Preisbindungsurteil in Österreich

Oberster Gerichtshof winkt Thalias Gutscheine durch

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Thalia darf in Österreich mit Rabattgutscheinen für den Online-Buchverkauf werben und Bücher bis zu 25 Prozent billiger anbieten - sofern die Online-Bestellung durch den deutschen Thalia-Partner buch.de abgewickelt wird. Das hat der Oberste Gerichtshof in Wien nach einem zweijährigen Rechtsstreit entschieden. Update: Stellungnahme des Börsenvereins.

Damit bekommt eine alte Preisbindungsdebatte neue Nahrung – die Frage des grenzüberschreitenden Buchhandels innerhalb der EU. Zum Hintergrund: Die österreichische Thalia-Tochter hatte 2010 und 2011 Gutscheine online und in den Läden vertrieben, die den Kunden beim Online-Einkauf über thalia.at Rabatt einräumten (fünf Euro ab einem Bestellwert von 20 Euro, zehn Euro ab einem Bestellwert von 40 Euro). Abgewickelt wurden die Online-Einkäufe über den deutschen Partner buch.de, ebenfalls ein Thalia-Ableger. Gültig waren die Gutscheine nur für Einkäufe, die direkt nach Hause geliefert wurden, beides war auf den Bons vermerkt.

Der Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich ging gerichtlich gegen die Rabattgutscheine vor. Das Preisbindungsgesetz in Österreich gewährt Händlern lediglich einen Rabattspielraum von fünf Prozent. Trotzdem war das Gutscheingeschäft aus Sicht des Obersten Gerichtshofs in Wien kein Gesetzesverstoß. Schließlich heiße es im österreichischen Preisbindungsgesetz in Anlehnung an den EG-Vertrag ausdrücklich, dass der feste Ladenpreis für Verlag, Import und Handel mit deutschsprachigen Büchern und Musikalien gelte – "mit Ausnahme des grenzüberschreitenden elektronischen Handels". Eine so genannte Reimport-Klausel, die den heimischen Buchmarkt im deutschen Gesetz vor einer gezielten Unterwanderung der Buchpreisbindung schützt, fehlt.

Das Argument des Fachverbands, das Geschäft werde in Österreich angebahnt, die Internetplattform von thalia.at betrieben und das bestellte Buchpaket auch gar nicht grenzüberschreitend versendet, ließen die Richter nicht gelten. Von einer gezielten "Umgehung" der Buchpreisbindung durch das Gutscheinmodell könne schon deshalb keine Rede sein, weil Partner buch.de alle Voraussetzungen dafür besitze, um im Versandhandel "regelmäßig, systematisch und nachhaltig Geschäfte zu bewältigen". Und wenn der Fachverband beanstande, dass die Bücher an inländische Kunden die Grenzen gar nicht überschreiten würden, dann blende er aus, dass der überwiegende Teil deutschsprachiger Bücher von Verlagen in Deutschland verlegt und von dort aus, naturgemäß grenzüberschreitend, nach Österreich geliefert werde. Dass sich buch.de bei der Abwicklung der Bestellung inländischer Hilfe bediene, ist aus Sicht des OGH ebenfalls "betriebswirtschaftlich nachvollziehbar und ändert nichts am grenzüberschreitenden Charakter des Vertragsabschlusses".

Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels bedauert in einer Stellungnahme, dass der OGH sich in seiner Entscheidung nicht vertieft mit der europarechtlichen Problematik auseinandergesetzt habe. Zur Festigung eines funktionierenden nationalen Preisbindungssystems sei jetzt der Gesetzgeber aufgerufen. "Wenn es der Politik ernsthaft um eine vielfältige Buchkultur und ein dichtes Netz von Buchhandlungen als geistigen Tankstellen geht, dann muss sie die bestehenden gesetzgeberischen Spielräume beherzt nutzen".

Auch der Börsenverein äußert sich zum Ausgang des Wiener Verfahrens: "Es ist bedauerlich, dass der OGH vor seinem Urteil die entscheidungsrelevanten Fragen nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat", heißt es aus Frankfurt. Zur Absicherung eines funktionierenden nationalen Preisbindungssystems sei in Österreich jetzt der Gesetzgeber aufgerufen. "Das Beispiel des in Frankreich verabschiedeten Gesetzes zur Preisbindung bei E-Books zeigt, dass das europäische Recht durchaus eine flexible und sachgemäße Behandlung grenzüberschreitender Verkäufe zulässt. Da es der österreichischen Politik um eine vielfältige Buchkultur und ein dichtes Netz von Buchhandlungen als geistigen Tankstellen und Kulturorten geht, wäre es gut, wenn sie rasch handeln und die bestehenden gesetzgeberischen Spielräume beherzt nutzen würde."

Was bedeutet die Entscheidung in Österreich für den Buchmarkt? Mehr dazu im Interview mit Christian Russ, Preisbindungstreuhänder der deutschen Verlage.