Fünf Jahre Bestenliste Weltempfänger

"Zwei glückliche, beglückende Bespiele"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Ein weltumspannendes Duo hatte Ilija Trojanow, der Juryvorsitzender der litprom-Bestenliste Weltempfänger, zum Fünfjährigen der Liste zum Podiumsgespräch eingeladen: Luiz Ruffato und Carl Nixon. Aus Brasilien und Neuseeland − dem aktuellen und letztjährigen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse.

Beide Autoren waren bereits auf der litprom-Bestenliste Weltempfänger vertreten. Mit der Liste möchte "litprom − Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika" Autoren aus diesen Kontinenten hierzulande stärker bekannt machen − und das seit nunmehr fünf Jahren. Diesen Herbst ist die 20. Ausgabe erschienen. Aufgenommen werden jeweils Titel, die auf Deutsch vorliegen, dazu wird ein Übersetzungswunsch genannt. Das Fünfjährige wurde heute mit dem Podiumsgespräch auf der Bühne des Weltempfangs (Halle 5.0) auf der Frankfurter Buchmesse gefeiert.

In seiner Einleitung verglich Ilija Trojanow die Arbeit des Weltempfängers mit dem alten Radio, bei dem man per Drehknopf die Orte wechseln, in fremde Welten eintauchen konnte. Genau dies will litprom mit der Bestenliste erreichen, Appetit auf außereuropäische Literaturen wecken.

Trojanow empfahl die neuesten Bücher seiner beiden Gäste wärmstens: "Mama, es geht mir gut" (Assoziation A) von Luiz Ruffato und "Settlers Creek" (Weidle Verlag) von Carl Nixon. In ihren Werken geben beide den Unterschichten, Hoffnungslosen und der Arbeiterschaft ihrer Heimatländer eine Stimme − mit einem besonderen Ton. Trojanow lobte insbesondere die Arbeit der kleineren Verlage, die solche Entdeckungen ins Deutsche bringen. "Zwei glückliche, beglückende Bespiele" lägen hier vor. Gerade für ästhetisch und politisch engagierte Literatur setze man sich auch beim Weltempfänger ein. Eine Kombination, die für viele deutsche Kritiker nicht zusammengehöre, monierte Trojanow.

Ruffato und Nixon gaben danach Auskunft über ihre schriftstellerische Arbeit, zur Literaturszene und Lesekultur in Brasilien und Neuseeland. "Es gibt eine neuseeländische Stimme", war sich Nixon sicher, während Ruffato die Universalität bestimmter Themen ("Grundlage ist immer der Schmerz") betonte. Der Brasilianer wünschte sich zudem, dass Autor und Übersetzer gemeinsam auf dem Buchdeckel erscheinen, denn letzterer "baut das Buch in einer anderen Sprache wieder auf".

Wie stehen die Chancen auf dem internationalen Buchmarkt? Obwohl englischsprachig, würden Bücher aus Neuseeland in der Regel nur dann den Durchbruch in Australien, den USA oder Großbritannien schaffen, wenn sie nicht über Neuseeland handeln, stellte etwa Carl Nixon fest. Auch wenn der Inselstaat Sehnsuchtsort für viele Menschen weltweit sei.

Für den in einfachen Verhältnissen aufgewachsenen Luiz Ruffato war es "eine politische, dann eine ästhetische Entscheidung" mit dem Schreiben zu beginnen − zunächst als Journalist dann auch als Erzähler. Deshalb wählte er auch nicht die Form des bürgerlichen Romans. Auch Nixon, der einer Handwerkerfamilie entstammt, stellt einfache Menschen in den Mittelpunkt seiner Erzählungen − verzichtet daher auf "barocke, komplexe Satzstrukturen". Ruffato, der mit seinen Büchern aufrütteln will, kritisierte die Eliten seines Landes, die Bildung als Machtinstrument zu missbrauchen. "Ich spreche für die Immigranten, die Gastarbeiter, die keine Hoffnung in Land haben", lautet das Credo des Brasilianers.

Schon bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse hatte er sein Land scharf kritisiert. "Wir sind unter der Ägide des Genozids geboren", sagte Luiz Ruffato dort. Zwar werde Rassendemokratie stets als Merkmal brasilianischer Toleranz angeführt, doch sei dies ein Mythos. Dafür musste er in seinem Heimatland inzwischen Anfeindungen hinnehmen, berichtete litprom-Geschäftsführerin Anita Djafari.

Eine lauthals durch einen Lautsprecher gerufene Einladung des Nachbarstands für eine Veranstaltung sorgte leider für ein abruptes Ende des Podiumsgesprächs. Kein Wort war mehr zu verstehen… Der Weltempfänger bleibt hoffentlich noch lange auf Sendung.

Die aktuelle Ausgabe der litprom-Bestenliste Weltempfänger finden Sie hier.