Zukunftstag von LG Buch, MDG und Umbreit in Bietigheim-Bissingen

Veränderung bedeutet Risiko bedeutet Zukunft

25. Februar 2014
von Börsenblatt
Die rund 60 Buchhändler, die zum Zukunftstag von LG Buch, MDG und Umbreit kamen, buchstabieren Veränderung künftig vermutlich etwas anders – als ganz normale Sache, schöne Herausforderung, angenehme Pflicht. Acht Referenten erklärten ihnen, wie sich Wandel clever meistern lässt.

Die Branche ist auf Achterbahnfahrt, was hinter der nächsten Ecke kommt, lässt sich im Moment kaum erahnen. Dass es darauf vielleicht gar nicht so sehr ankommt, sondern eher auf gutes Training und die Fähigkeit, sich gewitzt und angstfrei in die Kurve legen zu können, hat sich noch längst nicht durchgesetzt. Viele seien immer noch zögerlich, meinte Peter Senner gestern zum Auftakt des Zukunftstags in Bietigheim-Bissingen („Veränderung wagen“) – sie würden bei Veränderungen vor allem die Risiken sehen, statt sich auf die positiven Folgen zu konzentrieren. Sein Credo: Sich zu verändern macht Spaß, Veränderung müsse Teil jeder Unternehmenskultur werden.

 

Können Sie: Selbstkritik?

Senner arbeitet als Coach (www.coaching-concepts.de). In Bietigheim-Bissingen sollte der erfahrene Trainer den Teilnehmern zum Auftakt des Zukunftstages Mut für Veränderungen und Lust auf Neues machen – und versprach ihnen, sie nicht dabei nicht mit einem „pseudoschlauen Vortrag über Veränderungen im Buchhandel“ zu langweilen, auch wenn er sie zu einigen Allgemeinplätzen mitnehme („Nicht eBooks und iPads sind die Herausforderung. Das eigentliche Problem ist das sich verändernde Leseverhalten“; „Analysieren Sie, wie sie Ihren Kundenkreis erweitern können, nicht nur kurzfristig, sondern langfristig angelegt!“, Veränderung müsse vom Kunden ausgehen etc.) Nützlich war Senners Vortrag (Titel: „Veränderung als Chance erleben“) für viele trotz solcher eher allgemeinen Hinweise und Ratschläge, allein aufgrund der Tatsache, dass er ihnen ein Koordinatensystem mitbrachte, das ihnen hilft, sich über die eigene, individuelle Veränderungsbereitschaft klar zu werden.

Wandel macht Arbeit

Derart eingestimmt auf die Wechselfälle des Wirtschaftens ging es dann weiter – Stunde um Stunde, Gespräch um Gespräch. Außer Senner, dem Vorredner, hatten die Organisatoren sieben Referenten eingeladen, die der Buchhändlergruppe dann kurzweilig und praxisnah das nötige Instrumentarium für den Wandel vermittelten:

