Börsenverein: Das Branchenparlament hat getagt

Parlamentarischer Rückenwind für die Metadatenbank

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Zügig und einhellig: So hat das 14. Branchenparlament am Mittwochnachmittag ein Großprojekt der Branche auf die nächste Stufe gehoben. Die klare Empfehlung der versammelten Buchhändler und Verleger an den Börsenvereinsvorstand lautet: Weitermachen mit der Arbeit an der Metadatenbank, und zwar auf dem Weg, den die entsprechende, spartenübergreifende Taskforce in einem umfangreichen Papier vorgezeichnet hat.

Ziel des Projekts ist es, die Titeldatenbank VLB zu einem Marketinginstrument für die gesamte Branche weiterzuentwickeln. Bei seiner Sitzung im Frankfurter Haus des Buches hat das Branchenparlament den Vorstand des Börsenvereins am Mittwoch dazu aufgefordert, alle notwendigen Schritte für den zügigen Ausbau des VLB zur Metadatenbank zu unternehmen (keine Gegenstimmen, eine Enthaltung).

Als Richtschnur sollen die Empfehlungen dienen, die eine entsprechende Taskforce aller drei Sparten zur Leipziger Buchmesse vorgelegt hat. Das vollständige Papier ist hier abrufbar. Bei der Arbeit an dem Großprojekt soll der Vorstand die finanzielle Machbarkeit im Blick behalten – und außerdem die Empfehlungen und Ratschläge beherzigen, die heute im Vorfeld der Sitzung von den drei Fachausschüssen erarbeitet wurden. Mehr dazu lesen Sie in den Berichten aus dem Verleger-Ausschuss, dem Sortimenter-Ausschuss und dem Ausschuss für den Zwischenbuchhandel.

Parlamentspräsident Matthias Ulmer (siehe auch das Videointerview unten) erinnerte in seiner kurzen Einführung ins Thema daran, dass die Idee einer solchen Metadatenbank aus der Mitgliedschaft gekommen und zunächst in Foren diskutiert worden sei: "Ich finde es sehr positiv, dass wir jetzt hier stehen und schon über ein Konzept reden. Wir sind sehr schnell sehr weit gekommen. Das stimmt mich optimistisch".

MVB-Chef Ronald Schild zum Stand der Dinge und den weiteren Plänen

Im Juni 2013 hatte die Hauptversammlung des Börsenvereins den Grundsatzbeschluss für eine Metadatenbank gefasst, die allen Sparten der Branche dienen soll. "Diesen Auftrag haben wir sehr ernst genommen": Das machte MVB-Geschäftsführer Ronald Schild im Branchenparlament deutlich.

Er stellte in einer ausführlichen Präsentation den Stand der Dinge vor - und die Empfehlungen der ehrenamtlichen Taskforce, die sich im vergangenen halben Jahr intensiv mit dem Leistungsumfang, der Priorisierung der Aufgaben und der Finanzierbarkeit des Branchenprojekts befasst hat. Die Präsentation steht unten zum Download bereit. 

Die Zusammenarbeit mit der Taskforce sei von großer Offenheit und Kompromissbereitschaft geprägt gewesen, zog Schild Bilanz. Im November 2013 kam die Gruppe aus 22 Branchenvertretern zum ersten Mal zusammen und beschloss, das Großprojekt in drei Teilprojekte zu zerlegen – Datenqualität /semantische Suche, Bewertungsdatenbank und Digitale Vorschau.

 

„Wir wollen, dass das Projekt von der gesamten Branche mitgetragen wird“

Drei Arbeitsgruppen haben sich intensiv mit den Themen auseinandergesetzt, zur Leipziger Buchmesse konnte die Taskforce den Branchenkollegen ihre Empfehlungen für die Metadatenbank präsentieren. „Wichtig ist, dass wir die Ergebnisse nun in der Branche diskutieren“, betonte Ronald Schild: „Wir wollen, dass das Projekt von der Gesamtheit mitgetragen wird“. Das Papier wird in den kommenden Wochen unter anderem bei den Mitgliederversammlungen der Landesverbände und weiteren Tagungen vorgestellt.

