Libri.Campus 2014

Simplify your Store

22. Mai 2014
von Börsenblatt
Wie es Buchhändlern gelingt, Kunden auf Dauer bei der Stange zu halten, gehört zu den kniffligsten Fragen der Branche – der sich auch Libri stellt. Das Barsortiment rückt sie beim Libri.Campus 2014 erneut in den Fokus und nimmt für sich zugleich einen neuen Anlauf, um eine Antwort zu finden: mit einem groß angelegten Programm, das Profilkonzepten im Buchhandel eine Renaissance beschert.

Wer einmal kommt, der kommt auch wieder: Das hat sich beim Libri.Campus auch in diesem Jahr wieder gezeigt. Allein zum Start (19. und 20. Mai) waren mehr als 100 Buchhändler dabei – viele von ihnen nicht zum ersten Mal. Bei den beiden Seminarblöcken, die noch folgen werden, dürfte das ähnlich sein (22. und 23. Mai, 26. und 27. Mai). Was sie nach eigener Aussage dazu bringt, sich zwei Tage freizunehmen und den Weiterbildungsparcour von Libri in Bad Hersfeld zu durchlaufen: spannende Referenten, inspirierende Geschichten, der Austausch mit Kollegen. „Irgendwas nehme ich immer mit“, sagen sie.

Profil zeigen: Die Konzepte von Libri

Libri stellt die Veranstaltung diesmal unter das Motto „Profis zeigen Profil! Wachsen Sie mit dem richtigen Konzept“. So ambitioniert das klingt: Das Barsortiment meint die Sache durchaus ernst – und ist auch überzeugt, damit in der richtigen Richtung unterwegs zu sein. Doch der Reihe nach.   

Barsortimente beliefern den Buchhandel nicht nur mit Waren, sondern längst auch mit Ideen. Libri sattelt hier jetzt noch einen drauf: Das Unternehmen will Buchhändlern künftig auch als eine Art Strategiepartner unter die Arme greifen. Im Verbund mit der Nymphenburg-Gruppe sowie den Beratern Arnd Roszinsky-Terjung und Andreas Meyer legte das Barsortiment ein Programm auf, um Buchhändler dabei zu unterstützen, bei ihren Kunden vor Ort neue Aufmerksamkeit zu finden – den Veränderungsstau intern aufzulösen und im Wettbewerb besser auszusehen, damit Kundenfrequenz und Umsatz wieder zulegen. Dreh- und Angelpunkt des Ganzen: ein auf dem Limbischen System basierendes, handfestes Profil.

Das Programm geht von der Annahme aus, dass Händler heute ein klar umrissenes Profil brauchen, um am Markt wirklich sichtbar zu bleiben. Kunden klar zu machen, wer man ist und für was man steht, sei die Basis für wirtschaftlichen Erfolg, glaubt Libri. Und steht damit ja auch nicht alleine: Andere Berater (etwa Gaby Marx, die ein Lebensqualität-Profil entwickelte) empfehlen ähnliches.

Libri selbst hat vor knapp zwei Jahren damit begonnen, das Profil-Programm auszuarbeiten. Zunächst als Geheimprojekt. Am Ende der ersten Phase kristallisierten sich dann drei Themen heraus, die erfahrungsgemäß ein besonders großes Publikum ansprechen, die es so am Markt sowieso schon gibt und sich deshalb leicht heben lassen – ohne zur Brechstange greifen zu müssen. Diese Themen lauten: Lesewelten, Kinder und Familien, Schenken und Selbstbelohnung.

Arnd Roszinsky-Terjung: „Eine Idee provoziert die nächste.“

Die Frage, ob diese drei Profilkonzepte auch einem Praxistest standhalten und flexibel genug sein würden, um die unterschiedlichen Gegenheiten vor Ort zu erfassen, war damit allerdings noch nicht geklärt. Darum bemühten sich Libri und Arnd Roszinsky-Terjung dann seit Anfang 2013 – Roszinsky-Terjung war es auch, der beim Libri.Campus diese Woche in Bad Hersfeld eine erste, vorsichtige, aber positive Bilanz zog. „Natürlich sind wir noch nicht fertig“, dämpfte er die Erwartungen seiner Zuhörer. „Das ist ein kontinuierlicher Prozess, in dessen Verlauf eine Idee die nächste provoziert.“

Von den neun Buchhandlungen, die sich an dem ersten Praxistest beteiligten – laut Unternehmen ist mittlerweile ein zweiter mit 30 Sortimenten angelaufen – ließen drei die letzten Monate Revue passieren: Friedrike Herrmann berichtete über den Umbau bei der Buchhandlung Bindernagel in Friedberg – sie hatte sich im Pilottest für das Profil Lesewelten entschieden; Simone Kitz (Buch Netzer in Lindenberg) sprach über ihre Erfahrungen mit dem Profilkonzept Familie und Kinder, Hans-Bernd Eissing und Manuela Gulbins-Eissing (Buchhandlung Eissing in Papenburg) über den Schwerpunkt Schenken und Selbstbelohnung.

Die Konzepte unterscheiden sich zwar, ihre Umsetzung erfordert jedoch vergleichbare Anstrengungen, wie die Vorträge zeigten – sie erfordern Lust auf einen Perspektivwechsel und darauf, den eigenen Kompass konsequent auf die Wünsche der Kunden auszurichten. Jedes der drei Profilkonzepte umfasst sieben Kapitel (Libri nennt sie Erfolgsbausteine):
  • Basiswissen Kunden (limbisches System; Erkenntnisse der Motivationsforschung; Verkaufspsychologie, Empathie entwickeln)
  • Außenauftritt
  • Ladengestaltung
  • Sortimentsmanagement
  • Visual Merchandising
  • Marketing
  • Mitarbeiterführung

Simplify your Store, ab 2015 für alle

Friedrike Herrmann etwa räumte Info-Pulte aus dem Weg („Das Wegräumen war toll, so entsteht kein Gedränge mehr.“), reduzierte den Warendruck im Laden, rückte die Tische um, wählte neue, große Bildmotive aus (als sogenannte key visuals), schuf mehr Ruhe und Ausgeglichenheit.

