Die Sonntagsfrage

Wohin gehören eigentlich zweisprachige Kinderbücher, Frau von Holten?

20. Oktober 2013
von Börsenblatt
Claudia von Holten ist Inhaberin des unabhängigen Verlags Amiguitos – Sprachen für Kinder in Hamburg. In unserer Sonntagsfrage wollten wir wissen, wo der Buchhandel bilinguale Kinderbücher am besten platzieren sollte - und mit welchen Aktionen sich die Bücher in Szene setzen lassen.

Sind mehrsprachige Kinderbücher ein Angebot für Exoten?

Seit 2001 feiert Europa im September den Europäischen Tag der Sprachen. Politisches Ziel innerhalb der EU ist, dass jeder Europäer neben seiner Muttersprache noch zwei weitere Fremdsprachen beherrscht. Immerhin:

In Deutschland geben 40 Prozent der Bürger an, mindestens eine Fremdsprache zu sprechenweitere 30 Prozent sogar zwei oder mehrGleichzeitig sind 29% der Deutschen nach eigenen Angaben mit gar keiner Fremdsprache vertraut Parallel entstammt jedes 9. in Deutschland geborene Kind einer bi-nationalen Verbindungjedes 6. Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit hat eine zweite Staatsangehörigkeit und mindestens jedes 5. Kind hat einen ausländischen Elternteil. Diese Kinder wachsen vermutlich mehrsprachig auf

Mehrsprachigkeit ist in vielen Familien heute schon gelebte Realität. Mehrsprachige Kinder- und Jugendbücher sind folglich keine Bücher für bunte Exoten oder eine winzige Randgruppe.

Wer kauft denn überhaupt Bücher, in denen die Geschichte zweimal erzählt wird, einmal auf Deutsch und gleichzeitig in einer zweiten Sprache?

Bilder-, Kinder- und Jugendbücher, die parallel in zwei (oder mehr) Sprachen geschrieben sind, werden von mehr oder weniger stark bilingualen Familien sowie von Sprachlernern und Pädagogen (in Kitas und Schulen) nachgefragt. Generell sind diese Titel aber für alle interessant, wenn der Inhalt stimmt. Denn etliche Bücher gibt es nur in der zweisprachige Form und nicht einer rein deutschen Fassung. Andere wiederum sind im Buchhandel bekannte „Klassiker", die es jetzt zusätzlich auch zweisprachig gibt. Über das Stadium: „Oh, das ist ja interessant, so was gibt es!" sind viele inzwischen hinaus. Vielleicht auch, weil einige Verleger seit Jahren Kinder- und Jugendbücher in mehreren Sprachen produzieren.

Sind die Titel im Buchhandel zu finden?

Tja, leider nur in den wenigsten, sehr spezialisierten Buchhandlungen. Bestellt werden können die Titel natürlich von allen über Nacht bei den Barsortimenten. Für die Kaufentscheidung des Kunden ist das mal drin Blättern, sich inspirieren lassen und Anlesen natürlich förderlich. In vielen Fällen stehen diese (noch) besonderen Bücher, wenn sie überhaupt im Regal stehen, oft in einer kleinen, speziellen Ecke - neben den pädagogischen Büchern zum Fremdsprachenlernen, also neben Wörterbüchern und Grammatiktrainern.

Meine Vision als Verlegerin von mehrsprachigen Kinder- und Jugendbüchern ist, dass es eigentlich egal ist, ob ein Buch ein- oder mehrsprachig ist. Das es um den Inhalt geht und um die Qualität der Geschichten! Dann findet der Kunde ein Märchenbuch mit traditionellen Fabeln und Geschichten aus Spanien und Lateinamerika oder ein modernes Amazonas-Märchen neben den Märchen der Brüder Grimm, kann das Buch kaufen, weil er einfach gerne Märchen liest und das englisch-deutsche Buch, bei dem es um Freundschaft schließen und die Überwindung von Schüchternheit geht, neben anderen Kinderbücher für Leser ab zehn Jahren.

Sollte ein interkultureller Vergleich für Leser ab zwölf Jahren, bei dem Finn-Ole Heinrich einen argentinischen Bestsellerautoren gegenübergestellt wird, nicht bei den Jugendbüchern zu finden sein? Vermutlich noch nicht heute oder morgen, aber hoffentlich in ein paar Jahren. Das wäre toll!


Aktionen, Anlässe, Lesungen, Büchertische…

Es gibt viele Möglichkeiten, das Thema Mehrsprachigkeit als Anlass für einen interessanten Event in der Buchhandlung zu nutzen. Aufhänger, die sich besonders bewährt haben, sind:

  • Eine Lesung in mehreren Sprachen – für bilinguale Familien (eine Aktion, die sich gut in der regionalen Presse platzieren lässt)
  • Eine dazu passenden Bastel- oder Mitmachaktion
  • Persönliche Buchhändler-Empfehlungen wie „das Buch des Monats“ (mit wechselnden Sprachschwerpunkt)
  • Schaufenster zu einem Länderthema
  •  Büchertische mit mehrsprachigen Produkten verschiedener Verlage
  • Kleine Lese- und Schreibwettbewerbe in Kooperation mit einer Schule
  • Aktionen mit Kindern z.B. am 26. September (Europäischer Tag der Sprachen),dem Dia É (dem Tag der spanischen Sprache, vielleicht in Kooperation mit dem Instituto Cervantes), einem eigenen Aktionstag Mehrsprachigkeit, etc.

Was kann ein kleiner Verlag machen, um den Handel zu unterstützen?

Diese Frage stelle ich mir regelmäßig. Braucht der Buchhandel vielleicht besondere Werbemittel? Vielleicht einen Aufkleber für die Ladentür „Hier finden Sie mehrsprachige Bücher“, besondere Plakate oder ähnliches? Wie können Erfolgsgeschichten, die wir erzählen könnten, anderen Mut machen, eine vergleichbare Aktion an einem anderen Standort zu wiederholen? Darüber möchte ich gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen.

Claudia von Holten ist Inhaberin des unabhängigen Verlags Amiguitos – Sprachen für Kinder mit Sitz in Hamburg. Am 1. Januar 2014 wird das Unternehmen zehn Jahre alt.

 

Kontakt: E-Mail: info@amiguitos.de oder über Telefon 040 55 61 63 58.