Frankfurter Buchmesse erneuert Hallenkonzept

Das Fünf-Minuten-Versprechen der Messe

16. Juli 2015
von Torsten Casimir
"Mehr Geschäft durch mehr Kontakte": Die Frankfurter Buchmesse hat ihr Hallenkonzept erneuert. Ab 2015 rückt die englischsprachige Welt näher ins Zentrum − und damit näher heran an die deutschen Aussteller. Direktor Juergen Boos sieht in den neuen Nachbarschaften viele Vorteile. Nicht nur Zeitgewinn.

Die Frankfurter Buchmesse räumt ihre Hallen um. Ab 2015 will das Team um Messedirektor Juergen Boos insbesondere die englischsprachigen Aussteller näher ins Zentrum des Geschehens rücken. Ziele der neu geordneten Infrastruktur: mehr Interaktionsmöglichkeiten und verbesserte Verkehrsströme. Oder, wie Boos es formuliert: "mehr Geschäft durch mehr Kontakte".

Neue Nachbarschaften, kürzere Wege

Im Oktober kommenden Jahres wird es auf dem Messegelände also neue Nachbarschaften geben und für viele auch kürzere Wege. Das Versprechen konkret: "Alle relevanten Geschäftspartner und Geschäftsbereiche werden nur noch fünf Gehminuten voneinander entfernt sein", so steht es in einem Papier zum neuen Konzept.

Mit ihren wichtigsten interna­tionalen Kunden − Publikums- und STM-Verlagen, Kinderbuchverlagen, nationalen Gemeinschaftsständen − hat die Messe in den vergangenen Monaten intensiv über die Pläne diskutiert. Gabi Rauch-Kneer, in Frankfurt verantwortlich für die Layouts der Hallen, berichtet von sehr positiver Resonanz: "Wir sind überzeugt, dass uns ein innovatives Gesamtkonzept gelungen ist."

Dieses Konzept hat viele Facetten. Ein erster Überblick:

  • Die englischsprachige Welt trifft sich in den Hallen 6 und 4. Halle 8, wo bisher recht weitab vom Schuss die Amerikaner untergebracht waren, wird aufgegeben. Zusatzfläche entsteht auf zwei weiteren Ebenen in der Halle 6: die 6.2 und obendrauf die 6.3 als "Literary Agents & Scouts Centre". In den letzten Jahren hatte die abgelegene Platzierung der Amerikaner zu hohen Zeitverlusten durch lange Laufwege geführt. Der nun beschlossene Umzug ist Boos zufolge im Interesse aller Geschäftspartner, denn "bis vor wenigen Jahren waren die Amerikaner fast nur Verkäufer, inzwischen kaufen sie zunehmend auch ein".
  • Neue Wachstumsmärkte in Asien rücken auch auf der Messe künftig stärker in den Fokus. Der Plan sieht vor, dass die dynamischen Regionen Asiens, Indien und die arabische Welt zentral in Halle 4 zu finden sind − also näher an die deutschen und englischsprachigen Hallen heranrücken.
  • Fokussierung ist die Leitidee ebenfalls für Halle 5. Dort werden künftig Verlage und Unternehmen aus Lateinamerika, der spanischsprachigen Welt, aus Frankreich, Italien, den Niederlanden, Skandinavien und Osteuropa untergebracht. Was anmutet wie ein Kessel Buntes und was die Buchmesse "United Nations of Publishing" nennt, ist kohärenter, als man auf den ersten Blick meinen sollte: Zwischen den Lateinamerikanern und Ausstellern aus dem Mittelmeerraum gebe es "eine große inhaltliche Nähe", sagt Juergen Boos.
  • Die Halle 4.2 bleibt der Ort des Wissens. Die dort schon lange beheimateten Wissenschaftsverlage bekommen internationale Fachverlage als neue Nachbarn.
  • Nutznießer der zentralen Positionierung englischsprachiger Aussteller sollen auch die deutschsprachigen Aussteller werden. Sie verbleiben in den Hallen 3 und 4, haben ab 2015 aus Sicht der Planer also einen "deutlich schnelleren und unkomplizierteren Zugang zu ihrem internationalen Geschäft".
  • Für Kunden, deren Hauptinteresse im Netzwerken liegt und weniger in der Sichtbarkeit eines Ausstellers, hat die Messe soeben den Frankfurt Book Fair Business Club ins Leben gerufen. Durch neue Dialogformate und eine schärfere Profilierung der Fach-Communitys will man die Frequenz und Qualität der Geschäftskontakte steigern.