  • Bernhard Meiners, Geschäftsführer der Unternehmensberatung MDG, verblüffte die Teilnehmer des Zukunftstages mit einem weiteren Raster. Anhand eines Fragebogens (mit 40 Fragen) konnten sich die Buchhändler sich selbst analysieren. Die Kernfragen lauteten: Wie bereit bin ich für Veränderungen, was muss ich an mir verändern, was stärken?
  • Tanja Hartwig, Inhaberin der Beratung Effektive Kundenbetreuung, führte die Gruppe wieder zurück an den Ausgangspunkt für Veränderungen: das eigene Selbstverständnis im eigenen Laden – und vor allem auf die Kommunikation mit Kunden. Sie präsentierte unzählige Tipps dafür, wie Buchhändler das Leben ihrer Kunden schöner machen können – zum Beispiel, indem sie sie ernst nehmen, ihnen auch mal Komplimente machen und aufmerksam für ihre Vorlieben und Neigungen sind. Ihr Credo: „Lieben Sie das, was Sie tun“ – eine gute Stimmung im Laden sei der Hauptmotor beim Verkaufen.   
  • Eine Branche, die ähnliche stark unter dem Internet und der Filialisierung leidet, ist die Spielwarenbranche. Fachhändler haben in der Regel derzeit wenig zu lachen, bis auf einen: Jürgen Budke vom Kinderkaufhaus MUKK in Münster. „Die alten Wachstumsstrategien passen nicht mehr“, berichtete er gestern fröhlich seinen Kollegen aus dem Buchhandel – und ließ keinen Zweifel daran, dass er für sich ein Rezept dagegen gefunden hat: Budke reagiert auf den Druck des Marktes mit Gegendruck. Sein Kinderkaufhaus, Ende 2012 eröffnet, misst 3.000 Quadratmeter und ist längst in der ganzen Region bekannt. „Mit viel Liebe zum Detail haben wir eine Erlebniswelt geschaffen, die dem Onlineeinkauf von Spielwaren durch Emotionen, haptische Erlebnisse, gute Beratung und Service der Mitarbeiter Paroli bietet.“ Für Budke steht fest: „Wir sind ein klares Statement für die Zukunft des stationären Handels.“ (wer sich umschauen möchte, via Facebook: Mukk).
  • Wandel ist Arbeit – Arbeit an sich selbst, aber auch Arbeit im Laden. Die Innenarchitektin Kristina Mann (3D Ident) vermittelte beim Zukunftstag einen Einblick, was gute Architektur und ein gutes Arrangement im Laden bewirken kann, um Kunden zu fesseln. „Der Trend ist seit Jahren nicht mehr auf Farben und Formen festgelegt“, so Mann. Wichtig für die Atmosphäre seien Highlights – Dinge, etwa ein Brunnen oder ein großes Bild im Laden, die den Kunden im Gedächtnis bleiben. Einzelhändler sollten „die Emotionen weiter nach oben fahren“, riet sie. „Noch mehr auf die Reize anspielen, die das Internet nicht ansprechen kann.“
  • Einer, der bereits auf gutem Weg in Richtung Zukunft ist, und das auch an seinen wachsenden Umsätzen sieht, ist Michael Sutmöller. In Bietigheim-Bissingen erzählte er, wie er und sein Team das schafft, und sogar noch Spaß dabei hat (Details auch im Interview mit  boersenblatt.net: Kein Tag ohne Korrekturen).
  • Ravensbuch in Ravensburg (mit einer Filiale in Friedrichshafen) hat sich deutschlandweit einen Namen gemacht, dank Buy local. Dabei hat das Unternehmen auch beim Thema E-Commerce  Leuchtturmqualitäten: Christoph Paris, der sich bei Ravensbuch um alle E-Themen kümmert, ließ seine Kollegen an seinen Erfahrungen gestern freimütig teilhaben. Er empfahl Softlevel als Online-Dienstleister der Wahl, appellierte dafür, bei Webshops auf Responsive Design zu setzen, er zeigte seine Entwürfe für die neue Ravensbuch-Website und wo er überall für den Online-Shop wirbt (Displays im Laden, Kassenzettel, Facebook etc.), und ließ keinen Zweifel daran: „Wir legen online zweistellig zu, langsam lohnt sich das Engagement – Kunden füllen pro Monat im Schnitt mittlerweile 138 Warenkörbe.“  
  • Last not least ging es um das Spezialgebiet von Christiane Goebel – nämlich um die Frage, wie Inhaber ihre Mitarbeiter auch dann für Veränderungen begeistern können, wenn sie diese nicht für sinnvoll halten. Sie riet ihnen dazu, auf Geheimniskrämerei zu verzichten, Mitarbeitern Veränderungen frühzeitig zu erklären. „Wenn dieser entscheidende Schritt ausgelassen wird, entsteht Widerstand“, so Goebel. „ Der ist umso massiver, je weniger man in den Prozess der Überlegungen eingebunden wird.“ Mitarbeiter hätten dann zu Recht den Eindruck, ihre Meinung und Erfahrung zähle nicht.   

     

Der Zukunftstag von LG Buch, MDG und Umbreit fand in diesem Jahr zum zweiten Mal statt (23./24. Februar) und hat sich aus Sicht der Organisatoren als Format bewährt: 2014 soll es eine Fortsetzung geben.