Frühjahrstagung der Ratgeberverlage

Marketing auf allen Ebenen

12. Mai 2014
von Börsenblatt
Bei großen Filialisten sind Ratgeber gut vertreten, im kleineren und mittleren Sortiment sehen die Verlage aber noch Lücken – und wollen jetzt einen neuen Anlauf nehmen, um diese Lücken zu schließen. Bei ihrer Jahrestagung in Berlin diskutierten sie erste Projekte.
Fünf Prozent mehr Umsatz im Jahr 2013, zwei Prozent mehr verkaufte Titel, 700.000 zusätzliche Käufer (2013 insgesamt: 15,2 Millionen): Die Marktlage ist für Ratgeberverlage nach Jahren des Rückgangs wieder recht komfortabel. Das hebt die Laune in den Verlagen, macht Lust auf frischen Wind und neue Projekte – die Herbstvorschauen werden es zeigen.  

Zum Auftakt des Frühjahrstreffen am vergangenen Freitag, das erneut bei der Stiftung Warentest in Berlin stattfand, präsentierte Christof Klocker – Verlagsleiter bei Gräfe und Unzer und zugleich Mitglied im AkR-Sprecherkreis – zunächst die Zahlen des Vorjahres, freute sich zudem darüber, dass 2014 „nicht schlechter gestartet“ sei. Was aber wohl nicht für alle stimmt: Vor allem die Probleme bei den Filialisten – in erster Linie bei Weltbild – haben dem Ratgebermarkt im ersten Quartal einen Dämpfer verpasst. Wie berichtet, konnte er sein hohes Wachstumstempo nicht halten, liegt nach dem Ende des ersten Quartals 0,4 Prozent im Minus (im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, laut Branchen-Monitor Buch / GfK Entertainment; Vertriebswege: Sortiment, E-Commerce, Bahnhofsbuchhandel, Warenhaus). Der Anteil der Ratgeber am Gesamtmarkt pendelte sich bei 18,3 Prozent ein.  
Bessere Sichtbarkeit im Handel: Wie sich kleinere und mittlere Sortimente mit Ratgebern profilieren können

Über die Krise der Großen, und die Folgen für das eigene Haus, fiel in den offiziellen Runden bei der Jahrestagung nicht ein Wort. Sie kam nur unter vier Augen zur Sprache – jeder scheint das lieber mit sich selbst auszumachen. Gemeinschaftlich agieren die Ratgeberverlage indessen, wenn es um das kleinere und mittlere Sortiment geht. Hier würden sie gern langfristig eine bessere Sichtbarkeit erreichen – und machen sich nun auf den Weg, Schritt für Schritt. Die vor einem Jahr gegründete AG Sortiment des Arbeitskreises hat mittlerweile erste Projekte am Start, die in Berlin vorgestellt wurden:

Projekt 1: Seit Mitte April bereiten rund 30 Studierende an der Fakultät Medien der HTWK Leipzig eine Studie vor, die Ratgeberverlagen dabei helfen soll, ein paar knifflige Fragen zu klären: Welches Image haben Ratgeber im Buchhandel? Wie lässt sich dieses Image weiter heben? Wie präsentieren Buchhändler die nützlichen Bücher in ihren Läden? Was erwarten sie von Ratgeberverlagen, welche Informationen und Hilfen benötigen sie?

Die Studie richtet sich in erster Linie an das kleinere und mittlere Sortiment und soll bis August  abgeschlossen sein. Die Ergebnisse sollen dann während der Herbsttagung des AkR besprochen werden. Von Seiten der HTWK wird die Studie von Professor Heiko Hartmann betreut, aus dem AkR ist Sabine Melchert eingebunden; sie ist Programmleiterin und Lektorin beim Buchverlag für die Frau in Leipzig.


Projekt 2: Die AG Sortiment fährt nächstes Wochenende zum Jahrestreffen des AkS (Arbeitskreis unabhängiger Sortimente) nach Köln. Folkert Roggenkamp, Marketing- und Vertriebsleiter bei Delius Klasing, will dort über „ein wahres Umsatzvergnügen“ reden: So hat er seinen Vortrag überschrieben – in Berlin absolvierte er vor seinen Kollegen bereits einen ersten Testlauf. Fazit: Die Buchhändler vom AkS erwartet eine fröhliche Spritztour durch die Welt der Ratgeber, informativ und inspirirend.

Roggenkamps Vortrag ist als Einladung an kleinere und mittlere Sortimente gedacht, Ratgeber neu wahrzunehmen, sich mit nutzwertigen Themen bei Kunden zu profilieren und mit Verlagen engeren Kontakt zu suchen. Umgekehrt will Roggenkamp Antworten einsammeln – auf die Frage: Wie Verlage Buchhändler im Alltag besser unterstützen können.  
   
