Hörbuch-Verleger blicken in die Kristallkugel

Wo steht das Hörbuch in fünf Jahren? Und in zehn Jahren?

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt auch für Hörbücher, der Umsatz verdoppelt sich, in den Buchhandlungen werden "Höroasen" eingerichtet - wie Hörbuch-Verleger sich die Zukunft vorstellen. Eine Umfrage zum Erscheinen des Börsenblatt Spezials Hörbuch, Filme & Musik.

Johannes Stricker, Hörbuch Hamburg:

2019: Die Zahl der Hörbuchhörer hat sich weiter erhöht- denn auch die jungen Zielgruppen hören immer mehr Literatur per Kopfhörer- und trotz aller Digitalisierung ist die CD immer noch das beliebteste Medium: 2/3 des Hörbuchumsatzes wird nach wie vor von der CD generiert. Die Buchhandlungen wissen das zu schätzen:  Die Präsentationsfläche in den Läden hat sich wieder erhöht. Der Handel konzentriert sich auf seine Kernkompetenzen: Literaturvermittlung durch Sortimentspflege und Beratung.  Achja:  Endlich liegt die Mwst. des Hörbuchs bei 7% wie beim Buch! UND Hörbuch Hamburg wird 20!

2024: „Höroasen“ in den Buchhandlungen in den großen Städten, wo der Buchhandelsgast  mit Kopfhörern und einer guten Geschichte im Ohr der schrillen Bilderflut und dem Lärm der Straße  für eine schöne Weile  entkommen kann;   die Hugendubel,- Thalia-, Rupprecht- oder Osiander-Flatrate, bei der der Kunde monatlich ein fixes Guthaben an Literatur zum Lesen und Hören hat , verbunden mit dem Kauferlebnis vor Ort oder bequem online zuhause zu genießen;  eine zunehmende Nachfrage und ein entsprechend gewachsenes Angebot an fremdsprachigen Hörbüchern für die Menschen mit Migrationshintergrund  und Einwanderer, die Deutschland bereichern;  multimediale „Literaturanwendungen“, in denen man wahlweise lesen, hören oder Bilder schauen kann; technische Innovationen bei den Trägermedien und Abspielgeräten: Die Entwicklung, dass Literaturhören immer und überall einfacher wird, wird sich auch zukünftig fortsetzen und beschleunigen …Die Zukunft des Literatur-Hörens ist jedenfalls vielfältig, vielversprechend und wächst mit den technischen Möglichkeiten!

Markus Langer, Verlagsleiter Oetinger Media: 

Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Ich bin sehr sicher, dass wir auch in 10 Jahren noch CDs  beziehungsweise Audioprodukte für Kinder in physischer Form verkaufen werden. Natürlich werden andere Vertriebswegeperspektivisch weiter zulegen. Aber ich glaube fest an die „reine Form“  bestimmter Formate. Das heißt: Auch in Zeiten zunehmender Medienkonvergenz und Verbreitung von Tablets und Smartphones wird das Hören seinen eigenen Stellenwert behalten. Schon vor dem Hintergrund, dass es eine Vielzahl von Alltagssituationen gibt, wo eben nur das reine Hören möglich ist oder visuelle Reize sogar als störend empfunden werden.

Stephanie Mende, Geschäftsführerin Audio Media Verlag:

Das haben wir uns 2004 als wir mit Audio Media gestartet sind auch gefragt. Alle Prognosen, die sowohl von Meinungsforschern und Branchenkennern als auch von den Hörbuchkunden und Verlagskollegen abgegeben wurden, haben sich im Nachhinein als falsch erwiesen. Weder bewirkte die Verbreitung des Hörbuchs eine Verdrängung des gedruckten Buches, noch wurden die CDs von den Downloads vom Markt verdrängt. Insofern kann ich nur Folgendes sagen: Wir machen seit zehn Jahren mit ganz viel Herzblut und großer Leidenschaft Hörbücher - das werden wir auch in fünf und in zehn Jahren noch tun! Davon bin ich überzeugt. Und als Überzeugungstäter sind wir jeden Tag damit beschäftigt, neue Zielgruppen zu erschließen und für unser tolles Medium zu begeistern. Gleichzeit sind wir flexibel und reagieren auf Marktveränderungen zu reagieren. Bestes Beispiel sind die Hörbuch-SnapCards, ein Projekt aus unserem Haus, dem wir derzeit viel  Zeit widmen und bei dem wir erste, sehr vielversprechende Erfolge erzielt haben.

