Leipziger Buchmesse: Studie zum Innovationsmanagement

Barometer für die Innovationskraft der Buchwelt

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Fallende Branchengrenzen und Innovation im Dialog: Verlage und Buchhandlungen reagieren mit neuen Strategien auf den Wandel in der Branche. Die Initiative Books in Action und die Hochschule der Medien in Stuttgart stellen in Kooperation mit dem Forum Zukunft des Börsenvereins die Studie „Strategische Innovation im Buchmarkt“ vor.

„Zu printig, zu buchig, zu deutsch“ war gestern: So heißt es in einer entsprechenden Mitteilung des Börsenvereins. Die Unternehmen der Buchbranche würden die Bedeutung von Innovationen für die Zukunft ihrer Unternehmen und der Branche anerkennen und arbeiteten erfolgreich an der strategischen Neuausrichtung auf neue Märkte und Produkte sowie an ihren Geschäftsprozessen und Geschäftsmodellen.

Bei der Herangehensweise an das erfolgreiche Hervorbringen von Innovationen zeigten sich individuelle Unterschiede: Je nach Selbstverständnis, gewachsenen Strukturen und Kulturen im Unternehmen gebe es verschiedene Typen von Innovatoren.

Entsprechende Ergebnisse der ersten bundesweiten Studie zum strategischen Innovationsmanagement im Buchmarkt sind heute in Leipzig vorgestellt worden. Die Untersuchung wurde von den beiden Unternehmensentwicklerinnen Uta Bösch und Ulrike Müller von der Initiative „Books in Action“ und Prof. Dr. Okke Schlüter von der Hochschule der Medien in Zusammenarbeit mit dem Forum Zukunft des Börsenvereins durchgeführt. Hierfür wurden in den drei Monaten von November 2013 bis Januar 2014 21 Verleger und Geschäftsführer von Verlagen aus allen Warengruppen und Buchhandlungen in detaillierten Interviews zum Innovationsmanagement in ihren Unternehmen befragt. Zentrale Ergebnisse (weitere Details gibt es hier, ein Interview mit den Initiatoren lesen Sie hier auf boersenblatt.net) 

Die Innovativität in der Buchbranche wird als hoch wahrgenommen, im Vergleich mit den großen internationalen Technologieunternehmen allerdings als noch zu gering

Insgesamt betrachten sich die befragten Unternehmen im oberen Drittel auf einer Skala von 1 bis 10. Viele Bewertungen werden mit Verbesserungen oder Steigerungen im Verlauf der zurückliegenden drei Jahre begründet. Der Abstand zur Bestnote wird in der Regel mit noch nicht realisierten Potenzialen begründet („Luft nach oben“). Aber im Vergleich zu den globalen Innovationsführern wie Google, Apple und Microsoft sehen sie sich in einem deutlichen Rückstand.

Alle befragten Unternehmen nutzen den Medienwandel aktiv als Chance für Programm- und Produktinnovationen und passen Prozesse und Organisation an die neuen Geschäftsmodelle an

Alle Gesprächspartner benennen für den Zeitraum der letzten drei Jahre Innovationen aus mindestens drei der vorgeschlagen Innovationsbereiche für ihr Unternehmen: Produkt- und Programminnovation, Markt- und Zielgruppen, Prozesse, Organisation, Partner und Geschäftsmodelle. Schwerpunkte der Nennungen sind deutlich kontinuierliche Produkt- und Prozessinnovationen wie auch Neuerungen im Markt- und Zielgruppenbereich. Aber auch Geschäftsmodellinnovationen – zum Teil radikal – werden aktiv verfolgt und umgesetzt.

Innovationsstrategien der Unternehmen verändern die traditionelle Branchenstruktur und Marktgrenzen

Durch die individuellen Positionierungsstrategien der Unternehmen im aktuellen Verdrängungswettbewerb – auch in branchenfremde Märkte, wie z.B. Software, Beratung & Training, Events, Filmbranche, Games – werden die Grenzen der Branche durchlässig. Parallel ist eine zunehmende Spezialisierung der Unternehmen auf Kernkompetenzen und Nischen zu beobachten.  

Bestimmte Innovationsstrategien für bestimmte Marktstrategien geeignet: Je dynamischer der Markt, desto mehr systematische Innovativität ist gefordert

Strategisches Innovativitätsmanagement hat zum Ziel, die Fähigkeit des Unternehmens zu steigern, gezielt und kontinuierlich Innovationen hervorzubringen. Wohingegen das operative Innovationsmanagement darauf ausgerichtet ist, einzelne Innovationen möglichst gut zu entwickeln und zu managen.  