Der weitere Zeitplan:

  • Entwicklung und interne Abstimmung eines Preis- und Finanzierungsmodells
  • Kommunikation des Finanzierungsmodells an die Taskforce
  • Vorstellung des Gesamtkonzepts auf der Hauptversammlung des Börsenvereins am 6. Juni, mit Mitgliederbeschluss

Der Umbau des VLB zum VLB +

Den Weg für die Metadatenbank ebnet die MVB schon jetzt durch verschiedene Schritte:

  • Seit eineinhalb Jahren ist die Wirtschaftstochter des Börsenvereins dabei, das VLB, das bisher von einem Dienstleister in Belgien betreut wurde, zurück ins Haus zu holen und technisch ganz neu aufzusetzen. Ab Januar 2015 soll die neue Lösung an den Start gehen, unter anderem mit erheblich verbesserter Benutzerführung bei der Titeleingabe und mehr automatischen Prüfmechanismen für die Qualität der gemeldeten Titel. 
  • Im September 2014 startet die Ausspielung der THEMA-Verschlagwortung an Buchhändler / VLB-Kunden, außerdem soll die Vollständigkeit der Grunddaten wie Coverabbildung und Lieferbarkeitsstatus Zug um Zug erhöht werden.

"Daten verkaufen Bücher": Diese Botschaft aus einer Studie von Nielsen Bookscan machte Schild vor dem Branchenparlament noch einmal deutlich: Wird der Titeleintrag in einer Datenbank von einem Cover begleitet, dann verkauft sich ein Buch gleich dreimal so gut. Zusatztexte erhöhen die Drehzahl weiter. "Das sollte uns nachdenklich machen - Verlage bei der Pflege ihrer Daten, Händler beim Shop- und Katalogaufbau", mahnte Schild.

Die Sinnfrage: Braucht die Branche überhaupt eine Metadatenbank?

Bessere Daten, mehr Zusatzinformationen: Genau das soll die Metadatenbank leisten. "Natürlich haben wir uns auch die Sinnfrage gestellt, ob die Branche überhaupt ein VLB+, eine Metadatenbank braucht", so Schild. Fazit: Das Gemeinschaftsprojekt würde viele Vorteile gegenüber schon bestehenden Katalogen bieten:

  • Vollständiger Titelkatalog in Breite und Tiefe
  • Unabhängigkeit und Neutralität
  • Preisreferenz/Rechtssicherheit
  • Zuverlässige Lieferbarkeitsinformationen für alle Titel
  • Verbesserte Auffindbarkeit mit neuen Suchalgorithmen
  • Zusatzinhalte (Bewertungsdatenbank, Digitale Vorschauen)
Das Wichtigste: Die Datenqualität 


Eine zentrale Rolle wird die Datenqualität spielen, die im VLB derzeit durchaus heterogen sei, wie Schild einräumte – weil die Verlage die Titel selbst einpflegen. Nur zwei Drittel der gelisteten Titel werden zum Beispiel von einer Coverabbildung flankiert: "Neue Titel haben in der Regel besser gepflegte, aber auch keine vollständigen Metadaten. Und große Verlage melden in ähnlich guter oder schlechter Qualität wie kleine".

Welche Datenfelder sind für Buchhändler und Verleger wichtig? Das hat die MVB mit einem Fragebogen bei ihren Kunden ermittelt. Ganz weit vorn rangiert die Lieferbarkeit. "95 Prozent der Verlage halten Lieferbarkeit für unverzichtbar oder wichtig, aber gleichzeitig melden Verlage den Lieferbarkeitsstatus nur für 57 Prozent der Titel im VLB", erläuterte Schild. Geplant ist deshalb, die Auslieferungen mit täglichen Updates ins Boot zu holen. Auch mit den Barsortimenten werden Gespräche geführt.

