Suhrkamp-Streit: Urteil des Landgerichts Frankfurt

Kein Platzverweis für die Gesellschafter

13. November 2013
von Börsenblatt
Das Landgericht Frankfurt hat Klage und Gegenklage der Suhrkamp-Gesellschafter auf wechselseitigen Ausschluss aus der Verlagsgesellschaft abgewiesen. Somit bleiben die Medienholding und die Familienstiftung Gesellschafter der Suhrkamp KG.
Richter Norbert Höhne wertete einzelne Pflichtverstöße der Gesellschafter zwar als so schwerwiegend, dass sie für sich einen Ausschluss rechtfertigen könnten – die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sieht aber für einen solchen Fall nur die Auflösung der Gesellschaft vor. Einen entsprechenden Auflösungsantrag hatte die Medienholding jedoch im laufenden Verfahren zurückgezogen.

In seiner Urteilsbegründung würdigte Richter Höhne noch einmal die Vorwürfe im Einzelnen: Während der Gesellschafterin Medienholding unter anderem diffamierende Äußerungen in einem Presseinterview, die Vermengung von privaten Interessen mit Gesellschaftsinteressen im Zusammenhang mit einem Immobilienerwerb in Berlin, die Weitergabe interner Gesellschaftsinformationen sowie Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Gesellschaft und rechtsmissbräuchliche Gesellschafterbeschlüsse anzulasten seien, habe die Gesellschafterin Unseld Familienstiftung unter anderem durch die Vermischung von privaten Interessen mit denen der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Immobilie Gerkrathstraße in Berlin, diskriminierende Äußerungen in den Medien und die Einschränkung von Informationsrechten der Medienholding hinreichend schwere Verletzungen von Gesellschafterpflichten begangen.

Der Ausschließungsgrund im Ausschließenden

Der Bundesgerichtshof lässt in einem Fall, in dem beide Gesellschafter schwerwiegende Pflichtverletzungen begehen, nicht den Ausschluss eines einzelnen Gesellschafters zu, weil in der Person, die den Ausschluss betreibt, selbst ein Ausschließungsgrund vorliegt. Mit anderen Worten: Wenn zwei antagonistische Gesellschafter Treuepflichten verletzen und so der Gesellschaft Schaden zufügen, verdienen es beide, ausgeschlossen zu werden – was in der Konsequenz die Auflösung der Gesellschaft bedeuten würde. Dies kann aber ein Gericht nur auf Antrag einer oder beider Parteien beschließen.

Eine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ist zwar möglich, offen ist aber, ob die Parteien davon Gebrauch machen. Hans Barlach sagte noch im Gericht, man wolle zunächst die Urteilsgründe prüfen und behalte sich rechtliche Schritte vor. Der Anwalt der Unseld Familienstiftung, Hauke Witthohn, rechnet damit, dass die Medienholding weiter gegen den Suhrkamp Verlag und den Insolvenzbeschluss vorgehen werde.

Schauplatz Karlsruhe

Sollte das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg den Insolvenzplan genehmigen, könnte Barlach wie erwartet Beschwerde dagegen einlegen. Diese dürfte aber wiederum aus wichtigem Grund zurückgewiesen werden, wie Barlach selbst sagte. Dies ließe die Insolvenzordnung nach dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) zu. Dass Barlach dennoch Beschwerde einlegen dürfte, hat einen Grund: Er muss alle Rechtsmittel ausschöpfen, bevor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seine Verfassungsbeschwerde in vollem Umfang annimmt. Die Kammer des Zweiten Senats hatte nämlich bereits am 17. Oktober den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Beschluss zur Eröffnung des Suhrkamp-Insolvenzverfahrens unter anderem deshalb abgelehnt, weil noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft worden seien. Die kontroverse Beurteilung der Vorschriften des ESUG sollte zunächst einer "fachgerichtlichen Klärung" zugeführt werden. Die Verfassungsbeschwerde selbst, die Barlach nicht nur wegen des mutmaßlichen "Verstoßes gegen das faire Verfahren", sondern vor allem wegen möglicherweise verfassungswidriger Vorschriften im ESUG eingereicht hat, ist nach Auskunft des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor anhängig.

Hans Barlach, der nicht beabsichtigt, Suhrkamp den Rücken zu kehren, kann sich durchaus mit dem kommenden Aktionärsstatus anfreunden – umso mehr, als nach der genehmigten Kapitalerhöhung und dem möglichen Einstieg der Familie Ströher die Familienstiftung nicht mehr die absolute Mehrheit der Anteile hielte. [Korrektur: Der Verlag weist diese Darstellung zurück. Nach seinen Angaben soll der Anteil der Familienstiftung auch nach der Kapitalerhöhung noch bei 51 Prozent liegen.] Es sei zudem denkbar, so Barlach, dass noch ein weiterer Investor Interesse anmeldet. Unterdessen wird Barlach in diesen Tagen vom Ex-Gesellschafter Andreas Reinhart heimgesucht, der seine offene Forderung in Höhe von mehr als fünf Millionen Franken für seine früheren Anteile auf dem Wege der Zwangsvollstreckung eintreiben will. Angeblich, so wird verbreitet, habe schon der Gerichtsvollzieher bei Barlach angeklopft.

Urteilstenor und moralischer Subtext

Mindestens ebenso interessant wie der Text des Urteilsspruchs ist der moralische Subtext, der durch die Entscheidungsgründe des Gerichts hindurchscheint. Er lautet etwa so: 'Gesellschafter, fasst Euch jeweils an Eure eigene Nase und rauft Euch endlich zusammen. Kooperiert, damit weiterer Schaden vom Verlag abgewendet werden kann.' Und man ist versucht hinzuzufügen: 'Missbraucht nicht weiter die Rechtsweggarantie, um menschliche Probleme mit Hilfe von Paragrafen zu lösen.'

Dies macht das heutige Urteil, und machen vermutlich noch weitere Urteile zum Fall Suhrkamp deutlich: Das Recht kann nur den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen die Akteure gesetzeskonform handeln und ihrer Treuepflicht nachkommen. Das entbindet sie aber nicht, in Gespräch oder Mediation nach Wegen zu suchen, gedeihlich miteinander zusammenzuarbeiten. Erst wenn all dies fehlschlägt, sollte man den Mut zur Trennung aufbringen.