Die Sonntagsfrage

Was ist der Hintergrund Ihrer Marketingkampagne für Zuwanderer, Frau Tobias?

15. September 2013
von Börsenblatt
„Willkommen in Deutschland“ – mit Bannern auf Bussen und Straßenbahnen wirbt der Hueber Verlag gleichermaßen für seine Deutschlernbücher und Grammatiken wie für den lokalen Buchhandel. Marketingchefin Sylvia Tobias erklärt, warum das Sortiment genau jetzt mit dem mitunter als schwierig empfundenen Segment Deutsch als Fremdsprache gutes Geld verdienen kann.

Die Goethe-Institute in Südeuropa verzeichnen eine Steigerung der Deutschlerner um 6 Prozent auf fast 200.000, in Deutschland sogar um 17 Prozent. Viele dieser Kursteilnehmer kommen auf der Suche nach Arbeit zu uns nach Deutschland und wollen hier weiterlernen. Im Verlag beobachten wir natürlich aufmerksam, wie sich die Zuwanderung entwickelt - derzeit ist sie auf einem Rekordniveau. Neu ist vor allem das Ausmaß, in dem Leute aus Südeuropa vor der Schuldenkrise nach Deutschland fliehen, vor allem aus Spanien, Griechenland und Italien. Deren Zahl stieg 2012 um mehr als 40 Prozent. Wir sind hier also die Krisengewinner. Aus den Volkshochschulen hören wir, dass die Integrationskurse ganz anders besetzt sind als in den letzten Jahren: Der Anteil der Fachkräfte und Akademiker hat sich explosionsartig vergrößert. Die Lerngewohnten benötigen ganz anderes Lehrmaterial und suchen zusätzlich Bücher, die sie zuhause nutzen können. Sie sind Buchhandelskunden. Auch an unseren Verkaufszahlen lässt sich dieser Wandel ablesen. Per Ende August lag der Umsatz Deutsch als Fremdsprache / Deutsch als Zweitsprache laut GfK um 20 Prozent über dem Vergleichszeitraum 2012.

Wie wir auf die Kampagne „Willkommen in Deutschland!" gekommen sind? Dem Hueber Verlag ist es ein großes Anliegen, in enger Zusammenarbeit mit dem Buchhandel die neue Zielgruppe der gut gebildeten Zuwanderer zu gewinnen. Ziel ist es, dass die Zuwanderer ihre Materialien für beispielsweise bevorstehende Deutschprüfungen nicht nur via Amazon bestellen, sondern auf den lokalen Buchhandel setzen. Dazu müssen die Kunden aber erst einmal darauf kommen, dass es in ihrer neuen Stadt, die sie noch nicht kennen, auch eine gut sortierte Buchhandlung gibt. Es gibt außerdem eine Hemmeschwelle: Viele Zuwanderer fühlen sich nicht erwünscht, sprachliche und kulturelle Unterschiede spielen dabei eine große Rolle. Wer die Sprache beherrscht, kann sich viel schneller integrieren. Also haben wir uns gesagt, dass man nicht nur am Point of Sale werben muss, sondern die Zuwanderer auch außerhalb der institutionellen Bereiche ansprechen muss. Wir setzen bewusst nicht auf Endkundenmarketing, sondern laden den lokalen Buchhandel ein. Unsere Werbeplakate, die die Einwanderer willkommen heißen, enthalten alle das CI der beteiligten Buchhändler und weisen auch via QR-Code den Weg zum beteiligten Buchladen.

Natürlich ist es so, dass nicht jeder Standort vom Zuwachs in den Bereichen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache gleichermaßen profitiert. Wir raten Buchhändlern darum, Kontakt zu den Volkshochschulen, privaten Sprachenschulen oder Goethe-Instituten vor Ort zu knüpfen und sich die Zahlen des Statistischen Bundesamts anzusehen, das die Zuwanderung auch für einzelne Regionen misst. Gerne stehen wir dem Buchhandel mit Rat und Tat zur Seite.

Das Interesse des Hueber Verlags für das Thema ist natürlich auch historisch bedingt: 1955 war Hueber der erste Verlag, der Titel zum Thema Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache auf den Markt brachte. Keiner hat damals geglaubt, dass das funktionieren kann. Die Mitbewerber kamen erst lange später hinzu – die Breite und Tiefe unseres Angebots hat uns zum Weltmarktführer in diesem Bereich gemacht. Der Bereich liegt uns am Herzen uns ist das Kernsegment unseres Verlagsprogramms.