Die Gretchenfrage: Zur Finanzierung des Projekts

Außerdem soll es künftig ein finanzielles Anreizsystem für Verlage geben: Wer gute Datenqualität liefert, wird belohnt – und soll für seine Titelmeldungen deutlich weniger bezahlen als bislang. Wie könnte ein solches Gebührenmodell in Zahlen aussehen? „Das ist die Gretchenfrage, die sich stellt", räumte Schild ein, "aber noch kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben. Das VLB ist ein sehr wichtiges Produkt der Börsenvereinsgruppe. Deshalb nehmen wir uns ganz bewusst Zeit, um die Finanzierung der Metadatenbank sorgfältig auszuloten".

Schild steckte im Branchenparlament jedoch einige Rahmendaten ab:

  • Die Grundgebühr für eine Titelmeldung soll im neuen VLB+ deutlich unter dem aktuellen Preis von 3,40 Euro liegen – wenn der Verlag gute Datenqualität liefert (entsprechende Kriterien für die Datenfelder hat die Taskforce in ihren Empfehlungen entwickelt).
  • Bei schlechter Qualität wird es teurer, "aber nicht prohibitiv", betonte Schild. Schließlich wolle man die Verlage nicht abschrecken. Für ältere Titel ist eine Sonderregelung angedacht.
  • Spareffekte wird es beim VLB durch den Wechsel vom externen Dienstleister zur Inhouse-Lösung fürs VLB geben. "Das wollen wir an die Branche weitergeben", so Schild.
  • Außerdem wird die Finanzierung von VLB und libreka! künftig entkoppelt: Derzeit finanzieren die Verlage mit ihrer Gebühr beide Services, der neue Beitrag wird nur noch ins VLB beziehungsweise ins neue VLB+ fließen.

Mit Mehreinnahmen aus dem finanziellen Anreizsystem kalkuliere die MVB nicht, betonte Schild: "Wir wollen die Branche nicht belasten, sondern entlasten, wenn die Datenqualität steigt." Die Sorge, dass kleinere Verlage künftig stärker zur Kasse gebeten würden, ist aus seiner Sicht unbegründet – die Meldequalität der Verlage unterscheide sich im VLB derzeit nicht nach Größenklassen.

Die Bedingungen für den zweiten Baustein: Die Bewertungsdatenbank

Die Taskforce hat sich auch mit der Idee befasst, eine unabhängige Bewertungsdatenbank für den deutschsprachigen Buchhandel durch die MVB entwickeln zu lassen. Basis ist ein eigenständiges Geschäftsmodell, die Kosten sollen laut Empfehlung der Taskforce vom Buchhandel getragen werden.

50 neue Bewertungen pro Tag, von Kunden wie von Buchhändlern, seien mindestens erforderlich, um ein relevantes Volumen zu erreichen, betonte Schild – und rechnete hoch, dass deshalb ein Minimum von 350 teilnehmenden Buchhandlungen erforderlich sei, um den Bewertungspool zu füllen. Zur Zeit würden intensive Gespräche mit den Barsortimenten geführt, um auch sie für das Projekt zu gewinnen.

Digitale Vorschau / Titelinformationssystem

Vom dritten Baustein der Metadatenbank, einem digitalen Vorschauservice, verspricht sich die Branche erhebliche Effizienzvorteile für den Buchhandel. Bieten soll dieses, von den Verlagen finanzierte Titelinformationssystem unter anderem

  • eine verlagsübergreifende Titelbündelung nach Warengruppen / ABC-Verlagen und weiteren Kriterien
  • eine direkte Bestellfunktion
  • eine Exportfunktion fürs Endkundenmarketing

Neben reinen Titelinformationen sollen hier auch Buchtrailer, aktuelle Lesetermine, Autorenvideos, Hörproben oder Leseproben abrufbar sein. „Es geht nicht darum, die gedruckte Vorschau abzuschaffen, sondern darum, Kosten zu senken und aktueller zu sein“, erläuterte Schild. „Vor einem Jahr hätte ich mich nicht getraut, ein solches Projekt im Sortimenter-Ausschuss vorzustellen. Aber die Stimmung hat sich gewandelt: Anfangs war die digitale Vorschau verlagsgetrieben, heute kommt auch aus dem Buchhandel viel Zustimmung“.