Standpunkte: Was (Buch-)Händler unternehmen, um ihre Zielgruppen zu erreichen

Dass Ratgeberverlage versuchen, mit Buchhändlern abseits der üblichen Vertriebspfade ins Gespräch zu kommen, zeigt sich aber auch noch anders: Zum zweiten Mal öffnete der AkR diesmal seine Tagung in ihre Richtung – holte Händler aufs Podium. Im vergangenen Jahr folgten dieser Einladung Carola Markwa (Buchhaus Lehmanns, Hannover), Olaf Geyer (Wittwer, Stuttgart) und Joachim Wrensch (Graff, Braunschweig) – alle drei redeten den Verlagen ins Gewissen (zum Nachlesen im Archiv: Guter Rat vom Sortiment).
In diesem Jahr kamen Susanne Hellmann (Kulturkaufhaus Dussmann, Berlin) und eine Reihe von Spezialsortimentern zum Zug – Martina Olufs (Koch-Kontor, Hamburg), Jürgen P. Lipp (Buchhandlung Wrage, Hamburg) und Peter Nowotny (Zauberkörbchen, Dormagen; ein Interview zum Status quo der Bastelhändler lesen Sie hier). Dabei drehte sich das gut einstündige Gespräch vor allem um ein Thema: Marketing für Ratgeber.
Die Moderatoren Monika Schlitzer (Programmleiterin bei Dorling Kindersley und AkR-Sprecherin) und Christof Klocker fragten die Händler, wie sich die Kundenbedürfnisse aus ihrer Sicht verändern, ob und wie sie neue Trends aufspüren, welche Rolle gedruckte Ratgeber bei ihnen im Laden spielen und was sie in puncto Marketing tun. Dabei zeigten sich große Unterschiede – jeder Händler geht im Alltag anders vor. Worin sie sich einig waren:
  • Kunden greifen deshalb gern zu Ratgebern, weil sie − wie sie den Händlern selbst berichten − die langwierigen Recherchen im Internet leid sind, verbriefte Tipps suchen, erprobtes Wissen.  
  • Kunden werden kritischer, mit Blick auf die Inhalte von Büchern und mit Blick auf Präsentationen im Laden. Hellmann zum Beispiel berichtete von Kunden, die erschüttert fragten: „Wie können Sie das nur verkaufen?“ Vor allem bei den Themen Lebensmittel, Diäten, Gesundheit käme das vor. „Leider fehlen uns oft die Informationen dazu.“ Hellmann regte deshalb an, Seminare für Buchhändler anzubieten – geleitet von Autoren. „Das wäre sehr hilfreich, Kunden wollen, dass wir besser über die Dinge Bescheid wissen.“
  • Von den Marketingmaterialien, die Verlage für sie mühevoll entwickeln, sind es vor allem die kleinen, die zünden (Lipp: „Give aways sind super!“; Olufs: „Für Poster habe ich gar keinen Platz, ich mag lieber die kleinen Sachen“).
  • Individuelle Aktionen sind erfolgreicher als der Einsatz standardisierter Plakate, die dann überall hängen (Hellmann: „Außerdem ist es für Kunden im Laden durch die Vielzahl der Produkte schon so unübersichtlich genug.“).
  • Gedruckte Werbung nehmen Kunden nach wie vor gern mit (Hellmann: „Bei redaktionellen Aufarbeitungen von Themen greifen Kunden gern zu.“; Lipp: „Kataloge und Zeitschriften werden einfach nicht so schnell weggeschmissen – Newsletter per Mail dagegen oft gar nicht richtig wahrgenommen.“)
Know how für Verlage: Digitales Marketing für Ratgeber, Urheberrecht, Rezensionen, Neues Verbraucherrecht

Das Podiumsgespräch, geführt in großer Offenheit, setzte den Schlusspunkt der Tagung. Am Ende bedankte sich Monika Schlitzer für „ein schönes, entspanntes Treffen“ – was nicht bedeutet, das manchem beim Verlassen des Konferenzsaales der Stiftung Warentest nicht doch der Kopf rauchte.

Die Fülle an Themen, die sonst noch verhandelt wurden, war wie immer immens: Eine (lohnende) Stunde lang sprach Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang über die neuen Entwicklungen bei juristischen Fragen – u.a. beim Urheberrecht, bei der Verwendung von Rezensionen aus Zeitungen und Zeitschriften, beim E-Commerce und dem Verbraucherrecht. Eine weitere Stunde nutzten die Ratgeberverlage, um sich bei Sebastian Posth über die Feinheiten des digitalen Marketings zu erkundigen.

Posth, Geschäftsführer des zur Spiegelgruppe gehörenden E-Book-Marktforschers Publishing Data Networks, blieb dabei jedoch eher theoretisch und konzentrierte sich auf Fragen der Analyse – mit dem Ziel, die Verlage dazu zu motivieren, die Meinungsströme im Internet möglichst weiträumig, exakt und, vor allem, systematisch zu beobachten. Je genauer sie darüber Bescheid wüssten, wer ihre Leser seien, umso besser ließen sich Marketingkampagnen steuern, argumentierte er. Im Großen werde das mit Hilfe des von seinem Unternehmen entwickelten Dashboards (namens Monitor) bereits gemacht, so Posth, etwa bei Bastei Lübbe, der Holtzbrinck-Gruppe, der Münchner Verlagsgruppe oder Bonnier Deutschland.  

Die Frühjahrstagung des Arbeitskreises Ratgeberverlage (AkR) fand am 8. und 9. Mai in Berlin statt, in den Räumen der Stiftung Warentest am Lützowplatz. Mehr als 40 Mitglieder nahmen daran teil.