Lehmanns-Großfläche in Hannover vor dem Aus

"Wir haben an diesem Standort alles versucht"

9. Januar 2014
von Börsenblatt
Ende Februar 2015 wird Lehmanns Media seine Großfläche in der Georgstraße in Hannover schließen. Es konnte gar nicht anders kommen: die Anatomie einer Krise ohne echten Schuldigen.
Das Ende einer weiteren Großfläche: Lehmanns wird sein 3.500-Quadratmeter-Vollsortiment in Hannover zum 28. Februar 2015 schließen. Dann läuft ein Mietvertrag ab, der vor zwölf Jahren vorverhandelt worden war (damals noch durch Henning Hamkens für Weiland) und zwei Jahre später in Kraft trat. "Das war zu einer Zeit", sagt heute Filialleiterin Carola Markwa, "als man im Buchhandel noch auf große Flächen und tiefe Sortimente in besten Innenstadtlagen gesetzt hat."

Vor allem in Hannover hat das damals gegolten, weil die City der niedersächsischen Landeshauptstadt mit ihrer hohen Zentralität und einem noch nicht ausgereizten buchhändlerischen Wettbewerb (nur Schmorl & von Seefeld waren als Große schon da) allen Expansionswilligen attraktive Aussichten bot. Seither hat sich die Lage komplett verändert. Nur der Mietvertrag für die Georgstraße 10 blieb der alte.

Diese Geschichte von Hoffnung und Enttäuschung ist exemplarisch. Sie öffnet den Blick auf die Anatomie einer Krise − und kommt doch ohne die vermeintlichen "Fehler im Management" aus, die man im Scheitern stets glaubt feststellen zu müssen. Deshalb sei sie hier einmal ausführlich erzählt.

Keiner wusste, als im September 2003 Weiland in der Georgstraße eröffnete, dass wenige Jahre später die neu erbaute Ernst-August-Galerie (ECE) unmittelbar am Hauptbahnhof den Einzelhandel aufmischen würde; den Buchhandel zumal, weil in der Galerie auch Hugendubel auf 2.000 Quadratmetern ein zweites Mal vertreten sein würde. Niemand konnte absehen, dass das Center mit dem billigsten Parkhaus der City die Kundschaft aus dem Umland zu sich ziehen und die Frequenzen in bisherigen 1-a-Lagen merklich schmälern würde. Keiner ahnte auch nur, dass dann mit zwei Hugen­dubel-Filialen, dem regionalen Filialisten De­cius und dem Riesen-Lehmanns so bald schon viel zu viel Buchhandelsfläche in Hannover bestehen würde. Und wie hätte man vorhersehen können, dass der Vermieter in der Georgstraße binnen zehn Jahren gleich zweimal wechseln sollte. Mittlerweile gehört die Immobilie einem Konsortium in England, das an Problemen buchhändlerischer Rentabilität nicht sonderlich interessiert ist.

So mag im Rückblick zwar naiv klingen, was der frühere Lehmanns-Chef Manfred Hahn dem Börsenblatt sagte, unmittelbar nachdem er sich 2007 das Weiland-Flaggschiff gesichert hatte: "Perspektive und Lage stimmen. Dieses Buchhaus passt perfekt zu uns." Aber zu jener Zeit gab es gute Argumente für den Zukauf (insbesondere auch die Hoffnung, man werde mit dem Einstieg ins Allgemeine Sortiment vielleicht den damals schon kriselnden Fachbuchumsatz ergänzen können).

Dann setzten die beschriebenen Veränderungen ein. Hinzu kam, das merkt Carola Markwa heute kritisch an, die wohl zu eilige Umfirmierung des Hauses Weiland, einer gut eingeführten Marke, auf Lehmanns, der in Hannover für medizinischen Fachbuchhandel stand und steht. Das sei "nicht hilfreich" gewesen und habe womöglich "Menschen verschreckt".

Passé. "Wir haben mit einem sehr guten und engagierten Team an diesem Standort alles versucht. Aber unter diesen Rahmenbedingungen lässt sich das Haus leider nicht wirtschaftlich betreiben", resümiert der Geschäftsführer Detlef Büttner, seit 2009 bei Lehmanns in Verantwortung.

Aus der Erkenntnis zieht die Nr. 2 im deutschen Fachbuchhandel für ihre Zukunft in Hannover Konsequenzen: "Wir wollen das Jahr 2014 dazu nutzen, uns nach einer passenden, deutlich reduzierten Fläche umzuschauen", kündigt Büttner an.

Das Team in der Georgstraße weiß seit Oktober Bescheid. Von ihren 30 Mitarbeitern (2007 waren es 50) redet die Filialleiterin mit hohem Respekt. "Super engagiert, hohe Eigenverantwortung, viel buchhändlerisches Können": An der Mannschaft habe es nicht gelegen, dass es für schwarze Zahlen seit Jahren nicht mehr reichte. Carola Markwa, die 2003 zur Weiland-Eröffnung schon dabei war und nach einem Intermezzo bei der DBH 2010 wieder zurückkehrte nach Hannover, ist bei aller Enttäuschung doch froh darüber, "dass wir früh und fair mit allen hier gesprochen haben". Büttner und Markwa zufolge sind Abfindungs­angebote gemacht worden, die von allen angenommen wurden − für den Fall, dass Ende Februar 2015 tatsächlich Schluss sein sollte.