Jobprofil Lektor: Felix Wolf, freier Lektor für Reisebücher

"Eine Portion Fernweh gehört dazu"

2. März 2015
von Börsenblatt
Felix Wolf hat sich als freiberuflicher Lektor in der Reisebranche einen Namen gemacht. Seit 2011 ist er im Geschäft, wie das läuft erklärt er im Interview.
Wer sind Sie und was machen Sie?Als freier Lektor, Redakteur, Texter und Übersetzer vom Englischen ins Deutsche bearbeite ich vor allem Reiseführer und andere Reisebücher, aber auch Ratgeber, Sachbücher zu Zeitgeschichte, Musik und Popkultur sowie Biografien. Außerdem lektoriere und schreibe ich Texte für Zeitschriften, Unternehmensbroschüren, Newsletter, Websites und andere Medien. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt auf dem E-Publishing. Ich biete Textdienstleistungen für Digitalprodukte und digitale Workflows an, zum Beispiel redaktionelle Arbeit mit XML-Daten und in Content-Management-Systemen, Qualitätskontrolle für E-Books oder Konzeption und Projektmanagement für digitale Medien. 2011 habe ich zudem das eBookCamp mit aus der Taufe gehoben, eine innovative Konferenz zum Thema E-Publishing, die inzwischen zweimal jährlich in Hamburg und München stattfindet. Ich bin Mitinitiator einer Arbeitsgruppe zur Digitalisierung im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren e. V. Gelegentlich halte ich auch Vorträge zu den Veränderungen des Lektorenberufs durch die Digitalisierung.

Was ist für Sie im Job unverzichtbar?
Zur Arbeit an Reiseführern gehört immer auch eine gewisse Portion Fernweh. Das weckt bei jedem Projekt wieder die Neugier auf eine Destination, und diese Begeisterung fließt in die Textarbeit ein. Und natürlich kann man keine Reiseführer machen, ohne selbst regelmäßig Erfahrungen als Weltenbummler zu sammeln. Unerlässlich ist auch der Blick als Leser bzw. Nutzer und das Gefühl für die Zielgruppe. Ich muss mich ja immer auch fragen: Wenn ich selbst vor Ort wäre, könnte ich mit diesem Text etwas anfangen?

Der Austausch mit anderen ist ein Teil meines Berufs, auf den ich nicht verzichten möchte, sei es in der Bürogemeinschaft, in sozialen Netzwerken oder auf Veranstaltungen. So ergeben sich immer wieder neue Blickwinkel und Ideen für die eigene Arbeit.