    Noch entschiedener als bisher will Frankfurt die Business- von der Publikumsmesse trennen. Die Tage Mittwoch bis Freitag bleiben dem konzentrierten Geschäft vorbehalten, "und Freitagabend legen wir den Hebel um und sind Publikumsmesse", sagt Boos. Die Agora als Freifläche zwischen den Hallen wird als Ort für Endkunden aufgewertet. Angekündigt sind ein erweitertes Open-Stage-Programm, ein neues Lesezelt sowie innovative Festival-Formate sowohl für junge als auch für erwachsene Endkonsumenten. Direkter Austausch zwischen Verlagen, Autoren und Lesern ist erwünschtes Ziel.
  • Ein schwieriges Problem in Frankfurt, bedingt durch die räumliche und bauliche Situation auf dem Gelände, ist die Kanalisierung der Besucherströme zu den Hochfrequenzzeiten. Dazu plant die Messe Verbesserungen der Orientierung durch klarer markierte "Quartiere" und Schwerpunktbildungen. Ein Beispiel ist die Halle 4.2 als Welt des Wissens mit dem International Library Centre, dem Klassenzimmer der Zukunft und den beiden Hot Spots Professional & Scientific Information sowie Education. Auch die Halle 3.1 soll neben Literatur und Bildung mit dem Schwerpunktthema "Creative Living" (Gourmet Gallery, Do-it-yourself-Angebote) eine Art Ortsschild erhalten.
  • Passend zu der optimierten Orientierung will die Messe verstärkt geführte Touren durch die Hallen und über die Freiflächen anbieten, die auf spezielle thematische Wünsche der Besucher abgestellt sein sollen.

Noch nicht alle Fragen sind geklärt

Die Diskussion über den Messe­relaunch wird in den nächsten Monaten fortgesetzt. Noch nicht alle Fragen sind zur Zufriedenheit aller beantwortet. Insbesondere die Neuordnung der Halle 4 (die erheblichen internationalen Zuwachs erhält, aber ja nicht größer wird) und ihre Folgen beschäftigen Juergen Boos und Gabi Rauch-Kneer derzeit intensiv. Mit den Dienstleistern, vor allem den Verlagsauslieferungen und Barsortimenten, sei man über eine Neupositionierung "in konstruktiven Gesprächen". Eine gewisse Entlas­tung für die Halle 4 soll sich auch durch die Verlagerung von bisher dort platzierten Veranstaltungsflächen auf die Agora ergeben.

Eine andere Konsequenz aus der zunächst an Sprachräumen und erst in zweiter Linie an Sachmärkten orientierten Neuordnung wird sein, dass der Besucher weder ein Kinder- und Jugendbuchzentrum noch etwa eine "digitale Halle" antreffen wird. "Kinder- und Jugendbuch wird in jeder Halle vorkommen", erläutert Boos; Zweit- und Drittplatzierungen seien für die Verlage "einfach keine sinnvolle Alternative". Und die Digitalisierung sei "längst kein isolierbares Thema mehr, sondern durchzieht den Alltag im gesamten Buchgeschäft".

Das Konferenzgeschäft macht den Frankfurtern offenbar Freude. "Es wächst", sagt Boos und führt das vor allem auf das starke internationale Interesse an "Networking, Benchmarking und Weiterbildung" zurück. Mehr als die Hälfte aller Teilnehmer an den ­diversen Konferenzformaten in Frankfurt kämen aus dem Ausland. Gründergeist und innovative Pub­lishing-Geschäftsmodelle an der Schnittstelle von Inhalten und Technologien sollen auch in Zukunft die Angebote insbesondere für den Branchennachwuchs prägen – und so den hohen Anspruch der Frankfurter Messemacher einlösen, die "Welthauptstadt der Ideen" zu sein.