Was, natürlich, perfekt zu ihrem Profil passt: Das Profil Lesewelten zielt auf alle, die beim Lesen gern auf die Bremse treten, sich beim Lesen gern entspannen, dem Alltag entfliehen und Neues entdecken wollen. Herrmann weiß heute, dass es hier gar nicht mal so sehr um den großen Stilwechsel im Laden geht, sondern auch die von Kunden eher unterschwellig wahrgenommenen Veränderungen greifen. Sobald die Pilottests bei den 39 Buchhändlern und das Weiterbildungsprogramm, das der Libri-Außendienst derzeit absolviert, abgeschlossen sind, möchte Libri mit seinen Profilkonzepten aufs Ganze gehen: Laut einem Unternehmenssprecher erfolgt der Rollout 2015 – ab dann soll die Beratung auch etwas kosten. „Wie hoch wir die Gebühren ansetzen, steht aber noch nicht fest.“

Clever verkaufen: Gute Gefühle sind ein schwieriges Geschäft

Doch darauf muss keiner, der in Bad Hersfeld dabei war, unbedingt warten: Der Libri.Campus 2014 versetzt jeden in die Lage, selbst schon einmal aktiv zu werden – auf eigene Faust sein eigenes Konzept zu entwickeln. Das notwendige Know how dafür wurde den Teilnehmern knapp, präzise und unterhaltsam serviert. Von:

Anna Barbara Hollstein, Nymphenburger; sie erklärte Ansätze des Neuromarketings (Limbic-Modell; Motive/ Emotionen) und wie sich Konzepte entwickeln lassen – am Beispiel der drei Profilkonzepte Lesewelten, Kinder und Familien, Schenken und Selbstbelohnung. Sie erinnerte dabei auch daran, dass es immer und in erster Linie „die Suche nach guten Gefühlen“ ist, die Menschen antreibt. Ihr Tipp: „Unterscheiden Sie sich, seien Sie der rote Bleistift unter lauter schwarzen!“
 

Joachim Bauer, Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut an der Uni Freiburg; Bauer vertritt die These, dass Kooperationen fest in der Natur des Menschen verankert sind – dass das Miteinander stets wichtiger ist als das Gegeneinander. Bedeutet: Soziale Akzeptanz, Wertschätzung und Anerkennung geben immer den Ton an; sie sind die Leitmotive – auch beim Bücherkauf im Laden.

 

Sabine Schubert, Beraterin bei Kirchner und Robrecht, die einen Workshop über CANVAS leitete – eine Methode, um Geschäftsmodelle zu entwickeln und schon im Vorfeld auf Erfolgschancen abzuklopfen. Ursprünglich von Alexander Osterwalder erfunden, ist CANVAS mittlerweile recht weit verbreitet, und (wie Schubert zeigte) auch gar nicht so schwer zu erlernen (das Buch dazu gibt es beim Campus Verlag: „Business Model Generation“ von Alexander Osterwalder, 34,99 Euro).

 

Georg Schumacher hatte sich vorgenommen, Buchhändler im Querdenken zu unterrichten, für sie diverse Werbemaßnahmen zu dechiffrieren (vor allem: von IKEA) und mit ihnen gemeinsam zu überlegen – das war das i-Tüpfelchen – welche Mehrwerte Bücher und Buchhändler interessant machen („theoretisch kann man zu jedem Buch etwas hinzuaddieren“). Die Ideen der Buchhändler gefielen ihm. Eine davon lautete: In Bücher Karten beizulegen, auf denen schon mal steht, welches Buch sich als nächstes zu lesen lohnen könnte (à la: wenn Ihnen dieses Buch gefallen hat, gefällt Ihnen sicher auch jenes). Schumacher arbeitet als Trainer und Autor, ist vielbeschäftigter Marketingberater und Gründer des Querdenker-Networks.  

 

Andreas Nemeth, der sich selbst als Potenzialentwickler bezeichnet. Zum Libri.Campus steuerte er ein Verkaufstraining bei, das wohl keiner so schnell vergessen wird. Er regte die Teilnehmer dazu an, Empathie zu zeigen – ihre Cleverness zu trainieren und im Verkaufsgespräch weniger dem Zufall zu überlassen. Dass jeder Kunde anders ist, wissen Buchhändler, haben aber oft genug damit zu kämpfen. Nemeth präsentierte deshalb ein kleines, feines Instrumentarium, das ihnen in solchen Situationen gute Dienste leisten dürfte: Weil es sie in die Lage versetzt, jeden Kunden ganz unverkrampft so anzunehmen, wie er ist – und zu erkennen, wo seine Stärken und Schwächen liegen.

 

Das Instrumentarium von Nemeth besteht aus einem Cluster der fünf Grundmotive – Anerkennung, Selbstachtung, Vertrauen, Sicherheit, Freiheit. Im Workshop wurde jeder Typ von den Buchhändlern en détail durchdekliniert. Zum Beispiel den, dem es vor allem um Anerkennung geht. Nemeths Tipp für diesen Fall: Gespräche immer auf Augenhöhe führen, Komplimente einstreuen, dem Ego schmeicheln, Besonderes anbieten.