Im Alltag ist es mir sehr wichtig, dass mein Schreibtischarbeitsplatz auf meine Arbeitsweise und Bedürfnisse abgestimmt ist. Ich verbringe täglich acht Stunden und mehr an diesem Ort. Ich muss mich wohlfühlen, damit ich mich auf das Wesentliche, den Text, konzentrieren kann. Und nicht zuletzt unverzichtbar: Nüsse und Obst. Wenn Projekte in die heiße Phase kommen, muss genug von dieser Nervennahrung in der Nähe sein.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?Ich bin Freiberufler, da verschwimmen oftmals die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Viele Dinge, die ich privat tue, sind auch für meinen Beruf relevant, Reisen zum Beispiel, Lesen oder Musikhören. Ich schätze das als großen Vorteil, denn ich kann fast alles, was mich interessiert und begeistert, auch in meine Arbeit einbringen. Gleichzeitig ist es dadurch manchmal schwer, mich in meiner Freizeit zu entspannen. Hinzu kam lange Zeit, dass ich im Homeoffice gearbeitet habe und jederzeit „zur Arbeit gehen" konnte. Deshalb habe ich mir einen stark strukturierten Tagesablauf mit festen Arbeitszeiten angewöhnt. Zum Frühstück „blättere" ich die Branchen-Neuigkeiten in Newslettern und auf Twitter durch, danach geht's ins mittlerweile externe Büro, wo ich erst mal E-Mails lese und beantworte. Dann werfe ich einen Blick auf meine aktuelle To-do-Liste und lege mir einen Plan für den Tag zurecht – und wie der aussieht, ist stark abhängig von den Projekten, die gerade anstehen: lesen und lektorieren bzw. korrigieren, Korrespondenz mit Autoren, Internetrecherche oder Telefonate zu einem Buchprojekt … Ein Fixpunkt ist gegen 13 Uhr die Mittagspause mit Kollegen aus meiner Bürogemeinschaft. Die letzte Stunde halte ich mir oft frei, um administrative Arbeiten zu erledigen oder klar Schiff auf dem Schreibtisch zu machen. So sieht natürlich ein idealer Tag aus. Wenn sehr viel zu tun ist, muss ich dieses Gerüst meist über den Haufen werfen.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag in den letzten Jahren verändert?Die Digitalisierung der Verlags- und Medienwelt stellt auch den Beruf des Lektors gehörig auf den Kopf, so sehr, dass ich mit Kollegen in letzter Zeit öfter darüber gesprochen habe, ob wir nicht eine neue Berufsbezeichnung brauchen. Im Reisebuchbereich sind diese Veränderungen vielleicht noch stärker zu spüren als beispielsweise in der Belletristik. Reiseführerinhalte eignen sich wunderbar für die Verwertung in verschiedenen Medienkanälen, neben Print auch E-Books, Apps, Websites und viele mehr. Eine medienneutrale Produktion ist deshalb langfristig unerlässlich, und die wirkt sich auch auf das Lektorat aus. Für einen meiner Kunden bearbeite ich Texte mittlerweile direkt in Content-Management-Systemen und XML-Daten. Aber auch in anderen Sparten des Buchmarkts ist meines Erachtens ein grundlegendes Verständnis für digitale Produkte und Workflows unerlässlich. Darüber hinaus bringt die Digitalisierung neue Kundengruppen auf den Plan, Self-Publisher zum Beispiel. Zur Textbearbeitung kann dann auch die Erstellung von EPUB-Dateien oder Vertriebs- und Marketingberatung hinzukommen.

Natürlich gehörte es schon immer zur Arbeit eines freien Lektors, sich über technische Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Aber das Ausmaß der Veränderungen durch die Digitalisierung ist schon eine besondere Herausforderung. Abgesehen davon hat der digitale Wandel nicht nur eine technische Dimension. Er wirft ganz grundsätzliche Fragen auf, mit denen sich ja auch die gesamte Branche auseinandersetzen muss: Was unterscheidet digitale Medien vom gedruckten Buch? Wie wird man diesen Unterschieden konzeptionell gerecht? Eine große Herausforderung an uns Lektoren ist, dass wir bereit sein müssen, die Arbeit mit Texten ganz neu zu denken. Das macht aber auch die große Faszination aus, die der Medienwandel in meinen Augen hat.

Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften finden Sie besonders gut, um Ihren Job zu bewerkstelligen?Meine große Sorgfalt und mein Blick fürs Detail – ohne diese Eigenschaften könnte ich meinen Job nicht ausüben. Außerdem meine Neugier und das Interesse für immer neue Themen und Menschen. Und nicht zuletzt meine Kritikfähigkeit – an mir selbst und an anderen. Es gehört zu meinem Alltagsgeschäft, die Arbeit anderer Menschen, die in der Regel sehr viel Herzblut reingesteckt haben, zu hinterfragen. Das geht nicht ohne Feingefühl und Diplomatie. Gleichzeitig muss ich mir auch Kritik von Autoren gefallen lassen und darf sie nicht persönlich nehmen. Und da ich auch selbst Texte schreibe und dann lektoriert werde, kenne ich beide Seiten dieses Austausches.

Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften sind eher hinderlich?Tja, das ist der Klassiker aus dem Bewerbungsgespräch: dieselben wie oben, meine große Sorgfalt und mein Blick fürs Detail. Die Arbeit des Lektors ist immer ein Balanceakt zwischen dem eigenen Perfektionsanspruch und dem was im Arbeitsalltag möglich ist. Da muss ich mich oft zurücknehmen und einen Text freigeben, obwohl ich persönlich noch längst nicht mit ihm fertig bin.

