Interview mit Arnd Roszinsky-Terjung

"Weltbilds Rückzug gibt keinen Markt frei"

16. Januar 2014
von Börsenblatt
Wie profitiert der Buchhandel von der Jokers/Weltbild-Misere? Der Berater Arnd Roszinsky-Terjung sieht wenig Möglichkeiten, in die Lücke zu stoßen - es fehlen Katalogimpulse und relevante Verlagsreste.

Kann der klassische Buchhandel den preisbewußten Lesern leichter Lektüre eine neue Heimat bieten?
Ich bin sehr skeptisch, ob und in welchem Maße es gelingen kann, die Kunden von Weltbild, Club oder Jokers an den klassischen Buchhandel zu binden. Denn ein Aspekt darf nicht vernachlässigt werden: Es handelt sich bei diesen Kunden um Versandkäufer, genauer gesagt: Katalogkäufer. Ohne Katalogimpulse fehlen ihnen einfach die Anlässe, sich mit dem entsprechenden Angebot zu beschäftigen. Und ich sehe nicht, wie klassische Buchhändler diese Leistungslücke füllen könnten. Selbst Weltbild und der Club haben intensiv nach Alternativen zum teuren Katalogversand gesucht. Dass sie keine gefunden haben, ist  überdeutlich. Vor diesem Dilemma werden auch „normale“ Buchhandlungen vermutlich kapitulieren.

Jokers kommt in Angebot und Präsentation dem klassischen Buchhandel manchmal aber doch ziemlich nah. Sind wenigstens die Jokers-Kunden für Buchhandlungen eine interessante Klientel?
Ja, das Jokers-Angebot wird zwar im Handel gern geringschätzig als „Ramsch“ oder „MA“ qualifiziert, aber Jokers bietet ein durchaus feinsinnig austariertes Konzept, buchaffine Menschen mit dem Versprechen auf Entdeckungen und nonkonformistische Schätze anzulocken. Von diesen Käufern werden viele auch regelmäßig durch normale Buchhandlungen streifen – aber das Motiv der Schatzsuche wird dort nur schwer zu befriedigen sein. Der Vorteil von Jokers war die Unternehmensgröße, mit ihr die Abnahmemenge.  Sie öffnete Jokers den Zugang zu den relevanten Verlagsresten – eine Konstellation, die für eine einzelne Buchhandlung unerreichbar erscheint.

Wird das, was Weltbild und der Club angeboten haben, vielleicht einfach nicht mehr in dem Maße nachgefragt?
Weltbild/Club und Jokers haben ihre jeweils spezifische Leistung für den Markt erfüllt – Leistungen, die so schnell von anderen gar nicht realisiert werden können. Das spricht eigentlich für die Intelligenz der jeweiligen Geschäftsmodelle. Womöglich muss man tatsächlich konzedieren, dass sie durch ihren aktuellen Rückzug gar keinen Markt für andere „freigeben“, sondern sich per „downsizing“ auf veränderte Konsumgewohnheiten und -bedürfnisse einschwingen.

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