Macht Bäckermeister zu Autoren!

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Warum nur ist Deutschland so reich an Konditor- und Bäckermeistern, die ihr Handwerk verstehen, aber so arm an inspirierenden Backbücher aus ihrer Feder? Das fragt sich die Foodbloggerin Katharina Höhnk (Valentinas-Kochbuch.de).
Als ich vor Kurzem in meinem Berliner Kiez unterwegs war, sprachen mich zwei Touristinnen ab, wo sie in Laufnähe Kuchen essen könnten. Ich empfahl ihnen zwei Cafès. Eines mit französischer Patisserie und ein anderes mit typisch deutschen Sahnetorten. Begeistert schlugen sie den Weg Richtung Sahnetorten ein.

Manchmal hilft ein Blick von außen, um zu erkennen, wofür ein Land kulinarisch steht. Das Konditor- und Bäckerhandwerk gehören hierzulande zweifellos zu den Besonderheiten. Wo gibt es so viele Brotsorten? Und was ist mit dem Gebäck und dem Kuchen? Beim Gedanke an sein Lieblingscafé gerät man doch schon ins Schwärmen? Warum aber zeigt sich das Können und die Tradition nicht in Form von Backbüchern?

Das ist kulturell bedauerlich. Denn der Status quo des Handwerks verändert sich gerade. Es wird von Aufback-"Bäckereien" in die Zange genommen, die vor allem billig sind. Leider ist der deutsche Kunden ein preisbewusster, obwohl er es nicht immer sein müsste. Die Gründe: man hat kein Gefühl für den Wert des kulinarischen Erbes im Allgemeinen und Konkreten, wenn die Brötchen im Einkaufskorb landen. Das Verlags-Desinteresse erscheint da wie eine konsequente Fortsetzung dieser Egal-Haltung.

Öffentliche Aufmerksamkeit in Form von Büchern, Artikeln und Auszeichnungen könnten daran etwas ändern. Sie machen den Wert sichtbar und schenken Aufmerksamkeit. Und es gibt viele Leser. Backbücher sind begehrt. Zum einen entdeckt gerade eine junge Generation Frauen das süße Handwerk als Möglichkeit zur Kreativität. Zum anderen wirkt sich der Trend hin zur bildreichen Ausstattung bei Backbüchern auf besondere Weise aus. Man schaut sie sich auch gerne nur an und träumt von den süßen Teilen.

Es gibt hierzulande eine knappe Handvoll Autoren, die das Thema regelmäßig gekonnt bedienen. Das sind Annick Wecker (Dorling Kindersley), Cynthia Barcomi (Mosaik Verlag) und jetzt wohl neu Laura Seebacher (GU Verlag). Daneben finden sich auf dem Büchertisch zum Thema Backen Gelegenheitstitel und schließlich viele Lizenztitel – vor allem aus England. Das verwundert vor diesem Hintergrund per se und manchmal auch kulinarisch. Denn englische Backwerke sind mitunter atemberaubend süß.

Dass aus Konditoren und Bäckern hierzulande Buch-Autoren werden ist eher die Ausnahme. Und wenn doch, dann sieht das Backbuch entweder bieder aus oder ist so anspruchsvoll, dass man als Homecook das Buch gleich wieder zuschlägt.

Es reicht nicht, einen Konditor- oder Bäckermeister mit einer eigenen kulinarischen Handschrift zu finden. Es braucht eine Redakteurin, die quasi als Übersetzerin für die Bäckerinnen zuhause fungiert – Verlässlichkeit prüft, modernisiert und vereinfacht. Dafür gibt es erfolgreiche Beispiele. Gaston Lenotre wusste für sein zeitloses Werk „Das große Werk der Patisserie" (1975) seine Tochter Sylvie zur Seite. Sie hat alles unter „beschränkteren Bedingungen einer normalen Hausfrauen-Küche ausprobiert". Auch deshalb erzielt das Buch auch im Jahr 2013 auf dem antiquarischen Markt einen guten Preis.

Ich bin mir sicher. Meine beiden Touristinnen hätten nach dem Genuss in meinem Lieblingscafé gleich das Backbuch des Hauses als Erinnerung mitgekauft. Damit sie auch daheim im Land der Nicht-Sahnetorten noch schwelgen können.