ist es wichtig, möglichst viele Daten über den Kunden zu sammeln und zu bevorraten (Customer Relationship Management).Der Bedarf an Orientierung und Rückbesinnung wird stark zunehmen; ihn zu decken, wird eine Schlüsselrolle für die Buchbranche sein.Buchhandel und Verlage müssen sich verstärkt auf Kooperationen mit branchenfremden Partnern einlassen.Erlebniswelten zu schaffen wird immer bedeutsamer – gerade auch im Wettbewerb zu anderen erlebnisstarken Unterhaltungsangeboten außerhalb der Buchbranche.Nicht alles wird jünger, schneller, digitaler: 2020 gehen die Babyboomer in den Ruhestand und haben mit ihrer Kaufkraft und ihren Bedürfnissen große Bedeutung für den Handel.Als Gegenbewegung zur digitalen Vernetzung der Menschen wird ein „Hunger nach echter Begegnung" entstehen, was neue Gelegenheiten zur Kundenbindung insbesondere für das stationäre Sortiment mit sich bringen wird.

Kritisch wurde aus mehreren Arbeitsgruppen angemerkt, dass die Leitfragen der Konferenz nicht für alle der vorgegebenen Warengruppen – etwa das Fach- oder das Schulbuch – in gleicher Weise sinnvoll zu bearbeiten gewesen seien. Als ein mögliches Thema der nächsten Zukunftskonferenz zeichnete sich in den Diskussionen die Frage nach einer besseren „Bündelung der Kräfte" ab: Wie können Verlage, Buchhändler und Zwischenhändler noch intensiver und intelligenter zusammenarbeiten, damit auch in digitaler Zukunft „das Buch den Weg zum Kunden nimmt" – wie es im Titel der diesjährigen Zukunftskonferenz geheißen hat.