Nachwuchskräfte in Verlagen

„Anstrengende Treiber bei der Stange halten“

9. Oktober 2013
von Börsenblatt
Verlage brauchen junge, kreative Köpfe, um bei der Digitalisierung nicht abgehängt zu werden. Dazu müssen sie ihren Führungsstil ändern. Aber auf der Gehaltsliste ist dauerhaft nicht für alle Platz. Ein spannender Auftakt beim Forum Verlagsherstellung auf der Frankfurter Buchmesse.
Verlage brauchen eine andere Personalstrategie und müssen neue, junge Mitarbeiter gewinnen, wie Berater Helmuth von Berg zur Begrüßung vorwegnahm: Unter dem Motto „Verlag 3.0 – neue Kompetenzen, neues Führen?“, ging es beim Auftakt des diesjährigen Forums Verlagsherstellung (es ist die neunte Veranstaltungsreihe) vorwiegend um Anforderungen an die Geschäftsführung, die Digitalisierung strategisch zu meistern. Auch die sogenannten „Digital Natives“ (repräsentiert durch Mareike Hermes, 31, Carlsen) konnten ihre Perspektiven einbringen. Heraus kamen wertvolle Tipps für angehende Verlagsmitarbeiter und deren Chefs: die Entscheider in den Verlagen.

 

 

 

 

„Herrschaftswissen aufbrechen“, „interessante Projekte bieten“ und eine „Kultur der Offenheit“ – die 31-jährige Mareike Hermes spricht mit ihren Forderungen an Verlage den Vertretern ihrer Generation aus der Seele. Seit ihrem Trainee-Programm bei Carlsen hat sie mit dem Print-Buch nur wenige Berührungspunkte gehabt – ihre Welt ist das Digitale. Das bedeutet vor allem: An vielen Schreibtischen stehen, mit zahlreichen Mitarbeitern im Haus ständig im Kontakt sein. In Hamburg organisiert sie alle vier bis sechs Wochen ein „Digital Stand-up“: Eine 15-minütige Minisession im Forum des Verlags. Alle stehen, per Beamer werden interessante Neuigkeiten aus Digitalien vorgestellt: interessante Apps, neue Tools, verrückte Geräte. Danach wird geplauscht und sich auf Stand gebracht. Das die Hälfte der Carlsen-Mitarbeiter dazukommt, ist keine Seltenheit.

Auch bei Rowohlt wird daran gearbeitet, vorhandene Mitarbeiter fit für die Digitalisierung zu machen. Als Annette Beetz vor einem Jahr in die Geschäftsführung des Verlags wechselte, gab es bereits das „Team digital“ – Freiwillige aus dem ganzen Haus arbeiten in Projektteams zusammen. „Es ist wichtig die Netzwerke zu nutzen“, erklärt Beetz entschieden: Bücherfrauen, die HTWKs, das eBookCamp und andere Fortbildungsmöglichkeiten, Engagement in diesen Netzwerken wird bei Rowohlt gefördert – auch im Budget. Das neue Know-how fließt an interessierte Mitarbeiter weiter. „Das ist harte Arbeit.“ Beetz sieht sich persönlich mit den jungen Technikfreaks nicht immer auf Augenhöhe – trotz leidenschaftlicher Twitter-Aktivität, souverän zu bleiben und die Jungen dazu zu zwingen, Budgetwünsche für die Kollegen in verständliche Exposés zu übersetzen und sich auch sprachlich anzunähern, auch das gehört für sie zur „harten Arbeit“ sich den „jungen Treibern“ zu stellen und diese ans Unternehmen zu binden. Bei den Bewerbungen profitiert Rowohlt von seinem starken Namen und sieht sich gut aufgestellt. Quereinsteiger bekommen auch eine Chance: Im Vertriebsteam arbeitet unlängst eine neue Mitarbeiterin, die von einer Heizungsrohrfirma gewechselt ist.

„Man muss in Mitarbeiter investieren, um sie bei der Stange zu halten“, fasst Per Dalheimer (Geschäftsführer ebook.de) zusammen. Er gewährt in dem Nachwuchs Mitspracherechte und Verantwortung: „Die arbeiten extrem hart – solange es Spaß macht.“ Bei den Ausschreibungen wirbt ebooks.de damit, neue Mitarbeiter zum „Teil der Revolution zu machen“ – vor allem bei jungen Frauen wirke das, sagt Dalheimer. Auch dass Neuzugänge heute von Google oder anderen großen Playern kommen ist heute Realität – vor fünf Jahren wäre das kaum vorstellbar gewesen.

Patrick Scheidt (Geschäftsführung Elsevier) stimmt seinen Kollegen zu – traute sich aber auch, Grenzen zu benennen: „Ich kann nicht jeden Mitarbeiter entwickeln“ – noch immer gleicht die Verteilung der Macht und des Gehalts in den Unternehmen einer Pyramide – „man kann nicht jeden auf die nächste Stufe heben“ – das bedeutet: Es ist normal, dass Projekte auch einmal enden. Kein Problem, solange man sich auf Augenhöhe begegnet. Scheidt plädierte für mehr Heterogenität in Verlagen um sich der Digitalisierung stellen zu können.

 

Am Freitag ist das Forum Verlagsherstellung (Programm) mit renommierten, interantionalen Gästen besetzt.