Die MVB sieht Schild dabei als "Moderator in einem Prozess, bei dem mehrere Dienstleister aktiv werden". Um genaue Kriterien für die Anforderungen an das Profil und die Schnittstelle eines solchen Vorschauservice zu definieren, will die MVB unter anderem das Gespräch mit buchhändlerischen Verbünden wie der eBuch und der LG Buch suchen.

Lob von den drei Fachausschüssen


Vor der Abstimmung im Branchenparlament, die ohne weitere Diskussion über die Bühne ging, kamen die drei Fachausschüsse zu Wort, die sich in ihren Sitzungen am Vormittag ausführlich mit dem Thema Metadatenbank befasst hatten.

Der Verleger-Ausschuss habe die Empfehlungen der Taskforce sehr positiv aufgenommen, berichtete Joachim Kaufmann (Carlsen) dem Branchenparlament. „Wir haben ein klares Interesse daran, dass der libreka!-Euro abgeschafft wird“. Bei der Arbeit am neuen Gebührenmodell wollen die Verlage intensiv einbezogen werden. „Wir Verleger freuen uns darauf, dass wir bald viele bessere Daten haben – und vielleicht auch digitale Vorschauen“. Wichtig sei, dass die Verlage die Hoheit über ihre Daten behalten würden, wenn sie das wollten.

Für den Sortimenter-Ausschuss formulierte Thomas Wrensch (Buchhandlung Graff, Braunschweig) verlässliche Lieferbarkeitsdaten als zentralen Wunsch an das Metadatenbank-Projekt. Und er machte deutlich, dass die Bewertungsdatenbank von allen profitierenden Nutzern getragen werden müsse. Die komplette Stellungnahme der Sortimenter lesen Sie hier.

Für die Zwischenbuchhändler unterstrich der Vorsitzende Stefan Könemann, dass die Lieferbarkeit bei Verlagen und Verlagsauslieferungen auch für die Logistiker der Branche ein wichtiger Punkt sei. "Bei Barsortimenten ist das aus unserer Sicht nicht ganz so entscheidend, weil die Kunden den Status hier ohnehin sehen, aber die Gespräche mit der MVB laufen."

Außerdem Thema im Branchenparlament: Das Freihandelsabkommen

Neben der Metadatenbank gab es nur noch ein weiteres Thema im Branchenparlament: Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Hierzu lieferte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis am Rednerpult ein kurzes Update: Mitte März habe die jüngste Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen stattgefunden - "über die wir nach wie vor so gut wie nichts wissen". Er kritisierte, dass die Kommunikation der EU zu diesem Abkommen katastrophal sei: "Geheimniskrämerei" führe zwangsläufig zu Verdachtsmomenten.

Wie berichtet, fürchtet der Börsenverein, dass durch das Freihandelsabkommen auch die Preisbindung für Bücher gefährdet sein könnte, wenn es keine kulturelle Ausnahmeregelung gibt. "Wie schnell die Preisbindung geopfert wird, zeigt das Beispiel Griechenland", so Skipis. Das griechische Parlament hatte vor wenigen Tagen die Preisbindung für Bücher abgeschafft (ausgenommen sind nur belletristische Titel in der ersten Auflage). Hintergrund: Die EU hatte Markt-Liberalisierungen in Griechenland eingefordert, denen nun die Preisbindung zum Opfer gefallen ist.

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Im angefügten Videointerview fasst Parlamentspräsident Matthias Ulmer die Diskussionen zu VLB+ auf dem Branchenparlament zusammen.