Vorsteher Heinrich Riethmüller beim Münchner Verlegerkreis

"Total aufgeblähte Landesverbände"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Heinrich Riethmüller, erst seit wenigen Tagen als Vorsteher des Börsenvereins im Amt, hat weiteren Reformbedarf für den Verband angemeldet. Dessen föderale Strukturen seien zu teuer und passten nicht mehr in die Zeit.
Seinen ersten Auftritt als Vorsteher in der Branchenöffentlichkeit nutzte Heinrich Riethmüller gleich zu einer deutlichen Ansage: Mit den föderalen Strukturen des Börsenvereins sei er "nicht mehr einverstanden". Die Landesverbände, wie sie derzeit noch organisiert seien, "kosten uns zu viel Geld, zu viel Zeit und zu viel Energie", sagte der Chef der Osianderschen Buchhandlung am Dienstagabend in München. Eingeladen, über seine Ziele für den Verband in den kommenden drei Jahren zu sprechen, hatte ihn der Münchner Verlegerkreis − eine Initiative des Landesverbands Bayern.

Riethmüller bezeichnete einen Teil der Landesverbände als "total aufgebläht". Zum Beispiel gebe es in Baden-Württemberg bis heute neben den Ausschüssen für Verleger, Buchhändler und Zwischenbuchhändler noch einen Vertreterausschuss. Derart aufwändige Strukturen passten nicht mehr in eine Zeit mit ständig wachsendem Kostendruck in den Unternehmen, kritisierte der Tübinger Buchhändler. "Dafür haben unsere Mitglieder kein Verständnis mehr. Das muss schlanker werden."

Ausdrücklich lobte der seit Samstag vergangener Woche amtierende neue Vorsteher hingegen die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen nach der Fusion mit dem Bundesverband. "Ich sehe mit großer Freude, wie die Kollegen dort ihre Regionaltreffen organisieren. Da wird Nähe zu den Mitgliedern hergestellt, wie wir sie brauchen." Als richtigen Weg bezeichnete Riethmüller auch das enge Zusammenrücken der Verbände in Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland.

Mit Blick auf den Bundesverband stelle sich die Frage, "wie wir als Ehrenamtliche uns dort in die Organisation in Frankfurt noch besser einklinken können". Er nehme einerseits eine "hohe Sympathie bei den hauptamtlichen Mitarbeitern" wahr und "die Hoffnung, dass vielleicht neuer Schwung in die Sache hineinkommt". Andererseits trifft man, was typisch sei für Verbandsstrukturen, "immer wieder auch auf Verkrustungen". Diese gemeinsam mit dem Hauptamt aufzubrechen, habe er sich vorgenommen, kündigte der Vorsteher vor den Münchner Verlegerkollegen an.

Der Kreis war am Dienstag zu Gast bei Piper. Verleger Marcel Hartges berichtete eingangs zur Situation seines Unternehmens, dass man 2013 beim E-Book insgesamt mit einem Umsatzanteil von zehn Prozent rechne. In einzelnen Monaten im Sommer sei bei Piper schon etwa jedes sechste verkaufte Buch ein E-Book gewesen. "Dabei wächst der Marktanteil Amazons von Monat zu Monat", sagte Hartges. Jetzt liege er bereits bei über 60 Prozent. Gut zwei Drittel seines Gesamtumsatzes von rund 50 Millionen Euro macht Piper mit Taschenbüchern.

Unter den Münchner Verlegern überwog in der Diskussion große Skepsis, ob beim Thema E-Reading eine Branchenlösung die richtige − und vor allem: eine wirksame − Antwort auf die Marktdominanz Amazons sein könne. Innovationen, meinte auch Heinrich Riethmüller, gingen doch eher "von den vielfältigen Bemühungen im Wettbewerb" als von einer zentralen Lösung aus. Für sein Unternehmen stehe jedenfalls die Entscheidung: kein Eintritt in die Tolino-Allianz. Einhellig wurde auch davon abgeraten, dass die MVB quasi als Clearingstelle und Koordinator eine Branchenlösung − ob nun in Kooperation mit der Tolino-Allianz oder mit einem alternativen Reader − entwickelt und anbietet.

Als Geschenk für seine mehr als 30 Gäste hatte Marcel Hartges "mein Lieblingsbuch dieses Jahres" zur Mitnahme bereitgelegt: "Alles, was ist" von James Salter. Der Roman endet übrigens mit dem erfreulichen, in der Buchbranche nicht jeden Tag zu hörenden Satz: "Es wird großartig werden."