Kilian Kissling, Argon Verlag:

Anders als bei Büchern, Filmen oder der Musik ist der Hörbuchmarkt noch auf Jahre ein Wachstumsmarkt, der weitere relevante Bevölkerungsschichten erreichen kann und wird. Offen ist die Frage, in welcher Form die Menschen ihre Unterhaltung zukünftig beziehen werden. Die Menschen werden zukünftig entscheiden, welche Bücher, Hörbücher, Musik oder Filme sie noch besitzen möchten und bei welchen es ihnen reicht, sie nur vorübergehend, so lange es von Interesse ist, hören, lesen oder sehen können. Das ist viel weniger ein technischer als auch ein psychologischer Trend, bei dem es schwer ist vorherzusagen, in welchem Tempo er voranschreiten wird.  Bei Hörbüchern wächst die Nachfrage derzeit noch sowohl im Kaufmarkt (egal ob CD oder Download) als auch bei „flüchtigen“ Darreichungsformen, so dass wir derzeit vermuten, dass die verschiedenen Bezugsformen auch in 5 Jahren gedeihlich koexistieren werden.

Amadeus Gerlach, Der Audio Verlag DAV:

In fünf Jahren wird der Hörbuchmarkt 50 Prozent größer sein als heute. Dabei wird sich der Downloadanteil verdoppelt haben.

Andrea Herzog, HörCompany:

10 Jahre: Gibt die Kristallkugel nicht her, da wird sie undurchsichtig (Hellblau? Hellgrau? Hellgelb?)
5 Jahre: Hörbücher für Kinder wird es weiterhin geben, denn Kinder brauchen etwas in der Hand. Ein echtes Geschenk, keinen Code, keine Karte ... Ob sich bis dahin mp3 als Standard durchgesetzt hat, hängt stark von den Geräten ab, die der Handel anbietet (z.B. auch in Autos). Auch Erwachsene und Jugendliche haben nach wie vor einen “Sammeltrieb”, möchten “Dinge” haben und nicht nur Dateien in irgendeiner Cloud. Aber natürlich ist ein mp3 Player oder ein ipod sehr praktisch beim Joggen, auf Reisen, am Strand ... Es kann sein, dass Streaming-Dienste deutlich zunehmen werden, die Frage ist nur, ob sich daraus auch Geschäftsmodelle für alle Beteiligten entwickeln lassen, also auch für Urheber und Verlage.

Gabriele Swiderski, Jumbo:

Es steht sowohl in den Downloadportalen, den Internetshops und auch in allen cleveren Fachgeschäften der realen Welt, die ihre Kunden noch kennen und beraten. Und natürlich in allen Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmern der Hörbuch-Genießerinnen und -Genießer.

Marc Sieper, Lübbe Audio:

Ich denke, dass das Hörbuch im Umsatz weitestgehend stabil bleiben wird … in fünf Jahren als auch in zehn Jahren. Die Vertriebswege werden sich weiter hin zum Digitalen verschieben, dennoch bleibt der Geschenkcharakter des Hörbuchs (in seiner physischen Variante) bestehen, also wird es die CD oder MP3-CD noch etliche Jahre geben.

Und es werden die großen einzelnen Spitzentitel die Umsatzbringer, die tragenden Säulen bleiben. Die Midlist wird breit sein, C-Titel werden immer weniger eine Chance auf dem Markt haben. Die „Schätzchen“ werden sich die Verlage nur durch die finanzielle Unterstützung der Spitzentitel leisten können.

Peter Bosnic, Steinbach sprechende Bücher:

Wir sind zuversichtlich, dass der Hörbuchmarkt sich weiter positiv entwickelt und wir weiter mit Herzblut Hörbücher machen. Warum sollte das auch anders sein? Double your time, beim Sport,  beim Autofahren oder Bügeln, das werden auch weiterhin Orte sein, an denen gerne und viel gehört wird. Eine große Awareness-Kampagne wünschen wir uns, für die vielen Menschen, die vielleicht schon wissen, was ein Hörbuch ist, aber noch nie eins gehört haben. Um ihnen den Erstkontakt zu liefern, damit sie erfahren wie toll Hörbücher sind und Lust auf mehr davon bekommen.
Heike Völker-Sieber, Hörverlag:

Ein 10-Jahres-Ausblick wäre nicht seriös. Prognose für die nächsten fünf Jahre: Umsatz- und Absatzentwicklung im physischen Markt stabil bzw. leicht steigend. Download-Umsatz und –absatz steigend. Stoff zum einmaligen Hören verstärkt als Download, im physischen Markt wächst die Bedeutung von Qualität, Ausstattung, Gestaltung, Material, zusätzlichen Gimmicks. Und das gehört ja schon immer zu unseren „Kernkompetenzen“ ;-)

 

Das 74 Seiten starke Börsenblatt Spezial Hörbuch, Filme & Musik erscheint am 3. April.