Je größer die Geschwindigkeit des Wandels, desto mehr Dialog mit dem Markt ist erforderlich

Je schneller sich Markt, Technologie und Wettbewerb verändern, desto riskanter ist es, Innovationen erst nach der Entwicklung dem ersten Markttest auszusetzen. Eine Entwicklung im Dialog mit der Zielgruppe z. B. über Befragungen oder Tests, ermöglicht es, kontinuierlich Korrekturen vorzunehmen und damit das Risiko eines Flops zu reduzieren. 

Erfolgreiche Innovationen nehmen Herausforderungen des Marktes an und entwickeln dafür Lösungen

Die Digitalisierung setzt die Unternehmen im Buchmarkt einem hohen Veränderungsdruck aus. Einige Unternehmen reagieren darauf, indem sie der Veränderung ausweichen oder umso stärker an Traditionen festhalten. Andere nutzen dagegen die Situation als Anlass für Innovationen und gestalten aktiv den neuen Markt mit.

Unternehmen haben genug Ideen, die Umsetzung kann noch optimiert werden

Fast alle Gesprächspartner wünschen sich, mehr Ideen aus dem eigenen Haus umsetzen zu können. Der Engpass ist also – wenigstens nicht quantitativ – nicht die Ideenvielfalt, sondern der Ressourceneinsatz zur Umsetzung und die Erfolgsquote der Innovationsprojekte.

Zusammenhang zwischen Strategie und Innovation ist  gegeben, auch wenn Innovationsmanagement nicht überall strategisch verankert ist

In den Interviews wurde deutlich, dass Strategie und Innovationen in fast allen Unternehmen ineinander greifen. Dies ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer systematischen Innovativität als strategischem Ziel, das wiederum nur einige Unternehmen verfolgen.

Innovationsstrategien sind nicht von der Sparte, Größe oder Unternehmensform abhängig, die gewählte Positionierung und Unternehmenskultur des Unternehmens sind deutlich relevanter

Entgegen den Erwartungen konnte keine Korrelation zwischen den genannten formalen Merkmalen festgestellt werden. Vielmehr prägen Selbstverständnis und Unternehmenskultur, auf welche Weise Innovationen hervorgebracht werden.

Unternehmen kämpfen noch damit, Ideen aller Mitarbeiter in den Innovationsprozess zu integrieren

Die Ideen aller Mitarbeiter sind ein innovatives Potenzial, das dem Unternehmen zur Verfügung steht, wenn es die Ideen zur Kenntnis nimmt. Dafür muss für eine Durchlässigkeit der Organisation für innovative Ideen gesorgt werden, unabhängig von Hierarchien.

Unterschiedliche Innovationstypen (Typologie) gehen unterschiedlich mit Innovation um – je nach Typus sind andere Aspekte wichtig

Wie in der Innovationsmatrix ersichtlich wird, gehen Unternehmen unterschiedlich mit dem Thema Innovation um. Einige Unternehmen entscheiden sich dafür, ihre Innovationsprojekte gut zu managen, andere Unternehmen bauen gezielt ihre Organisation so um, dass sie die Fähigkeit verbessern, Innovationen hervorzubringen. Das ist eine strategische Entscheidung. Und dann spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle: Wo setzt das Unternehmen den Hebel an – bei den Menschen oder bei den Prozessen? Beides funktioniert, entscheidend ist, dass es zur Unternehmenskultur passt.

Wie viel Effizienz können wir uns leisten? Zunächst ineffiziente Innovation ermöglichen

Verlage achten zunehmend auf Kostenstrukturen und nutzen Effizienz, um die Gewinnspanne zu stützen. Parallel erfordern Innovationen  andere Rahmenbedingungen, damit sie gelingen. Erst wenn das erfolgt ist, kann man ihre Kostenstruktur optimieren

Führung ist wichtiger denn je

Für jedes innovative Unternehmen spielen die Führungskräfte eine zentrale Rolle. Sie sind gefordert, Mitarbeitern die Strategie so nahezubringen, dass innovative Ideen in eine Richtung entwickelt werden, die das Unternehmen voranbringt. Sie können für ein innovationsfreundliches Klima sorgen, indem Mitarbeiter es wagen, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen und Dinge zu hinterfragen. Und sie müssen auch für die Disziplin sorgen, dass Innovationen zu Ende gedacht und entwickelt werden, dass die richtigen Mitarbeiter am richtigen Platz sind und die Teams funktionieren. Sie können Innovationen ermöglichen oder verhindern.