Wie sind Sie zu Ihrem aktuellen Job gekommen?Zum Schritt in die Freiberuflichkeit habe ich mich entschieden, weil mich hier die vielfältigen Möglichkeiten reizten. Die inhaltliche Spezialisierung ergab sich vor allem aus persönlichen Neigungen und Interessen, ein wenig Glück war aber auch im Spiel. Ich reise sehr gern, und ich arbeite gern mit stark strukturierten Inhalten und mit Texten, die eine deutliche Zielgruppenorientierung haben. Das sind gute Voraussetzungen für das Reiseführerlektorat. Dazu kam, dass ich bald nach dem Beginn meiner Selbstständigkeit die Möglichkeit hatte, für die Marco-Polo-Reiseführer-Redaktion zu arbeiten.

Welche Ihrer beruflichen Stationen waren wichtig, um den Job zu bekommen?Während des Studiums absolvierte ich ein Praktikum bei der Europäischen Verlagsanstalt. Am meisten Freude hat mir dort die redaktionelle Arbeit gemacht, und damit war die Entscheidung für mein Berufsziel gefallen. Zuvor hatte ich bereits ein journalistisches Praktikum absolviert und neben dem Studium für Magazine geschrieben. Das war sicher keine notwendige Voraussetzung für meinen Beruf, aber ich profitiere noch immer von diesen Erfahrungen. Das Volontariat im freien Lektorat und die Assistenzzeit danach waren natürlich unerlässlich, denn dort lernte ich mein Handwerkszeug als Lektor.

Welche Ausbildung/welches Studium haben Sie gemacht?Ich habe Geschichte, Neuere deutsche Literatur und Englische Sprache studiert. Eine Ausbildung zum Lektor gibt es eigentlich nicht, aber meine knapp zweieinhalbjährige Mitarbeit im freien Lektorat kann ich guten Gewissens als solche bezeichnen.

War Ihre Ausbildung nötig, um Ihren jetzigen Job zu machen?Ich bin wahrscheinlich der einzige Lektor, der über ein Volontariat bei einer freien Lektorin zu seinem Beruf gekommen ist. Die meisten Kollegen haben zunächst in Verlagen gearbeitet, bevor sie sich selbstständig gemacht haben. Mein Weg in den Beruf ist also beileibe nicht der einzig mögliche. Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass ich so unmittelbar von der Erfahrung einer freien Lektorin profitieren durfte. Nicht zuletzt hat mir das auch den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtert.

Ein sprachwissenschaftliches Studium ist natürlich sehr hilfreich, wenn man als Lektor arbeiten will, notwendige Voraussetzung ist es meines Erachtens nicht. Und dank des Geschichtsstudiums kann ich eine weitere inhaltliche Spezialisierung vorweisen – ich mache ja nicht nur Reiseführer, sondern auch Sachbücher.

Was treibt Sie an, jeden Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu gehen?Mich fesselt einerseits immer wieder die leidenschaftliche Suche nach der einen perfekten Formulierung, das Feilen an Sätzen, bis jedes Wort genau passt. Andererseits liebe ich aber auch die Herausforderung der konzeptionellen Arbeit, das Strukturieren von Ideen und Inhalten. Die Form eines Textes auf allen Ebenen so zu gestalten, dass sie den Inhalt optimal repräsentiert bzw. den Leser bestmöglich anspricht – das ist das Ziel, das mich bei jedem Projekt antreibt und das den Spaß an meiner Arbeit als Lektor und Texter ausmacht.

Welche Aspekte Ihres Jobs machen Sie (un)zufrieden?
Ein ganz wichtiger Zufriedenheitsfaktor bei meiner Arbeit ist, dass sie so abwechslungsreich ist. Ich arbeite mit unterschiedlichen Kunden und Autoren zusammen und beschäftige mich dabei mit sehr unterschiedlichen Texten für unterschiedliche Medien. Und mir stehen unzählige Möglichkeiten zur Weiterentwicklung offen. Unzufrieden macht mich immer mal wieder die wirtschaftliche Unsicherheit als Selbstständiger. Aber die wird durch die besagte Vielfalt der Aufgaben definitiv aufgewogen.

Sehr befriedigend ist übrigens auch der Moment, wenn ich nach Abschluss eines großen Projekts ein Belegexemplar auspacke. Trotz aller Begeisterung für digitale Medien und ihre Möglichkeiten: Das erste Mal ein Buch in der Hand zu halten, in dem auch ein Teil von mir steckt, darin zu blättern und den Duft der druckfrischen Seiten einzusaugen – das ist schon ein tolles Gefühl.